Aurelius Augustinus
der Bischof aus Nordafrika

Hippo - die Wirkungsstätte des Bischofs Augustinus

Ach - wir hätten ihn fast vergessen. Ihn, der mit Goethe Geburtstag hatte an Nietzsches Bestattungstag: Augustinus, den Bischof aus Hippo im heutigen Nordafrika. Schnell noch die Blumen hinterher - und den Kuchen mit den 1671 Kerzlein zum Auspusten. Man stelle sich also heute mit pünktlicher Verspätung von fünf Tagen den 28. August in merkwürdiger Andacht vor: Der Altar, halb im Licht, halb im Schatten. Links liegt eine Geißel, rechts glänzt der Orden. Und in der Mitte steht der Mann aus Tagaste, Aurelius Augustinus, der Bischof von Hippo, der Sohn jener fabelhaften Monika, die Christus in ihr Herz geschlossen hatte. Der Sohn traf mit seiner Feder die Nervenadern Europas und ließ sie mit seinem Denken zwei Jahrtausende lang nicht los …

Das Positive: Augustinus - des Ordens würdig
1. Der Intellektuelle des Begehrens: Mit seinen niedergeschriebenen Confessiones hat Augustinus das erste große Selbstgespräch der europäischen Literatur geschaffen – kein Bericht, sondern ein Geständnis. Damit erfand er so etwas wie die „innere Autobiografie“, die Selbsttransparenz des Menschen vor Gott. Ohne ihn keine Moderne, kein Freud, kein Rousseau.
2. Theologie der Gnade: Er war der große Arzt gegen die Überheblichkeit des Willens. Wo der Mensch sich selbst genug sein will, setzt Augustinus den Gott, der vor uns und über uns ist. Gnade als dessen befreiende Durchschlagskraft, nicht als dekoratives Beiwerk.
3. Civitas Dei: Mit dem Zerfall des römischen Reiches erdachte Augustinus ein theoretisches Gegenreich – nicht mehr aus Stein, sondern aus Sinn erbaut. Er rettete damit das Christentum durch kluge metaphysische Umschichtung: Imperium contra Civitas, das Reich Gottes gegen den bröckelnden Staat. Ohne Augustinus wäre das Abendland wohl viel früher zerfallen, es wäre ohne inneres Narrativ geblieben.

Das Negative: Augustinus mit der Geißel
1. Die Erfindung der Erbsünde: Augustinus schärfte den Gedanken der Sünde so sehr, dass das Christentum zur Religion der Schuld wurde. Die Geschlechtlichkeit wurde als Achillesferse des Menschengeschlechts dargestellt – die Lust als Last, eine schwere Sache, die Europa bis heute abzustreifen versucht, mit allen Konsequenzen.
2. Der Gottesstaat als Totalisierung: Die Vorstellung Augustins von der Civitas Dei (Göttlicher Staat) war auch der Beginn einer Ideologie, die das weltliche Leben unter die Herrschaft des Religiösen beugte. Der Same des Theokratismus, bis zu den dunklen Jahrhunderte der Inquisition liegt hier begraben
3. Abwertung der Philosophie: Augustinus hat die heidnischen Denker zwar gelesen, aber er hat sie schließlich abgewertet – Platon darf noch als Vorläufer Christi dienen, aber Aristoteles wird verschwiegen. So band der nordafrikanische Bischof die geistige Freiheit an das Dogma, und zwang das Abendland zu einem langem Gang in Fesseln.

Orden, Geißel und Nachhall
Deshalb verleihen wir ihm einen Orden: Für das Erfinden der Innerlichkeit, die Europa überhaupt erst zum Selbstbewusstsein brachte. Ohne ihn wäre die westliche Subjektivität ein anderes und viel weniger reflektiertes ärmeres Gebilde.
Und verleihen im auch die Geißel: Für das Verdrehen des Christentums in eine Seelenjuristerei, in eine Schuldmaschine, die noch Generationen im Bann hielt.

Augustinus bleibt der große Ambivalente. Wer ihn feiert, muss ihn zugleich auch schelten. Wer ihn schelten will, muss seine Größe anerkennen. In diesem Mann, der seine zufällige - aber es gibt keine Zufälle - Berufung durch das Lesen fand, ist die ganze Spannung des Abendlandes eingeschlossen: innigste Innerlichkeit – und die schwerste Bürde. Vielleicht hatte ja jemand ihm am 28. August eine Kerze anzuzünden gewusst. Dem Mann, der Europa die Seele gab – und die Schuld.

Autor:

Matthias Schollmeyer

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