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Beiträge zum Thema Fenster

Feuilleton

Volk und Kaiser
… es gibt Tage …

Auch das gehört zu den merkwürdigen Ironien der Geschichte, dass ausgerechnet jener Monarch, der sein Reich sechs Jahrzehnte lang wie ein schweigsamer Uhrmacher in Gang hielt, an einem einzigen unscheinbaren Tag still - verschwand. Franz Joseph Karl von Österreich, aus dem Haus Habsburg-Lothringen, war vom 2. Dezember 1848 bis zu seinem Tod Kaiser von Österreich, Apostolischer König von Ungarn und König von Böhmen. Mit einer Regierungszeit von nahezu 68 Jahren übertraf er jeden anderen...

Feuilleton
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Prof. Dr. Norbert Müller
Im Gedächtnis geblieben

Ja - es gibt die großen Gestalten, die dem Gedächtnis nicht durch Lautstärke, sondern durch stille Gravität ihrer Existenz eingeschrieben bleiben. Professor Dr. theol. habil Norbert Müller war eine solche Erscheinung – einer jener Alten, deren Lebenszeit sich wie eine aus dem Dämmerlicht geborgene Handschrift lesen lässt. Behutsam, Seite für Seite, und stets begleitet vom Hauch jahrzehntealter Wissenschaft, die nicht vom Betrieb, sondern von der Berührung des wirklichen Geistes lebt. Wer je an...

Feuilleton

Jesus, Nietzsche und Fichte
SPRING!

Im Matthäusevangelium findet sich eine Szene, die für das christliche Menschenbild zentral geworden ist. Jesus fragt seine Jünger, als was die Leute ihn sähen. Verschiedene Propheten werden  genannt ... Erst als Petrus sagt: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“, wird sichtbar, was geschehen kann. Ein Mensch findet seine Aufgabe, wenn er angesprochen wird. Petrus erkennt Jesus,  hält  den brennenden Reifen des Wagnisses hoch1) - und Jesus springt. Auf diese beherzte Weise gibt...

Glaube und Alltag

Erfahrung
Volkstrauertag in dem Dorfe K.

Ich fahre am Volkstrauertag zu einem Gottesdienst hinaus auf´s Land. Die Kirche ist verschlossen. Ich habe seit einiger Zeit mir einen Schlüssel nachmachen lassen. Als ich die Tür geöffnet habe - begrüßen mich die Blumen von vor drei Monaten. Unsterblicher Lavendel. In K. ist nur noch selten Gottesdienst. Heute ist es kalt, -3 ° Celsius und früh um 08.30 Uhr. Das Dorf schläft, aber die Sonne ist wach. Es ist niemand gekommen. Ich gehe einen Feldweg in die Wiesen hinaus. Hier grasen braune...

Feuilleton

gehen und bleiben
DER MITTLERE SOHN

Was niemand so recht wusste: Es gab auch einen mittleren Sohn. Er wohnte noch immer im Hause des Vaters, als der ältere schon gestorben und der jüngere, nach dem großen Fest, wieder abgereist war. Das Zimmer dieses mittleren war ein sonderbar stiller Ort, beinah leer, ein Tisch, ein Stuhl, das Bett. Man konnte, wenn man eintrat, glauben, man befände sich in einem Eisenbahnabteil, das noch unbesetzt war, aber schon den Geruch des Aufbruchs in sich trug. An der Wand hing ein kleiner Zettel, von...

Glaube und Alltag

Hiob
Aus dem Lande Uz

Einst wohnt’ im Lande Uz ein Mann, der einem wirklich leid tun kann. Uz wird als Ort nicht oft genannt, doch Hiob, der blieb uns bekannt. Zuerst - da war er ziemlich reich, doch folgt das Gegenteil sogleich. Im Himmel nämlich gab’s ne Wette, wer nämlich Recht von beiden hätte: Gott selber so mit Satan stritt, ob Hiob fromm blieb - oder nit. Der Satan sprach, er bleibt nur fromm, solang er was von Gott bekomm. Wenn aber Unbill ihn erreiche, folgt draus, dass er vom Weg abweiche. So zwang der...

