Sprengel Erfurt - Glaube und Alltag

Beiträge zur Rubrik Glaube und Alltag

Aurelius Augustinus
der Bischof aus Nordafrika

Ach - wir hätten ihn fast vergessen. Ihn, der mit Goethe Geburtstag hatte an Nietzsches Bestattungstag: Augustinus, den Bischof aus Hippo im heutigen Nordafrika. Schnell noch die Blumen hinterher - und den Kuchen mit den 1671 Kerzlein zum Auspusten. Man stelle sich also heute mit pünktlicher Verspätung von fünf Tagen den 28. August in merkwürdiger Andacht vor: Der Altar, halb im Licht, halb im Schatten. Links liegt eine Geißel, rechts glänzt der Orden. Und in der Mitte steht der Mann aus...

Seminar-Wochenende
Dorothee Sölle – Theologin, Feministin, Mystikerin

Dorothee Sölle (1929 – 2003) ist eine der bekanntesten deutschen Theolog*innen nach 1945. Sie hat mit ihren Texten provoziert und begeistert. Als politisch denkende und handelnde Frau ging es ihr um Gerechtigkeit und Wahrheit, für die sie auch in Theologie und Kirche gekämpft hat. Wie lässt sich »Gott denken « in einer Welt, die vom Leiden an Ungerechtigkeit und Gewalt geprägt ist? Sölle hat neben theologischen Texten auch Gedichte und Gebete verfasst und war als Mitbegründerin des »Politischen...

Hiob, der Mann
AUS DEM LANDE UZ

Hiob als Wetteinsatz – Ein theologisches Nachdenken zum kommenden Sontag Im Buch Hiob begegnen wir einer der befremdlichsten Szenen der Heiligen Schrift. Nicht eine fromme Erbauungsgeschichte wird da erzählt, sondern eine Szene im himmlischen Gerichtssaal, in der Gott selbst in das Spiel mit dem Satan eintritt. Und es ist nicht weniger als der Mensch Hiob, der zum Einsatz dieser Wette wird: „Hast du acht gehabt auf meinen Knecht Hiob?“ fragt Gott. Die Szene wirkt wie eine Provokation, ja, wie...

Vorausblick auf ...
... den Israelsonntag

Und da sind Ideen, die scheinen so alt zu sein, als hätte die Welt sie nicht selber erfunden, sondern irgendwie geerbt – aus einer urgrauen Vorzeit, in welcher die Mythen als amtliche Verlautbarungen Gottes kursierten. Eine dieser Ideen ist die Vorstellung, dass das eigene Volk „erwählt“ sei. Der psychologische Nutzen dieser Idee ist offensichtlich - er dient der inneren Thermoregulation eigener Gemeinschaftlichkeit. Man wärmt sich an der Gewissheit, etwas Besonderes zu sein, und kühlt zugleich...

FUNDSACHEN
Schätze, Perlen, Algorithmen

FUNDSACHEN 1. Der Schatz im Acker (Mt 13,44). Ein Mann geht über ein Feld. Es ist nicht sein Feld. Er tritt auf etwas Hartes, beugt sich hinab, stößt auf ein Metallstück. Er holt den Spaten. Dann glimmt es auf. Eine Truhe, Eisenbänder verrostet, Holz vom Humus geschwärzt. Der Deckel gibt nach, und in der Dunkelheit blitzt Gold – Münzen, Schmuck. Der Mann weiß: Du musst dein Leben ändern! Er verkauft seinen Hof, sein Haus - alles. Und kauft diesen Acker. In der Stille eines Abends hebt er die...

15. August
Mariae Himmelfahrt

Maria Himmelfahrt Inmitten der hohen Tage des beginnenden Spätsommers, wenn die Sonne schon nicht mehr ganz die grelle Strenge des Juli besitzt und doch das Land noch in goldener Wärme hält, liegt Maria Himmelfahrt wie eine leuchtende Insel im Kirchenjahr. Seit den ersten Jahrhunderten bezeugt, vom Volksglauben mit einer Innigkeit umrankt, die der Theologe nur bewundernd zur Kenntnis nehmen kann, wurde für dieses Fest im Jahr 1950 von Papst Pius XII. in seiner ganzen Herrlichkeit ein Dogma...

