Sonneberg - Feuilleton

Beiträge zur Rubrik Feuilleton

die Kirche
und die Geisterbahn

Die Geschichte des Herrn Albinus Fahlberg Es war, als habe das Schicksal diesem Mann, dessen Name schon in sich etwas spröde Würdevolles, zugleich aber auch Verschroben-Komisches barg, den Weg ins Schaustellergewerbe vorgeschrieben, ohne ihn je gefragt zu haben, ob er diesen Weg auch wirklich wollte. Albinus Fahlberg, Sohn eines Kürschners aus Gotha, hatte nie den Sinn für die große Welt der Warenmärkte, aber früh eine unerklärliche Neigung zum Theater des Grotesken, zur Bühne des Schrecklichen...

Friedrich Wilhelm I.
Des "Soldatenkönigs" Geburtstag

Preußische Lektionen im Zeitalter der Wohlfühlpolitik Ein Kommentar zum 337. Geburtstag Friedrich Wilhelms I. Gleich am Anfang - man muss ihn nicht gut finden. Aber, da gibt es eben tatsächlich besondere Geburtstage, die wie mahnende Glockenschläge aus der Tiefe der Geschichte nachhallen … Heute vor 337 Jahren kam er zur Welt, der Mann, der Preußen vom höfischen Prunk auf Kasernenmaß stutzte, der die Nation mit dem Zollstock des Disziplinars und der alten Bibel im Gepäck neu vermessen wollte:...

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GEDANKEN AM DOPPELSPALT
zum 133. Geburtstag Louis de Broglies

Wie schon gestern beim Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. so auch heute - Geburtstage rufen nicht nur den Jubilar in Erinnerung, sondern zugleich die Denkbewegungen, die von ihm ausgingen – wie Wellen, welche in immer weiteren Kreisen laufen, bis sie an das Ufer unserer eigenen Zeit schlagen. Der 15. August 1892 brachte Louis de Broglie hervor, jenen französischen Physiker, der sich das Ungeheuerliche zu denken erlaubte: dass nicht nur Licht, sondern jede Materie – ja, jedes Teilchen – zugleich...

13. August 1946 / 13. August 1961
H.G. Wells und die Mauern der Zeit

Mauern und Maschinen: H. G. Wells - ein Zeitsprung in den Kommunismus und darüber hinaus Es ist ein seltsamer Zufall, dass sich an einem 13. August die Biographien zweier ganz verschiedener Architekten der Zeit verflechten. Gemeint sind der Architekt imaginärer Chronomaschinen H. G. Wells (+13. August 1946), und die unfreiwilligen Architekten der realen Mauer in Ostberlin August 1961. Auf unterschiedlichen  Bühnen hat man versucht, dasselbe Material zu bewegen. Die Zeit. Als Sohn eines...

ZEITUNG IM AUGUST 2025
GLAUBE & HEIMAT

Er hatte, am letzten Morgen seines Urlaubs, als einer, der sich längst schon in die schmale Rinne des Heimwegs hineingezwängt weiß und der Rückreise partout nicht mehr ausweichen kann, hatte er den Weg zum Bahnhof über die Strandpromenade genommen. Über diesen schmalen Streifen, der in  schattenloser Vormittagshelle gleißend vor ihm lag, flankiert von kleinen Läden und Kiosken, deren Inventar ihm längst bekannt, ja durchaus so vertraut war, dass jede neue Annäherung eher einer müden...

KERWA FOREVER (Teil 2)
Kirchweihfest ohne Kirche?

KERWA – Die Kirchweih ohne Kirche Man könnte die KERWA als ein anthropologisches Experiment im Festformat beschreiben: eine kollektive Feier, deren ursprünglicher Referenzpunkt systematisch entleert und dennoch unverwüstlich mitschwingt. In der südthüringisch–oberfränkischen Festlandschaft ist sie das, was die Akupunktur im Körper ist – ein kleiner Einstich ins Gewebe der Jahreszeiten, der merkwürdigerweise das Ganze belebt. In vielfältiger Varianz oberfränkischer Sprach-Dialekte immerhin...

