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Beiträge zum Thema Fenster

Aktuelles

Zwischen Tier und Gott
Vom Drama des Menschseins

Der Mensch ist, wie schon die antiken Philosophen erkannten, ein Wesen, das sich in der Mitte zwischen dem Sumpf animalischen Dranges und der Welt hochgeistiger Ideen wiederfindet. Nun - diese mittlere Position ist kein statischer Ort, sondern ein Spannungsfeld. Der Mensch, so schrieb Blaise Pascal, ist „weder Engel noch Tier; und wehe dem, der aus ihm einen Engel machen will“ (Pensées 358). Dieses „Wehe“ bedeutet nicht nur Scheitern, sondern Verirrung, eine fatale Selbstverkennung des Wesens,...

Glaube und Alltag

Himmel & Hölle
was meinen die eigentlich?

Die Frage, ob Himmel und Hölle als Orte oder als Zustände zu verstehen sind, berührt eine tiefe, kaum auflösbare Spannung in unserem Denken. Wir sprechen von Orten, weil wir in einer Welt der Räumlichkeit leben. Unser Körper verortet uns, und unsere Sprache ist geprägt vom Hier und Dort. Doch sobald wir über das hinausdenken, was die Sinne umgreifen, geraten wir an eine Grenze: Kann die Ewigkeit einen „Ort“ haben? Kann die Hölle irgendwo sein, wenn sie zugleich als Abwesenheit Gottes, als...

Glaube und Alltag

von der Kraft
eines einzigen Wortes

Es gibt Familien, die durch eine merkwürdige Aura von Legenden umschattet sind – als hätten sie die Jahrhunderte hindurch das Echo einer Botschaft tragen müssen, deren Klang heute niemand mehr recht zu deuten weiß. Zu diesen Familien gehörten die Perlsteins, deren Name wie ein geheimer Schmuck klingt, als bestünde er nicht nur aus Silben, sondern aus Gold, Perlmutt in einen Hauch von Ewigkeit gefasst. Von Adrian Siegismund Perlstein ist zu berichten, dass er, wie schon sein Großvater und dessen...

Feuilleton

Christliches Erlösungsdrama
Im Spiegel von Wagners Ring und Parsifal

Die christliche Heilsgeschichte und das Drama der Erlösung in Wagners Ring und dem Parsifal Juli und August - das ist in jedem Jahr die Zeit der Festspiele in Salzburg. Als Zuckerl wird dort auch immer ein bisschen Richard Wagner gegeben. Zumeist jedoch ist dreht sich alles um Mozart und zeitgenössische Musik. Am 23. August jedenfalls ist aber auch Wagner dran - das Vorspiel zum ersten Akt der Oper Lohengrin WWV 75, das Siegfried-Idyll E-Dur WWV 103 und der der erste Akt aus dem Bühnenfestspiel...

Eine Welt

Einhundert Meter
UNANTASTBARKEIT

Franz liegt in diesem Spitalbett und kann nicht sterben, er liegt und wartet auf nichts - auch nicht auf den Tod, denn der Tod hat ihn längst vergessen, und wenn der Tod einen vergessen hat, dann kann man nichts machen, dann liegt man einfach da und wartet, und Franz ist schon 105 Jahre alt, das muss man sich vorstellen, 105 Jahre, und er denkt nicht, er denkt nichts, und wenn er nicht schläft, freut er sich, dass er da ist, das sagt er auch immer wieder zu diesem Priester, der kommt, immer...

Blickpunkt

der Gott von Marko Petrovic
Hütchenspiel

Er hieß Marko Petrovic und saß jeden Tag auf dem staubigen Platz von Skopje im Schatten des bunten Wagens eines Eisverkäufers. Drei Becher vor sich, Eistüten. Er schob sie hin und her, schneller als man sehen konnte. Die Hände waren braun von der Sonne, sehnig wie alte Äste. Niemand wusste, wie alt er war. Manche sagten, er sei schon alt gewesen, als ihre Väter jung waren. Andere meinten, er habe sich niemals verändert, nur die Stadt um ihn herum sei moderner geworden. „Unter einem dieser...