Kriegsgräber aus dem Ersten Weltkrieg auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am Main
 
 | Foto: epd-bild/Stephan Krems
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Heilige Mission der Deutschen
Predigten im Ersten Weltkrieg

Pathetische Worte über den Opfertod der Soldaten und den garantierten Sieg, Hasstiraden gegen die Feinde - im Ersten Weltkrieg war die evangelische Kirche eine wichtige Stütze der Obrigkeit. Von Karsten Packeiser  «Wir opfern die Stärke unseres Volkes auf dem Altar des Vaterlandes», verkündete der pfälzische Pfarrer August Kopp seiner Gemeinde zum Erntedankfest 1914. Mit jedem Mann, der an die Front gezogen war, sei «ein Stück von unserm Herzen» mitgegangen: «Wenn es gleich zerreißen wollte,...

das Wagnis
Pius XII.

Himmelfahrt der Unantastbaren Es gibt im Jahreskreis der Feste jene wenigen Tage, an denen das Christentum in seiner katholischen Gestalt den Blick auf etwas richtet, das jenseits der bloßen Nachzeichnung biblischer Episoden liegt – Feste, die nicht nur auf ein überliefertes Ereignis reagieren, sondern auf eine jahrhundertelange Auslegung, auf eine lange, in Schichten gewachsene Meditation über eine Gestalt, die von Anfang an im Halbschatten des Unaussprechlichen stand. Maria Himmelfahrt – das...

70. Todestag von Thomas Mann
GLADIUS DEI - DIE FORTSETZUNG

Wer kennt sie nicht - die kleine Novelle von Thomas Mann, der heute, am 12. August, seinen 70. Todestag betrachtet? Ich meine die Sache namens GLADIUS DEI (Das Schwert Gottes). Das Ganze spielt im München der Jahrhundertwende. Hauptfigur ist ein gewisser Hieronymus als asketisch wirkender, streng religiöser Mann, der das sinnlich-weltliche Treiben der Kulturmetropole nur noch mit Abscheu wahrnehmen kann. Er ist davon überzeugt, dass Kunst und Religion entweiht werden, wenn sie lasziver...

Das Christentum
Was es ist und sein könnte

DAS CHRISTLICHE ALS CHANCE ÜBER DAS CHAOS Es gehört zu den eigentümlichen Kunststücken der Gattung homo sapiens, dass sie sich niemals nur in der gegebenen Wirklichkeit einrichtet, sondern stets nach der verborgenen Gesamtstruktur fragt. Der Mensch, so klein er inmitten der Galaxien steht, tastet sich mit Gedanken und Worten an etwas heran, das sowohl das Allgemeine als auch das Persönliche in einer einzigen Form zu fassen vermag. Dieser tastende Akt ist älter als jede Dogmatik: Er beginnt im...

„Es ist ein Kind hier ...
... das hat fünf Brote und zwei Fische.“

„Es ist ein Kind hier ... das hat fünf Brote und zwei Fische.“ Joh 6,9 Es ist ein seltsam schlichtes Wort, mit dem das Evangelium des 7.Sonntags nach Trinitatis uns entgegenkommt: Ein Kind, fünf Brote, zwei Fische. Und doch: aus dieser schlichten Notiz beginnt ein Vorgang, der in das Zentrum der christlichen Hoffnung hineinführt. Denn das, was hier geschieht, ist nicht bloß ein Wunderbericht unter anderen, sondern die leise Eröffnung jenes Raumes, den wir „Reich Gottes“ nennen. Und dieser Raum...

Zwischen Tier und Gott
Vom Drama des Menschseins

Der Mensch ist, wie schon die antiken Philosophen erkannten, ein Wesen, das sich in der Mitte zwischen dem Sumpf animalischen Dranges und der Welt hochgeistiger Ideen wiederfindet. Nun - diese mittlere Position ist kein statischer Ort, sondern ein Spannungsfeld. Der Mensch, so schrieb Blaise Pascal, ist „weder Engel noch Tier; und wehe dem, der aus ihm einen Engel machen will“ (Pensées 358). Dieses „Wehe“ bedeutet nicht nur Scheitern, sondern Verirrung, eine fatale Selbstverkennung des Wesens,...