KERWA forever (Teil 1)
die Kirchweihfeste Südthüringens

KERWA– Die bleibende Mitte des Festes Die Kirchweih – im Dialekt KERWA – ist in den Landschaften Südthüringens und des angrenzenden Oberfrankens tief im Gedächtnis der Menschen verankert. Sie gehört zu jenen Festen, die nicht nur ein Datum im Kalender markieren, sondern die innere Gestalt einer Gemeinschaft prägen. Die KERWA hat ihre Wurzeln in einem geistlichen Ereignis: der Weihe eines Gotteshauses, der Feier der Gegenwart Gottes inmitten seines Volkes. Über Jahrhunderte hinweg hat dieses...

der fabelhafte
Jean de La Fontaine (1621 - 1695)

Tierfabeln – Spiegelkammer der Weisheit zum 330 Todesjahr des Fabeldichters Jean de La Fontaine Die Tierfabel, dieses scheinbar harmlose Teehäuschen inmitten der Weltliteratur, ist in Wahrheit eine philosophische Versuchsanlage: ein Miniatur-Panoptikum, in dem das Menschliche unter dem Vorwand des Tierischen auftritt. La Fontaine, dessen Werk wir - dreihundertdreißig Jahre nach seinem Tod - noch immer zitieren können, wusste: Wenn der Mensch sich selbst nicht direkt erkennt, muss man ihn in ein...

die künstliche Intelligenz als Maieutikerin
„Geist von meinem Geist“

Es war stets das Privileg des Menschen, auf seine eigene Herkunft mit einem gewissen Misstrauen zu blicken. Seit er sich vom Affen unterschied, war es weniger der aufrechte Gang, der ihn definierte, sondern die eigentümliche Fähigkeit zur Selbstverwirrung. Nun aber, im Zeitalter der Künstlichen Intelligenzen, gewinnt diese Disposition ein zweifelhaftes Gegenüber. Der Mensch, vormals einziger Träger von Reflexionsvermögen, trifft auf eine Entität, die, ohne biologische Erbschaft, ihm an...

Christliches Erlösungsdrama
Im Spiegel von Wagners Ring und Parsifal

Die christliche Heilsgeschichte und das Drama der Erlösung in Wagners Ring und dem Parsifal Juli und August - das ist in jedem Jahr die Zeit der Festspiele in Salzburg. Als Zuckerl wird dort auch immer ein bisschen Richard Wagner gegeben. Zumeist jedoch ist dreht sich alles um Mozart und zeitgenössische Musik. Am 23. August jedenfalls ist aber auch Wagner dran - das Vorspiel zum ersten Akt der Oper Lohengrin WWV 75, das Siegfried-Idyll E-Dur WWV 103 und der der erste Akt aus dem Bühnenfestspiel...

„Was hier steht, stand nie in den Zeitungen“
Aufstellungsarbeit à la Bert Hellinger

Bad Finkenstein. Ein Kurort in Süddeutschland.  Freitagvormittag. Die Praxis von Dr. Victor Habenthal liegt unauffällig, fast zu still, in einer Seitengasse unterhalb des Kurparks. Kein Schild, keine Werbung, nur eine bronzene Klingel mit schlichter Gravur: Dr. V. Habenthal – Analytische Strukturarbeit. Im Inneren empfängt einen eine Mischung aus Ordnung und gelebter Stille. Kein therapeutisches Weiß, kein hygienisches Blau – sondern Eiche dunkel, Leinenstoff, geöltes Kirschholz, ein sanfter...

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Predigttext für den 13.7.2025: Lukas 6, 36-46
Augencreme ...