Glaube und Alltag

der göttliche Stil
Lukas 6,27-38

Es gibt eine Schwelle, die den Menschen vom Tier trennt – keine biologische, sondern eine metaphysische. Sie liegt nicht im Gehirnvolumen, nicht in der Lautbildung, nicht in der Werkzeugkunst. Sie liegt in der Fähigkeit, sich selbst in die Schranken zu weisen. Das Tier folgt seinen Affekten, und in dieser Treue zur Instinktnatur ist es makellos. Der Mensch aber ist gar nicht makellos; er ist ein Riss im Gewebe der Schöpfung – weil er weiß, dass er handeln könnte, anders, als sein Trieb ihn...

Feuilleton
Caspar David Friedrich - ziehende Wolken (gemeinfreies Bild WIKI)
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EWIGKEIT
Lange Zeit

„Wir sehnen uns nach Hause und wissen nicht, wohin.“ Joseph von Eichendorff hat diesen Satz geprägt - Spätromantik. Das klingt wie eine ferne Glocke, die irgendwo im Nebel läutet – nicht laut genug, um uns den Weg zu weisen, aber eindringlich genug, um uns daran zu erinnern, dass es ihn gibt: den Heimweg. „Wir sehnen uns nach Hause und wissen nicht, wohin.“ – Welch erschütternde Sanftheit in dieser Klage. Sie enthält alles: die Verlorenheit des modernen Menschen, den metaphysischen Hunger des...

Glaube und Alltag

Katharina von Alexandria
Märtyrerlegenden

Ein Engel salbte Katharinas Wunden, zwei Tauben brachten Brot und kühlen Wein. Nie ließ der HERR in finstern Kerkerstunden des Glaubens Zeugen ohne Trost allein. Am Morgen führt man sie zu fünfzig Greisen, die fragen scharf und lange im Verein. Doch Katharinas Rede samt Beweisen zerschlägt den Wahn – mit klarem Argument. Die Philosophin zeigt den Greisen Eisen, die keines Gegners Wut und Kunst berennt. Schon knien sie alle. So, wie zahme Lämmer und schwören ab dem Götterfirmament. Der Kaiser...

Glaube und Alltag

auf den 3. November
Hubertus & Aktaion

Und wieder musste er hinaus zum Jagen, so ging es lange schon - seit Jahr und Tag. Hubertus heißt der Mann. Wir woll’n es wagen, sein Schicksal zu betrachten, Schlag auf Schlag: Als Knabe schlief er immer in dem Raume, wo Bogen, Spieß und scharfe Armbrust lag. Auch ein Gemälde, wie aus bösem Traume - zeigt Akteon, verwandelt als ein Hirsch, und seiner Hunde Meute, Schaum am Maule, zerrissen ihren Herrn, weil auf der Pirsch beim Bad Diana er gesehen hatte - der Wälder Göttin, nackt wie eine...

Glaube und Alltag

Allerseelen
2. November 2025

Ich fasse Mut, an des Novembers Rande dort auf dem Kirchhof eine Zeit zu wallen. Lang mir den Stab und wähl zum dunklem Lande der Wandrung Weg, indes die Blätter fallen. Wohl dachten andre ebenso und kamen mit mir zum Platz der Särge, Urnen, Hallen. Da waren alte Weiber, junge Damen - und Greise, welchen alle Glieder zittern, ich sah viel Männer, deren große Namen ich aus den Büchern kannte, wo von Rittern erzählt wird weiter Fahrten bunte Fabel, von Abenteuerreisen, süßen, bittern. Sie kamen -...

Feuilleton

Allerheiligen
1. November 2025

Nach Halloween folgt heute Allerheiligen, nach Allerheiligen das Allerseelenfest. Und dann kommt gleich der Hubertustag. Anschließend ist am 4. November Karl Borromäus zu berücksichtigen, der ein Heiliger geblieben ist, obwohl daran beteiligt gewesen, den Mailänder Kaufmann und Seidenwirker Georg von Ghese zum Scheiterhaufen zu verurteilen. Auch der 5. November hat seinen Heiligen - und der 10. mit Martin von Tours sowieso. Wer dann letztlich wirklich das Heiligenprädikat errungen haben wird,...