Himmel & Hölle
was meinen die eigentlich?

Die Frage, ob Himmel und Hölle als Orte oder als Zustände zu verstehen sind, berührt eine tiefe, kaum auflösbare Spannung in unserem Denken. Wir sprechen von Orten, weil wir in einer Welt der Räumlichkeit leben. Unser Körper verortet uns, und unsere Sprache ist geprägt vom Hier und Dort. Doch sobald wir über das hinausdenken, was die Sinne umgreifen, geraten wir an eine Grenze: Kann die Ewigkeit einen „Ort“ haben? Kann die Hölle irgendwo sein, wenn sie zugleich als Abwesenheit Gottes, als...

von der Kraft
eines einzigen Wortes

Es gibt Familien, die durch eine merkwürdige Aura von Legenden umschattet sind – als hätten sie die Jahrhunderte hindurch das Echo einer Botschaft tragen müssen, deren Klang heute niemand mehr recht zu deuten weiß. Zu diesen Familien gehörten die Perlsteins, deren Name wie ein geheimer Schmuck klingt, als bestünde er nicht nur aus Silben, sondern aus Gold, Perlmutt in einen Hauch von Ewigkeit gefasst. Von Adrian Siegismund Perlstein ist zu berichten, dass er, wie schon sein Großvater und dessen...

Schafe ohne Hirten
für den 20. Juli 2025

„Es jammerte ihn, denn sie waren wie Schafe ohne einen Hirten.” Es gehört zu den paradoxen Großartigkeiten des Christentums, dass es sich solcher einfachen Jesusbilder lange Zeit nicht schämte. Ja, diese Bilder sind archaisch. Und deshalb überleben sie. Das Bild vom guten Hirten stammt nicht aus der Philosophie, sondern von den Weiden schutzbedürftiger Kreaturen. Der Hirte selber ist nicht eins von den Schafen. Er denkt nicht wie sie. Er schläft nicht in ihrer Herde, auch wenn er bei ihnen...

Lukas 15
der verlorene Sohn

Im fernen Land lebt noch der alte Vater - du und dein Bruder wart auf seinem Hof. Erinnert Euch! Da gab es das Theater: der eine fühlte sich als Philosoph und fordert, ihm das Erbteil auszuzahlen - man gab ihm nach. Und gleich ging´s ab zum Schwof. Er brachte alles durch im Maximalen - verprasst mit Huren seines Vaters Gut, dann kam die Pleite, Hunger, Not und Qualen, zum armen Knechte ward der Tunichtgut. Man schickt ihn auf die Felder Sauen hüten, das war der Lohn für Stolz und Übermut ... Um...

das Gleichnis vom
Verlorenen Sohn

DER VERLORENE SOHN „Er ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten.“ (Lk 15,15) Ein erschütterndes Bild, das im Gleichnis VOM VERLORENEN SOHN gezeichnet wird. Dieses erzählerische Kleinod gehört zu den besten Stücken des neuen Testaments und ist für den morgigen Sonntag in die Reihe der sechs in Frage kommenden Texte aufgenommen worden. Der Sohn, der das Vaterhaus verließ, weil er meinte, Freiheit sei Selbstverwirklichung ohne...

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crying in the chapel
OFFENE KIRCHEN!

CRYING IN THE CHAPEL Die Tür war offen. Das war das Erste. Und es roch nach Staub, Stein und alter Zeit. So wie Dinge eben riechen, wenn sie eine lange Geschichte hinter sich haben und eine noch längere vor sich. Ich trat ein. Die Sonne draußen brannte, aber hier drin war es still und kühl. Ein paar Fliegen lagen auf der Fensterbank. Tot. Die Beine zum Himmel gestreckt wie nichts … Und da war sie. Nicht die Fliege. Sondern sie. Sie saß in der zweiten Bankreihe, kniete nicht, sondern saß. Der...

vom Auftrieb des Geistes
die Möwe zum Beispiel ...