Der Zyklop Polyphem lag im Dämmer. Die Höhle war karg. Stein, Schatten, Schafgeruch. Die Felswand war schwarz vom Ruß. Irgendwo tropfte Wasser. Der Speer, der ihm das Auge genommen hatte, lehnte noch immer da, an der Felswand. Seine Spitze war verkohlt, und der Griff klebte vom Blut.  Er schlief nicht. Polyphem schlief nie richtig, seit jener Nacht, als Odysseus, Sohn des Laertes, ihm die Finsternis gebracht und das Auge zerstört hatte. Odysseus hatte getan, was man tun muss, um zu überleben....

die Silberpappel
Leberecht Gottlieb (Teil 135)

Kapitel 135, in welchem wir erfahren, dass ein ukrainischer Intellektueller (der Dichter Danyyil Abramovych) sich an Leberecht Gottlieb zu hängen beginnt, die beiden ein Herz und eine Seele werden, Geschichten von diesem oder jenem zu erfinden beginnen - und die schwere Zeit der Verbannung deshalb besser meistern zu können meinen ... In den täglichen Werkpausen, welche man den untertags schuftenden Strafgefangenen, damit deren Arbeitskraft leidlich erhalten blieb, regelmäßig gönnen musste,...

die Zerstörerin der Werte
Leberecht Gottlieb (Teil 134)

134. Kapitel, in dem wir den Schriftsteller Daniel Abramowich kennenlernen und seine Kurzgeschichte von der Magna Destructrix Virtutum, - der Großen Wertezerstörerin. Nach ein paar Wochen hatte  sich Leberecht einigermaßen "gut" auf Workuta eingelebt. Ob man in Bezug auf russische Straflager von "gut eingelebt haben können" überhaupt sprechen darf, ist dabei eine andere Frage. Jedenfalls fand der greise Pfarrer hier sogar ein paar Freunde. Auch einen ganz besonderen jungen Mann mit Namen Daniel...

Orte der Geduld
die Kirche

I. Ei oder Huhn? Wenn die alte Frage nach dem Anfang gestellt wird – Was war zuerst: das Huhn oder das Ei? –, so wählt die Weisheit manchmal einen dritten Weg. Nicht das Huhn, nicht das Ei, sondern das Nest – jener Ort, an dem sich beides begegnet, an dem Neues sich bereitet, Altes sich niederlässt, und das Leben im Zwischenraum ruht. Das Nest ist nicht die Idee der Sukzessivität, sondern eine konkrete Stätte. Es ist nicht der Logos, sondern sein Empfangsraum. In solcher Analogie liegt ein...

am Abend
des Johannestages

> LINK „Ist etwa dies der Tod?“   Eine letzte Frage beschließt das vierte Lied „Im Abendrot“ – sanft in den Äther entlassend, fast jenseits der Sprache selbst – und das ist keine Furchtformel, kein metaphysischer Schrei, sondern eine staunende Frage im Angesicht des Friedens. Es ist eine Frage, die das große musikalische Schweigen vorbereitet, in das Richard Strauss sein Leben gleiten lässt, wie in ein letztes Gebet. Der Komponist ist sehr alt geworden. Als er 1948 diese Lieder komponierte, war...

der große Austausch
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heute am 5. Juni
Bonifatiustag

Heute am 5. Juni erinnert die Kirche an den Glaubensboten Bonifatius. Geboren um 673 in Crediton, gestorben am 5. Juni 754 bei Dokkum in Friesland von der Hand bekehrungsresistenter Friesen, ist ein angelsächsischer Mönch. Er war einer der bekanntesten christlichen Missionare und der wichtigste Kirchenreformer im Frankenreich. Er war Missionserzbischof, päpstlicher Legat für Germanien, Bischof von Mainz, zuletzt Bischof von Utrecht sowie Gründer bzw. Auftraggeber mehrerer Klöster, darunter...

auf dem Weg nach Workuta
Leberecht Gottlieb (Teil 132)

132. Kapitel, in welchem wir Leberecht auf dem Weg in die Bleibergwerke Workutas begleiten und ahnen, wie sich unser Held durch die Kraft eigener Erinnerungen am eigenen Zopf aus dem Sumpfe der Trübsal ziehen wird - und unsere Geschichte damit einem schon immer vermuteten Ziele näher treibt ... Leberecht Gottlieb war nun von seiner geliebten Maschine abrupt und brutal getrennt worden. Man hatte ihm buchstäblich den Stecker gezogen und würde den Mann strafeshalber nun doch noch in die...