Service + Familie

Sakralzeichen oder Lifestylephänomen?
Das Tattoo

Tätowierungen – Hautschrift, Sakralzeichen und das Mysterium der Fünf Wunden Christi 1. Ursprünge der tätowierten Haut – Die Haut als erstes Textblatt der Kulturgeschichte.   Die Haut ist nicht nur das größte Organ des Menschen, sondern die ursprüngliche Bühne der Offenbarung. Sie ist der Ort, an dem das Ich und die Welt in Kontakt treten. Schon die ersten Tätowierungen der Frühzeit – Kohlespuren unter der Epidermis, eingerieben in kleine Schnitte – waren mehr als Körperkunst: Sie waren Opfer,...

Glaube und Alltag

Schafe ohne Hirten
für den 20. Juli 2025

„Es jammerte ihn, denn sie waren wie Schafe ohne einen Hirten.” Es gehört zu den paradoxen Großartigkeiten des Christentums, dass es sich solcher einfachen Jesusbilder lange Zeit nicht schämte. Ja, diese Bilder sind archaisch. Und deshalb überleben sie. Das Bild vom guten Hirten stammt nicht aus der Philosophie, sondern von den Weiden schutzbedürftiger Kreaturen. Der Hirte selber ist nicht eins von den Schafen. Er denkt nicht wie sie. Er schläft nicht in ihrer Herde, auch wenn er bei ihnen...

Feuilleton

„Was hier steht, stand nie in den Zeitungen“
Aufstellungsarbeit à la Bert Hellinger

Bad Finkenstein. Ein Kurort in Süddeutschland.  Freitagvormittag. Die Praxis von Dr. Victor Habenthal liegt unauffällig, fast zu still, in einer Seitengasse unterhalb des Kurparks. Kein Schild, keine Werbung, nur eine bronzene Klingel mit schlichter Gravur: Dr. V. Habenthal – Analytische Strukturarbeit. Im Inneren empfängt einen eine Mischung aus Ordnung und gelebter Stille. Kein therapeutisches Weiß, kein hygienisches Blau – sondern Eiche dunkel, Leinenstoff, geöltes Kirschholz, ein sanfter...

Feuilleton
2 Bilder

Predigttext für den 13.7.2025: Lukas 6, 36-46
Augencreme ...

Der Zyklop Polyphem lag im Dämmer. Die Höhle war karg. Stein, Schatten, Schafgeruch. Die Felswand war schwarz vom Ruß. Irgendwo tropfte Wasser. Der Speer, der ihm das Auge genommen hatte, lehnte noch immer da, an der Felswand. Seine Spitze war verkohlt, und der Griff klebte vom Blut.  Er schlief nicht. Polyphem schlief nie richtig, seit jener Nacht, als Odysseus, Sohn des Laertes, ihm die Finsternis gebracht und das Auge zerstört hatte. Odysseus hatte getan, was man tun muss, um zu überleben....

Feuilleton

die Silberpappel
Leberecht Gottlieb (Teil 135)

Kapitel 135, in welchem wir erfahren, dass ein ukrainischer Intellektueller (der Dichter Danyyil Abramovych) sich an Leberecht Gottlieb zu hängen beginnt, die beiden ein Herz und eine Seele werden, Geschichten von diesem oder jenem zu erfinden beginnen - und die schwere Zeit der Verbannung deshalb besser meistern zu können meinen ... In den täglichen Werkpausen, welche man den untertags schuftenden Strafgefangenen, damit deren Arbeitskraft leidlich erhalten blieb, regelmäßig gönnen musste,...

Feuilleton

die Zerstörerin der Werte
Leberecht Gottlieb (Teil 134)

134. Kapitel, in dem wir den Schriftsteller Daniel Abramowich kennenlernen und seine Kurzgeschichte von der Magna Destructrix Virtutum, - der Großen Wertezerstörerin. Nach ein paar Wochen hatte  sich Leberecht einigermaßen "gut" auf Workuta eingelebt. Ob man in Bezug auf russische Straflager von "gut eingelebt haben können" überhaupt sprechen darf, ist dabei eine andere Frage. Jedenfalls fand der greise Pfarrer hier sogar ein paar Freunde. Auch einen ganz besonderen jungen Mann mit Namen Daniel...