Schau nach der Möwe am Rande des Meeres. Dort, wo Wasser und Festland sich zu jeweiliger Weite ausdehnen. In stummer Anmut nutz der Vogel die Thermik, um sich empor tragen zu lassen. Man begreift mit einem Mal, dass es in der Schöpfung Bewegungen gibt, die nicht nur mechanisch zu verstehen wären, sondern als Sinnbilder bedeutungssatter Zusammenhänge. Alle Vögel überhaupt, erfüllt von einem geheimen Wissen um die Strömungen der Luft, wissen sich dem Auftrieb anzuvertrauen – nicht so sehr, um der...

auf den Tag Peter & Paul 29. JUNI
zwei Männer am Rand der Welt

Sie saßen sich gegenüber wie zwei alte Fischer, die dieselbe Strömung für etwas Entgegengesetztes hielten. Der eine Mann war grob, breit, wettergehärtet. Petrus. Felsen genannt, innerlich wie altwürziges Brot. Der andere war schmal, zäh, ein Intellektueller mit vernarbtem Eifer. Paulus. Zeltmacher. Philosoph. Missionar aus Trotz. Jerusalem kochte unter der Sonne. Der Wind brachte Staub und alles andere - nur keine Klarheit. Und doch musste man über alles das reden. Und da ging es nicht nur um...

ein Hochaltar aus Blei
Leberecht Gottlieb (Teil 133)

133. Kapitel, welches Leberecht Gottlieb in ein russisches Bleibergwerk einfahren lässt und uns vor den "Hochaltar der triumphierenden Kirche“ führt ...  Es geschah an seinem ersten Frontage drunten im Blei, dass unser Held Leberecht Gottlieb - dermaleinst Pfarrer, nun aber verbannt nach Workuta - dass er also am Morgen hinabfuhr in den Schlot zur Tiefe des Berges. Hier würde er gefangen bleiben, hatte man ihm bedeutet, bis er die Baupläne des Raumzeitgleiters endlich preisgegeben. Wenn nicht,...

auf den 25. Juni ...
Tag der Confessio Augustana

Die Sünder im Schatten der Goldschrift Es war ein milder Tag im Juni. Augsburg anno 1530 - und die Stadt stand unter Spannung wie ein Drahtseil im Sturm. Der Kaiser war gekommen, Karl der Fünfte höchstselbst, in prachtvoller Erscheinung und mit der Unruhe eines Mannes, der mehr Reiche als Stunden am Tag regieren musste. Er wollte Einigkeit im Glauben. Er wollte Ordnung. Er wollte keine Bauernaufstände mehr, keine Zersplitterung, keinen frommen Aufruhr mit Mistgabeln. Und so traten sie zusammen,...

GOTTES TRAUBEN
theologische Parabeln (1)

I. Der Abtritt des Glaubens In seiner kargen Zelle, im verwaisten Kloster am Rande der Welt, saß der Mönch. Man hatte ihn einst Bruder Laurentius genannt. Selber nannte er sich jetzt nur noch „Ex“. Das Habit hatte er behalten – aus Ironie. Als Zeichen, um sich zu erinnern, wovon er sich befreit hatte. „Es gibt keinen Gott“, sagte er als Morgengruß laut in die kühle Leere. „Keinen Schöpfer, keinen Erlöser, kein Jenseits. Nur Dummheit, Fiktion und Klerus.“ Ein leiser Ton antwortete aus der Wand....

Johannestag 24.6.2025
Wer ist dieser Mann?

Mann im Kamelhaar – was haben wir mit dem zu tun? (Evangelium: Mk 1,2–8 / Lk 3,1–18) Es ist eine merkwürdige Gestalt, die uns der heutige Johannestag in die Gottesdienste treibt. Kein sanftmütiger Erlöser, kein heiliger König mit Harfe, kein Hirte, der das verlorene Schaf sucht – sondern ein Ausgezehrter. Einer, der mehr nach Bußpredigt riecht als nach Rosenöl. Johannes, der Täufer. Ein Mann im Gewand aus Kamelhaar. Das kratzt. Das juckt. Das trägt man nicht aus Stilgründen, sondern aus Trotz....

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