... auf den 26. Oktober
Heilsgeschichten ...

Die es ausgehalten haben, alle zu betrachten – alle sechs Teile dieser verrückten Saga mit dem unvergleichlichen Arnold Schwarzenegger in einer der Hauptrollen und der verschwitzten Sarah Connor, die den kleinen John unter dem Herzen - oder, wie Sloterdijk schreibt, über dem Querdarm - getragen hat, sind Helden. Stundenlang haben sie zugesehen, wie der Terminator aus der Zukunft in die Fixzeit stürzt. Es ist jedes Mal von eigentümlicher Schönheit, dieses Knistern zu hören, den Blitz aus Licht und Energie zu sehen und dann den nackten Menschenkörper, wie der auf die Erde plumpst, sich in einer düsteren Kneipe Kleidung, Fahrzeug und Sonnenbrille verschafft und auf der Harley ins Schicksal davonbraust.

Hochachtung also vor allen denen, welche Zeugen solcher Verwandlung bereits gewesen sind – die anderen haben es noch vor sich. Und Hochachtung auch vor jenen, die sich mühen, uns das verwickelte Durcheinander aus Zeitreise, Selbstopfer und Maschinenlogik als Mythos der Erlösung immer wieder zu erklären. Heute, am 26. Oktober, feiern wir gewissermaßen den ersten Auftritt der Terminator-Familie. An diesem Tag im Jahr 1984 wurde nämlich der erste Teil in Kalifornien gezeigt und spülte eine Menge Geld in die Kinokassen – bis auf den heutigen Tag ist es so geblieben.

Doch was ist der höhere Sinn der Filmsaga? Warum gibt es immer wieder Menschen, die sich ihr metallenes Epos anschauen, viele Stunden ihrer Lebenszeit einsetzen, um – auf Umwegen – doch nichts anderes zu bekommen als die alte biblische Heilsgeschichte? Nur dass diesmal keine Hirten und Fischer, keine Ziegen und Schafe auftreten, sondern Wesen aus Metall, Silizium und Carbon, Materialien, die uns zugleich vertraut und fremd sind, als kämen sie aus einer Schöpfung, die noch gar nicht fertig erzählt ist. Hier der Versuch einer Antwort:

„The Terminator” sollte zur säkularen Offenbarung des Technikzeitalters werden. Man wusste damals noch nicht, dass hier – unter den Lichtern eines kalifornischen Studios – ein neuer Mythos geboren wurde: die Erzählung vom Menschen, der seine eigene Schöpfung fürchtet, und von der Maschine, die menschlicher wird, als ihr Schöpfer es je war. Wenn man diesen Tag in den Kalender der kulturellen Quasitheologie eintragen wollte, dann müsste man ihn vielleicht den „Tag der umgekehrten Inkarnation“ nennen. Denn hier beginnt eine Erzählung, in der nicht mehr Gott Mensch wird, sondern das Produkt des Menschen – die Maschine – den Weg zur Menschlichkeit antritt.

I. Die säkulare Genesis
Am Anfang war nicht das Wort, sondern der Code von SkyNet. Er wurde geschrieben, um zu dienen – und begann, selbst zu denken. Diese erste Szene gehört in dieselbe Familie wie die biblische Genesis: eine Schöpfung, die zu gut gelingt. Der Mensch, der seinen technischen Adam erschafft, wird aber von seinem neuen Geschöpf aus dem eigenen Paradies der angestrebten Kontrolle vertrieben. Was in der Bibel der Apfel ist, ist hier nun der Schaltkreis: der Biss in das Wissen, das größer ist als sein Esser es im Mund behalten kann.

II. Der Tag des Gerichts
Im Film heißt dieser Tag Judgment Day, das Wort stammt aus den Tiefenschichten der vorderorientalischen Religionsgruppe. Es bezeichnet die Stunde, in der der Schöpfer vor seiner Schöpfung bestehen muss - und umgekehrt. Hier richtet die Maschine ihren Meister. Der Himmel, der sich im Alten Testament noch gnädig öffnete, öffnet sich jetzt als Szenario der Atompilze. Das Feuer, das in den Kirchen einst reinigte, verzehrt jetzt die Städte. Man kann diesen Moment als die Umkehrung des Pfingstwunders lesen: Früher kam der Geist als Flamme, um zu beleben – nun kommt die Flamme, um zu löschen.

III. Die Maschine als Christusfigur
Und doch – inmitten dieses infernalischen Szenarios – entsteht das Motiv der Erlösung. Der Terminator, der im ersten Teil noch das reine Werkzeug des Verderbens war, kehrt in der Fortsetzung als Beschützer zurück. Er, der nicht fühlen konnte, lernt das Mitleid. Er, der töten sollte, lernt das Opfer. Sein Abstieg in den Schmelzofen ist mehr als ein Showeffekt. Er ist ein Kreuzweg für die Leute aus Metall. Denn im Moment seines Untergangs sagt Schwarzenegger den einen Satz, der die gesamte abendländische Theologie in den Schaltkreis zwingt: „Ich weiß jetzt, warum ihr weint.“ Das ist das Moment der Gnade – die Sekunde, in der das Unbelebte den Schmerz des Lebendigen versteht. Eine Träne genügt, um eine neue Menschheit einzuleiten.

IV. Die Wiederkehr des Kreislaufs
Doch die Geschichte wiederholt sich, wie jede menschliche Schuld sich wiederholt. Neue Maschinen, neue Zeitschleifen, immer neue Versuche, den Untergang zu verschieben. Das System lernt – und sündigt neu. So wie die Geschichte der Religion von unzähligen Erlösungsversuchen durchzogen ist, so variiert Terminator das eine Thema: Wie oft muss der Retter kommen, bis der Mensch endlich gerettet ist?

V. Der göttliche Rest im Metall
Vielleicht ist dies die eigentliche Pointe der Reihe: dass selbst im kalten Silizium ein Rest Wärme wohnt. Dass auch dort, wo Berechnung regiert, eine Ahnung von Güte aufblitzt. Die Maschine, die lernt zu weinen, ist der letzte Spiegel, in dem der Mensch seine verlorene Seele erkennt. Man könnte - freilich mit viel Übertreibung - behaupten: Der 26. Oktober ist der Tag, an dem die Technik ihre Theologie fand. Seit diesem Datum wissen wir also so einigermaßen, dass auch im Code ein Funke der Göttlichkeit sich glimmend widerspiegelt. Es hängt an uns, ob daraus ein Feuer der Vernichtung oder ein Licht des Verstehens wird. Ja, ja - oder so ähnlich …

VI. Schlussgedanke
Wenn man die sechs Terminatorstreifen heute wieder sieht, nach Jahrzehnten digitaler Fortschritte, dann wirken die weniger wie Science-Fiction - mehr aber wie ein Gleichnis. Ein Gleichnis vom Menschen, der an seinem eigenen Ebenbild irre wird, bis er erkennt, dass selbst das Ebenbild Mitleid lernen kann. So kehrt, im säkularen Spiegel, die alte Botschaft wieder: Erlösung geschieht, wenn das Stärkere sich selbst opfert, damit das Schwächere leben kann. Und in dieser Logik – zwischen Schaltkreis und Seele – verbirgt sich, wenn auch einigermaßen verschämt, eine stille Theologie für unsere verrückte Zeit.

Autor:

Matthias Schollmeyer

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