Eine Welt

dein freund
DER DALAI LAMA

Dein Freund, der Dalai Lama. Zum 90. Geburtstag eines Mannes, der weiß, was Stille bedeutet. Er sitzt irgendwo da oben, jenseits der Bergpässe, auf einem Teppich aus Zeit und Geduld. In seinen Händen: ein Rosenkranz aus Knochen, Gebete, die zu Wind geworden sind. Auf seiner Nase: seine unverwechselbare Brille, die den Schleier zwischen Diesseits und Jenseits mit milder Neugier durchdringt. Er trägt Orange, wie eine reife Frucht, die man nicht pflücken darf. Heute wird er neunzig Jahre alt. Der...

Glaube und Alltag

Lukas 15
der verlorene Sohn

Im fernen Land lebt noch der alte Vater - du und dein Bruder wart auf seinem Hof. Erinnert Euch! Da gab es das Theater: der eine fühlte sich als Philosoph und fordert, ihm das Erbteil auszuzahlen - man gab ihm nach. Und gleich ging´s ab zum Schwof. Er brachte alles durch im Maximalen - verprasst mit Huren seines Vaters Gut, dann kam die Pleite, Hunger, Not und Qualen, zum armen Knechte ward der Tunichtgut. Man schickt ihn auf die Felder Sauen hüten, das war der Lohn für Stolz und Übermut ... Um...

Glaube und Alltag

das Gleichnis vom
Verlorenen Sohn

DER VERLORENE SOHN „Er ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten.“ (Lk 15,15) Ein erschütterndes Bild, das im Gleichnis VOM VERLORENEN SOHN gezeichnet wird. Dieses erzählerische Kleinod gehört zu den besten Stücken des neuen Testaments und ist für den morgigen Sonntag in die Reihe der sechs in Frage kommenden Texte aufgenommen worden. Der Sohn, der das Vaterhaus verließ, weil er meinte, Freiheit sei Selbstverwirklichung ohne...

Glaube und Alltag
2 Bilder

crying in the chapel
OFFENE KIRCHEN!

CRYING IN THE CHAPEL Die Tür war offen. Das war das Erste. Und es roch nach Staub, Stein und alter Zeit. So wie Dinge eben riechen, wenn sie eine lange Geschichte hinter sich haben und eine noch längere vor sich. Ich trat ein. Die Sonne draußen brannte, aber hier drin war es still und kühl. Ein paar Fliegen lagen auf der Fensterbank. Tot. Die Beine zum Himmel gestreckt wie nichts … Und da war sie. Nicht die Fliege. Sondern sie. Sie saß in der zweiten Bankreihe, kniete nicht, sondern saß. Der...

Glaube und Alltag

vom Auftrieb des Geistes
die Möwe zum Beispiel ...

Schau nach der Möwe am Rande des Meeres. Dort, wo Wasser und Festland sich zu jeweiliger Weite ausdehnen. In stummer Anmut nutz der Vogel die Thermik, um sich empor tragen zu lassen. Man begreift mit einem Mal, dass es in der Schöpfung Bewegungen gibt, die nicht nur mechanisch zu verstehen wären, sondern als Sinnbilder bedeutungssatter Zusammenhänge. Alle Vögel überhaupt, erfüllt von einem geheimen Wissen um die Strömungen der Luft, wissen sich dem Auftrieb anzuvertrauen – nicht so sehr, um der...

Feuilleton

Orte der Geduld
die Kirche

I. Ei oder Huhn? Wenn die alte Frage nach dem Anfang gestellt wird – Was war zuerst: das Huhn oder das Ei? –, so wählt die Weisheit manchmal einen dritten Weg. Nicht das Huhn, nicht das Ei, sondern das Nest – jener Ort, an dem sich beides begegnet, an dem Neues sich bereitet, Altes sich niederlässt, und das Leben im Zwischenraum ruht. Das Nest ist nicht die Idee der Sukzessivität, sondern eine konkrete Stätte. Es ist nicht der Logos, sondern sein Empfangsraum. In solcher Analogie liegt ein...

