24. Oktober
Isabell von Portugal

Es gibt Namen, die tragen Melodien in sich, klingende Erinnerungen an vergangene Jahrhunderte. „Isabella“ ist ein solcher Name. Er klingt nach goldenen Gewölben, nach dem Schimmer schwerer Brokatstoffe, nach dem Rascheln von Briefen, die mit Siegellack verschlossen worden sind. Man hört in diesem Namen das helle Lachen der schönen Königin und ihrer Gespielinnen in den Gärten nahe Lissabons – und zugleich das stille, unhörbare Flüstern der Geschichte, welche mit diesem Namen atmet.

Die historische Isabella, Infantin von Portugal, wurde am Morgen des 24. Oktober im Jahre 1503 geboren, als die Schiffe ihres Landes bereits den Duft fremder Kontinente mitbrachten. Der Vater des Mädchens war Manuel I., der „Glückliche“, König eines Reiches, das gerade damit begonnen hatte, die Welt zu umsegeln. Ihre Mutter, Maria von Aragón, brachte das stolze Blut der kastilischen Königin Isabella I. mit, die Spanien geeint und Christoph Kolumbus auf seine weite Fahrt hinter alle bis dahin bekannten Horizonte geschickt hatte. So floss in der jungen Frau der süße, schwer lastende Nektar zweier Weltreiche zusammen: das Meerblau Portugals und das Kastaniengold Spaniens.

Man erzählt, dass sie, noch ein Kind, dem großen Seefahrer Vasco da Gama in der Hofkapelle begegnet sei. Er habe ihr eine kleine Muschel geschenkt, die er vor der Rückreise aus Indien am Strand des abenteuerlichen Subkontinents gefunden hatte. Isabella soll sie in ein silbernes Medaillon eingefasst und immer bei sich getragen haben – als leises Zeichen dafür, dass sie die Welt, obwohl sie Königin werden musste, lieber in der Hand gehalten hätte wie ein Fabeltier: lebendig, schillernd und geheimnisvoll.

Später heiratete sie ihren Cousin, den Kaiser Karl V., einen Mann, der Europa auf den Schultern zu tragen hatte als schweres Schicksal. Sie wurde Kaiserin, Königin, Herrin über Hofstaat und alles was damit zusammenhing, Mutter künftiger Könige – und dennoch blieb sie im Wesen portugiesisch: still, abgewandt, in sich selbst versunken. Zeitgenossen berichten, dass sie in ihren Gemächern einfache Leinenkleider trug, wenn die Audienzen vorüber waren, und dass sie, während ihr Gemahl mit den Karten der Welt haderte, lieber am Fenster saß und stickte. Sie stickte Landschaften, die es vielleicht gar nicht gab – Inseln mit Palmen, Vögel mit goldenen Schnäbeln, Häfen, in denen Schiffe nie anlegten, die aber aus der Phantasie dieser jungen Frau emporwuchsen.

Die Überlieferung berichtet, dass sie, wenn Karl V. aus den Feldzügen zurückkehrte, ihm nie Fragen stellte. Sie hörte nur zu. Und wenn Karl von den Wirren Europas, den Rebellionen, den endlosen Ratsversammlungen sprach, legte sie ihre Hand auf sein Handgelenk und sagte: „Die Stille ist der Thron, auf dem Gott sich niederlässt.“ Es heißt, dieser Satz habe sich in der Hofkapelle verbreitet, und einige Mönche in ihrem Umfeld hätten ihn später als Gebetsformel übernommen. In dieser stillen Königin war das Schweigen keine Schwäche, sondern eine Macht: eine Form, das Chaos zu umarmen, ohne ihm zu verfallen.

Als sie starb, mit nur sechsunddreißig Jahren, soll Karl V. sich für Wochen in die Stille zurückgezogen haben. Er, der größte Herrscher seiner Zeit, sagte nichts mehr, sondern hörte den Glocken zu, die in Lissabon und Toledo zugleich läuteten. Später ließ er ein Porträt von ihr malen, das sie nicht als Kaiserin, sondern als junge Frau zeigt, mit einem zarten, fast schüchternen Blick – ein Bild, das in den spanischen Klöstern noch lange verehrt wurde wie ein stilles Sakrament weiblicher Treue.

Mit Isabella verbinden sich Adel weiblicher Sanftheit, unaufdringliche Größe des Schweigens und stilles Wissen um das Maß der Dinge unseres Lebens miteinander.

Autor:

Matthias Schollmeyer

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