JAKOBUS 2,14-26
DIE ALTE FRAGE NACH DEN UNIVERSALIEN

Wer den Jakobusbrief liest - und das ist als Ergänzung und zugleich Gegengewicht zur paulinischen Theologie anzuraten -  begegnet einem feinsinnigen Theoretiker mit sehr praktischen Vergleichen. Am kommenden Sonntag wird man in der Predigt einiges von diesem neutestamentlichem Spätautor zu hören bekommen. Jakobus hat offenbar viel erlebt im Zusammenhang mit Christen, die „Glaube“ sagten wie andere „Guten Tag“. Ja nun - das wissen wir - der Begriff "Glaube" kann aufgeblasen werden und zu einer frommen Seifenblase verkommen. Jakobus bringt die Blase mit einem Satz zum Platzen: „Glaube ohne Werke ist tot.“ Als Autor steht der Mann schon sehr früh an jenem Riss, der sich später durch die gesamte abendländische Geistesgeschichte ziehen wird. Der Riss zwischen dem Glauben an große Ideen und dem Vertrauen auf die Praxis der Dinge. Damit ist der alte Universalienstreit gemeint. Was  war das gleich noch mal?

Es gab zwei Parteiungen. Die Realisten sagten: Das Allgemeine ist das Wirkliche. Als ewige Ideen wohnen sie unabhängig von uns in Gott. „Güte“, „Wahrheit“, „Glaube“ usw. - das sind reale Universalien, feste Größen in der göttlichen Buchhaltung. Deshalb nannte man diese Leute REALISTEN.
Die Nominalisten dagegen antworteten: Nichts da! Nur einzelne Dinge sind wirklich. „Glaube“, „Menschheit“, „Güte“ sind bloß Namensetiketten. Es gibt nicht den Menschen an sich, es gibt Sven, Kristin und Kevin. Die Universalien sind nur Namen. Deshalb nennt man diese Leute NOMINALISTEN.

Jakobus hält beiden Seiten seine Wahrheit an die Ohren: Den Realisten, weil sie den Glauben so rein denken, dass er keine Hände mehr hat. Den Nominalisten, weil sie die reale Wirklichkeit zu ungeistig werden ließen. Jakobus will den Glauben vom Himmel auf den Acker zurück bringen. Und hält dabei die Erde dem Himmel entgegen. Der wahre Glaube, sagt er, existiert nur, indem man tut. Und man kann nur tun, wenn man an die Wirklichkeit der Realität des Guten unabhängig von allem Irdischen glaubt. Die Wahrheit der Menschlichkeit ereignet sich nur dann, wenn du jemandem den Mantel gibst, der friert – oder ihm hilfst, seine Daten zu retten, wenn er selber keine Ahnung hat - du aber es kannst. Zum Beispiel ...

Im modernen Universalismus bzw. Globalismus unserer Tage hat die letzte Bastion des mittelalterlichen Realismus’ scheinbar überlebt - eine Schlangengrube, aus der immer wieder die allerverschiedensten Ideologien hervorkriechen. Eine Welt aus wohlmeinenden Wortblasen – „Frieden“, „Demokratie“, „Gerechtigkeit“, „Werte” und „Europa“ –, auf deren Begriffen sich Universitäten, NGOs und Wertegesellschaften ihr Süppchen kochen, anstatt mit wirklichem Feuer die Welt zu erleuchten und zu wärmen. Man könnte fragen: Bräuchte es heute nicht den politisch gewordenen Jakobus - und eine "nominalistische Wende"? Theorien ohne Fleisch wäre zu misstrauen. Und ebenso dem Glaubensollen ohne Möglichkeit,  dass Werke daraus folgen können. Ja - jedem Idealismus, der sich selbst schon für die Tat hält, wäre gründlich zu misstrauen.

Aber was wäre Glaube dann? Finde jeder für sich ein schönes Bild, wie es Jakobus gelungen ist. Zum Beispiel: Glaube als sanfte Strömung – sichtbar dann, wenn etwas Gutes auf ihr dahin gleitet. Oder: Jemand pflanzt seinen Apfelbaum und sagt: „Ich glaube an den Frühling.“ Ein zweiter meint: „Ich glaube auch – das reicht“. Als der Frühling kam, saß der erste bei seinem Baum und die Bienen summten begeistert vom künftigen Honig. Der andere schreibt einen Aufsatz über die Hoffnung auf die Süße des Lebens - und blickt traurig drein.  Was für ein Unterschied.

Autor:

Matthias Schollmeyer

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

24 folgen diesem Profil

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Video einbetten

Es können nur einzelne Videos der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Playlists, Streams oder Übersichtsseiten.

Abbrechen

Karte einbetten

Abbrechen

Social-Media Link einfügen

Es können nur einzelne Beiträge der jeweiligen Plattformen eingebunden werden, nicht jedoch Übersichtsseiten.

Abbrechen

Code einbetten

Funktionalität des eingebetteten Codes ohne Gewähr. Bitte Einbettungen für Video, Social, Link und Maps mit dem vom System vorgesehenen Einbettungsfuntkionen vornehmen.
Abbrechen

Beitrag oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Schnappschuss einbetten

Abbrechen

Veranstaltung oder Bildergalerie einbetten

Abbrechen

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.