Glaube und Alltag

auf den Tag Peter & Paul 29. JUNI
zwei Männer am Rand der Welt

Sie saßen sich gegenüber wie zwei alte Fischer, die dieselbe Strömung für etwas Entgegengesetztes hielten. Der eine Mann war grob, breit, wettergehärtet. Petrus. Felsen genannt, innerlich wie altwürziges Brot. Der andere war schmal, zäh, ein Intellektueller mit vernarbtem Eifer. Paulus. Zeltmacher. Philosoph. Missionar aus Trotz. Jerusalem kochte unter der Sonne. Der Wind brachte Staub und alles andere - nur keine Klarheit. Und doch musste man über alles das reden. Und da ging es nicht nur um...

Glaube und Alltag

ein Hochaltar aus Blei
Leberecht Gottlieb (Teil 133)

133. Kapitel, welches Leberecht Gottlieb in ein russisches Bleibergwerk einfahren lässt und uns vor den "Hochaltar der triumphierenden Kirche“ führt ...  Es geschah an seinem ersten Frontage drunten im Blei, dass unser Held Leberecht Gottlieb - dermaleinst Pfarrer, nun aber verbannt nach Workuta - dass er also am Morgen hinabfuhr in den Schlot zur Tiefe des Berges. Hier würde er gefangen bleiben, hatte man ihm bedeutet, bis er die Baupläne des Raumzeitgleiters endlich preisgegeben. Wenn nicht,...

Eine Welt

Kyrill v. Alexandria am 27. Juni
Bedeutung des Titels Theotokos

Zur dogmatischen und geistlichen Bedeutung des Titels Theotokos - Erinnerung an Kyrill von Alexandrien und an das Konzil zu Ephesus 341 1. Einleitung: Die Würde des Namens Die Kirche ist eine hörende Kirche. Sie lebt nicht einfach so aus sich selbst heraus, sondern aus dem Wort, das an sie ergangen ist – aus der Selbstmitteilung Gottes, welche die Kirche nicht selber produzierte, sondern empfing. Wo die Kirche spricht, spricht sie in der Regel nur dieses einmal Empfangene nach – sie nennt, was...

Glaube und Alltag

auf den 25. Juni ...
Tag der Confessio Augustana

Die Sünder im Schatten der Goldschrift Es war ein milder Tag im Juni. Augsburg anno 1530 - und die Stadt stand unter Spannung wie ein Drahtseil im Sturm. Der Kaiser war gekommen, Karl der Fünfte höchstselbst, in prachtvoller Erscheinung und mit der Unruhe eines Mannes, der mehr Reiche als Stunden am Tag regieren musste. Er wollte Einigkeit im Glauben. Er wollte Ordnung. Er wollte keine Bauernaufstände mehr, keine Zersplitterung, keinen frommen Aufruhr mit Mistgabeln. Und so traten sie zusammen,...

Glaube und Alltag

GOTTES TRAUBEN
theologische Parabeln (1)

I. Der Abtritt des Glaubens In seiner kargen Zelle, im verwaisten Kloster am Rande der Welt, saß der Mönch. Man hatte ihn einst Bruder Laurentius genannt. Selber nannte er sich jetzt nur noch „Ex“. Das Habit hatte er behalten – aus Ironie. Als Zeichen, um sich zu erinnern, wovon er sich befreit hatte. „Es gibt keinen Gott“, sagte er als Morgengruß laut in die kühle Leere. „Keinen Schöpfer, keinen Erlöser, kein Jenseits. Nur Dummheit, Fiktion und Klerus.“ Ein leiser Ton antwortete aus der Wand....

Feuilleton

am Abend
des Johannestages

> LINK „Ist etwa dies der Tod?“   Eine letzte Frage beschließt das vierte Lied „Im Abendrot“ – sanft in den Äther entlassend, fast jenseits der Sprache selbst – und das ist keine Furchtformel, kein metaphysischer Schrei, sondern eine staunende Frage im Angesicht des Friedens. Es ist eine Frage, die das große musikalische Schweigen vorbereitet, in das Richard Strauss sein Leben gleiten lässt, wie in ein letztes Gebet. Der Komponist ist sehr alt geworden. Als er 1948 diese Lieder komponierte, war...

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