Freitag, vor eins ...
Unsere Seite 1 - Die Liebe und der Tod
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Es ist der Tag der Gärtnereien, des kurzen Vorbeischauens an den Ruhestätten unserer Lieben und des Gedenkens: Ewigkeitssonntag.
Von Uwe Kraus
Vor diesem Sonntag werden die Grabplatten poliert und alles auf Winterbepflanzung umgestellt. Kein anderer Tag lädt im Kirchenjahr zu so einer Völkerwanderung über Friedhöfe ein wie Totensonntag, bei dem wir lieber vom Ewigkeitssonntag sprechen. Viele evangelische Christen gedenken an diesem Tag den Menschen, die im Jahr zuvor gestorben sind.
Dieser Sonntag setzt den Schlusspunkt in der Agenda der Gedenktage: Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag. Nun läuten wir den letzten Sonntag des zu Ende gehenden Kirchenjahres aus. Dieser „stille Feiertag“ bewegt im mehrfacher Weise. Nicht, weil unterdessen mancherorts diese einst gebotene Stille durch erste Zuckerwatte-Bälle und Riesenradfahrten unterbrochen werden, sondern auch, weil wir nachdenklich werden. Im Novembergrau pflegen wir depressionsgefährdet die Gräber und stellen fest: Dieses Gedenken bringt Nähe im Geiste, aber Verpasstes nicht zurück. Matthäus 25 fällt mir dazu ein – und eine Liebesgeschichte.
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Kein Märchen: Luise war so jung, schön und natürlich. Und mit nur 34 Jahren war die Monarchin tot. Die Königin der Herzen verstarb vor 215 Jahren. Das ganze Land litt. Man sagt, der protestantische Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. soll deshalb aus Trauer per Verordnung vom 25. November 1815 den Totensonntag eingeführt haben. So bleiben von der Klugen und Schönen zumindest Kalender-Spuren. Es waren die Zeiten der Romantik, in denen eine Welle der Empfindsamkeit ins Land schwappte. Ein intensives Gedenken an die Verstorbenen gehörte zu den Gepflogenheiten dieser gefühlsbetonten Epoche, bedeuten die Forscher. Ein weiterer gesetzlicher Feiertag ist der Ewigkeits- oder Totensonntag in Deutschland nicht. Ich fand nicht in einer Predigt, aber beim Regisseur Wim Wenders, den nachdenkenswerten Satz „Jeder Mensch, der mit dem Tod im Reinen ist, kann besser lebendig sein.“
Vielleicht sollten wir in diesem Geiste leben. Ich finde, jeder biegt sich seinen Lebensweg oder seine Welt so hin, wie er es mag. Doch gradlinig zu sein, das sollte man wohl hinbekommen. Wenn wir an diesem Novembertag den Menschen denken, die im Jahr zuvor gestorben sind, dann muss das nicht voller Tränen sein, denn ganz ohne Kitsch, es gab selbst im traurigsten Leben viele glückliche Momente, an die sich das Erinnern lohnt. An das Besteigen eines (Kirch-)Turmes, das unseren Horizon erweitert hat, an die Schönheit der Frau auf der Bühne oder der selbstgezogenen Blumen, ans Kribbeln beim Absprung und das Glücksgefühl bei der Landung. Diese Vielfalt, sie macht das Leben bunt.
Ich glaube, wir alle sind mit vielen tausend Puzzle-Teilen geboren, mit Gottes Gaben und unter seinem nicht nur strengem Blick. Und aus diesen Teilchen fügen wir jeder genau unser Bild, das man Leben nennt. Vielleicht bleibt das, wenn wir selbst längst loslassen mussten.
Unsere Themen
- Kanzel-Vielfalt. Wie sieht der Verkündigungsdienst von morgen aus? Entstehen neue Kirchen-Berufe?
- Richtungswechsel. Die mit Spannung erwartete EKD-Friedensdenkschrift wird vorgestellt und sorgt teilweise für Unfrieden.
- Spitzenblick. Bernburgs Ortsteil Crüchern hat wieder Wetterfahne, Kreuz und Turmkugeln auf seinen Kirchtürmen.
- Spendenerfolg. Nach umfangreichen Instandsetzungsarbeiten konnten die vier Friedensschilder der Herderkirche aus dem 17. Jahrhundert pünktlich zum Beginn der Ökumenischen Friedensdekade an ihren angestammten Platz im Weimarer Gotteshaus zurückkehren.
Autor:Uwe Kraus |
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