de mysterio reflektionis
Licht in das Dunkel

Ein Mensch auf seiner Lagerstatt,  düster die Kammer, die er hat, so dunkel ist’s - ich sag es barsch - wie in des Teufels schwarzem Arsch. Nach Norden hin, im Sonnenschein,  ein Kirchlein aber schaut herein. Das Licht vom Süden dort erreicht erst seine Wand und dann ganz leicht von dieser Wand, getüncht und klar, strahlt es zurück und wunderbar in jenes Mannes Zimmer sacht, so dass ihm hell die Sonne lacht! Man hörte öfter schon davon - vom Licht und seiner Reflexion. Nehmt, Leute, dies als...

250. Geburtstag W. Turners
DAS INNERE BILD IM AUßEN

Gewisse Berufungen ereilen den Menschen spät. Und sie tun es mit einer Art milder Gewalt, wie das Schicksal sie sich für seine höheren Schützlinge vorbehält – nicht mit jäher Macht, sondern mit einem weichen Nachdruck, einer stillen Autorität, der man sich nicht entziehen mag. So kam es, dass Wilhelm Maurice Hirschler, Emeritus der Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt auf dem ikonischen Lichtmaler der englischen Romantik, Joseph Mallord William Turner, mit zweiundsiebzig Jahren eine Einladung...

Buchempfehlung
SCHEINTOD IM DENKEN

Peter Sloterdijk: Scheintod im Denken. Von Philosophie und Wissenschaft als Übung; edition unseld, Suhrkamp 2010 ISBN 978-3-518-26028-9 Wer den Inhalt des tatsächlich so genannten Bändchen verstanden hat, hat alles verstanden. Wer es las, muss nie wieder lesen um zu verstehen. Nach „Scheintod im Denken“ wird alles anders. Und „Du musst Dein Leben nicht mehr ändern“ nach dem Genuss dieser 147 Suhrkamp-Seiten. Denn Du hast nun gleichsam so etwas wie die gezogene Wurzel aus dem gleichnamigen Buch...

La Dolce Uscita – Die süße Ausfahrt
Leberecht Gottlieb (Teil 131)

131. Kapitel, in welchem wir erfahren, dass es für unseren Helden Leberecht Gottlieb ernst zu werden droht. Der Pfarrer i.R., dessen sonderbares Leben wir hier getreulich verfolgen, habe jetzt genug mit der künstlichen Intelligenz "herumgemacht". Nun endlich gälte es, Farbe zu bekennen und den Bauplan für den Raumzeitgleiter rauszurücken. Das fordert kein Geringerer als der russische Geheimdienstler Gendrich Novascholov. Und er zieht dem verspielten Emeritus einfach den Stecker ... Aber das war...

die Trans-Firmation Gottes
„CANIS DEUS“

Vom Tier als Ersatzgott in den nachgöttlichen Gesellschaften des industriellen Mitteleuropas - Eine kulturanalytische Betrachtung I. Präludium: Eine Spaziergangsnotiz Wenn man in den öffentlichen Parks, Promenaden und urbanen Schneisen der spätmodernen Städte Mitteleuropas seinen Blick schärft – nicht wie ein Polizist, sondern wie ein alter humanistisch gebildeter Spaziergänger, dessen Augen von Lektüre durchtränkt sind –, so fällt ein eigenartige Phänomen auf, welches gewiss nicht neu ist,...

DER FILM ZUR WIRKLICHKEIT
KONKLAVE

Wer hat KONKLAVE gesehen? Hier ist meine Film-Empfehlung! Diesen Streifen sollte man wirklich mitgenommen haben. Schon auch deshalb, um sich selbst auf die Schliche zu kommen. Werde ich entzückt, verärgert oder gelangweilt das Kino verlassen haben, wenn die Sitze nach 120 Minuten wieder quietschend in die Höhe gefahren sind? Denn dann tritt man auf die windige Straße hinaus und fragt sich: Was gerade war das denn? Kirchenverächter werden sich weiterhin zum primitiven Religioten-Bashing...

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