Glaube und Alltag

die Haupttexte des Reformationstages
Deuteronomium 6,4-9

„Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein,...

Glaube und Alltag

auf den 28. Oktober
Konstantin an der Brücke

Es war spät in jener Oktobernacht, als Kaiser Konstantin, der Sohn des Constantius, den Helm vom Haupt nahm und, schwer von den Entscheidungen des Tages, in seinem Zelt am Tiber ruhte. Die Luft war still, wie sie nur in Rom still sein kann, wenn der Mond die Oliven silbern färbt und in der Ferne die Hunde bellen. Sein Heer schlief in der Ebene, ringsum brannten die Wachfeuer, der Rauch zog in dünnen Fäden über die Felder, und in der Ferne, über den dunklen Baumkronen, glänzte die Silhouette der...

Glaube und Alltag

Allerheiligen 2025
das Heiltumsbuch zu Wittenberg

Kurfürst Friedrich der Weise hatte im Laufe seines Lebens jede Menge Reliquien gesammelt. Dann war irgendwann auch ein Büchlein gedruckt worden, in dem alle diese Dinge beschrieben und abgebildet waren. Und so kamen die Menschen - jahrzehntelang aus Stadt und Land. Der Reliquien und des Heiltumbüchleins wegen. Endlich ist nun auch Kurt Globnich gekommen. In seinem 94. Lebensjahr wagt er für den Allerheiligentag die Reise nach Wittenberg. Irgendwas fehlte nämlich noch ... Zwar hatte der alte...

Glaube und Alltag

Kleine Geschichte des Losungsbuchs
Das Wort als Waffe

Es mochte gegen halb elf am Abend gewesen sein, als es an der Tür klingelte und sodann ein Lärm einsetzte, so heftig, dass er kein Ende zu nehmen schien – so jedenfalls berichtete Frau Bertha Wohlgemuth, die ehemalige Kirchrechnerin von St. Maxima zu Merseburg, auf die höfliche, aber insistierende Frage des Kriminalobermeisters Müller, der sie gebeten hatte, die Ereignisse der vergangenen Stunde in chronologischer Ordnung wiederzugeben. Frau Wohlgemuth war eine jener unverwechselbaren Gestalten...

Glaube und Alltag

Halloween und Reformationsgedenken
Allerheiligen und Allerseelen

Zwischen Furcht und Verklärung - Halloween, Reformation, Allerheiligen und Allerseelen Ab Ende des Oktobers häufen sich die Feste. Der Nebel ist dichter, die Luft riecht nach kühler Scholle und dunkler Erinnerung. Plötzlich, fast unmerklich, liegt über den Tagen und Nächten, die nun folgen, eine metaphysische Aufladung, welche das säkulare Bewusstsein kaum noch zu lesen weiß. Vier Feste – oder besser gesagt - vier Brennpunkte der geistigen Topographie des Abendlands rücken eng zusammen, wie...

Feuilleton

... auf den 26. Oktober
Heilsgeschichten ...

Die es ausgehalten haben, alle zu betrachten – alle sechs Teile dieser verrückten Saga mit dem unvergleichlichen Arnold Schwarzenegger in einer der Hauptrollen und der verschwitzten Sarah Connor, die den kleinen John unter dem Herzen - oder, wie Sloterdijk schreibt, über dem Querdarm - getragen hat, sind Helden. Stundenlang haben sie zugesehen, wie der Terminator aus der Zukunft in die Fixzeit stürzt. Es ist jedes Mal von eigentümlicher Schönheit, dieses Knistern zu hören, den Blitz aus Licht...

Feuilleton

25. Oktober 1671 - Entdeckung
des Saturnmondes und Titanen Iapetus

Die Entdeckung des Iapetus Giovanni Domenico Cassini legte am Abend des 25.Oktober des Jahres 1671 das Fernrohr aus der Hand. Und seine Finger zitterten. Er hatte etwas gesehen, das keiner vor ihm gesehen hatte. Einen winzigen Lichtpunkt, fern und still, tanzend um den Saturn wie ein geduldiger Diener um einen müden König. Cassini lächelte. Ganz Paris schlief bereits und nur er selbst und das Glas seines Okulars wussten, was da eben entdeckt worden war. Ja - er würde ihn Iapetus nennen. Dieser...

Eine Welt

24. Oktober
Isabell von Portugal

Es gibt Namen, die tragen Melodien in sich, klingende Erinnerungen an vergangene Jahrhunderte. „Isabella“ ist ein solcher Name. Er klingt nach goldenen Gewölben, nach dem Schimmer schwerer Brokatstoffe, nach dem Rascheln von Briefen, die mit Siegellack verschlossen worden sind. Man hört in diesem Namen das helle Lachen der schönen Königin und ihrer Gespielinnen in den Gärten nahe Lissabons – und zugleich das stille, unhörbare Flüstern der Geschichte, welche mit diesem Namen atmet. Die...

Glaube und Alltag

VIERFACHER SCHRIFTSINN
AM TEICH BETHESDA

Man sagt, es gäbe Leser, die nur die Oberfläche der Schrift sehen – wie Spaziergänger etwa, die an einem See entlanglaufen, ohne hineinzuschauen. Es gibt aber auch jene Leser, welche ahnen, dass unter der Oberfläche noch etwas glitzert; und sie beginnen damit, im Text zu tauchen. Lesen wäre demnach durchaus auch als Hochleistungssport zu betrachten. Die Theologen des Mittelalters fanden für solche Kunst mehrdimensionalen Lesens einen Fachbegriff und nannten es den „Vierfachen Schriftsinn”. Es...

Glaube und Alltag

Jüngstes und Allerjüngstes
Gericht

Man hatte ihn abgestellt, das Jüngste Gericht zu protokollieren, als wäre es eine gewöhnliche Verhandlung an irgendeinem Landgericht, ein trüber Vormittag Ende Oktober, an dem die Beamten gähnen und die Federhalter sich durch die Verhandlung kratzen. Nur dass diesmal das Publikum aus sämtlichen Toten aller Zeiten bestand, schweigend und blass, wie auf einer Premiere, deren Bedeutung niemand kennt, aber bei der man, der Form halber, anwesend sein muss. Da saß er nun eben an diesem Tischchen, das...

Glaube und Alltag

auf den Tag der drei Heiligen
Ptolemäus, Lucius und Apollonius am 19.Oktober

Der Saal ist klein, stickig, kaum ein Gerichtssaal, eher ein Abstellraum für die Überreste der Macht, man sieht es an den Mauern, die feucht sind, an den Stufen, die abgetreten sind, an den Säulen, die aus der Ordnung wanken und auf einer dieser Stufen sitzt der Richter, ein Mann, der schon lange nicht mehr an die Gesetze glaubt, die er zitiert, aber sie trotzdem ausspricht mit heilig gespitzten Lippen - weil er sonst nichts anderes mehr hat, was er sprechen könnte, und vor ihm stehen drei...

Glaube und Alltag

JAKOBUS 2,14-26
DIE ALTE FRAGE NACH DEN UNIVERSALIEN

Wer den Jakobusbrief liest - und das ist als Ergänzung und zugleich Gegengewicht zur paulinischen Theologie anzuraten -  begegnet einem feinsinnigen Theoretiker mit sehr praktischen Vergleichen. Am kommenden Sonntag wird man in der Predigt einiges von diesem neutestamentlichem Spätautor zu hören bekommen. Jakobus hat offenbar viel erlebt im Zusammenhang mit Christen, die „Glaube“ sagten wie andere „Guten Tag“. Ja nun - das wissen wir - der Begriff "Glaube" kann aufgeblasen werden und zu einer...

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