„Es ist ein Kind hier ...
... das hat fünf Brote und zwei Fische.“

„Es ist ein Kind hier ... das hat fünf Brote und zwei Fische.“ Joh 6,9
Es ist ein seltsam schlichtes Wort, mit dem das Evangelium des 7.Sonntags nach Trinitatis uns entgegenkommt: Ein Kind, fünf Brote, zwei Fische. Und doch: aus dieser schlichten Notiz beginnt ein Vorgang, der in das Zentrum der christlichen Hoffnung hineinführt. Denn das, was hier geschieht, ist nicht bloß ein Wunderbericht unter anderen, sondern die leise Eröffnung jenes Raumes, den wir „Reich Gottes“ nennen. Und dieser Raum beginnt – in der Hand eines Kindes.

Ein Kind. Nicht ein König, nicht ein Priester, nicht ein Stratege. Ein Kind bringt, was es hat, und es bringt es nicht als Leistung, sondern als Gabe. Ohne Berechnung, ohne Kalkül. In diesem Bild, in dieser Szene, öffnet sich das Wesen des Glaubens: Nicht das Machen, sondern das Empfangen ist der Ort der Gegenwart Gottes. Das Kind bringt keine Lösung, sondern Vertrauen. Und aus diesem Vertrauen beginnt das Wunder.

In der jüdischen Überlieferung wird erzählt, dass das Volk Israel während seiner Wanderung durch die Wüste täglich das Manna fand. Dieses Brot vom Himmel war nicht lagerfähig, es konnte nicht gehortet werden, es entwich der Berechnung. Nur solange die Menschen staunten, fragten – „Man hu?“ – Was ist das? –, solange blieb es Brot, das nährte. Als das Staunen schwand, als man das Wunder als Gewohnheit nahm, da begann der Ekel. Und mit dem Ekel kam die Bedrohung: die feurigen Schlangen, von denen die Schrift (Numeri 21) berichtet, als Zeichen einer tiefen existentiellen Vergiftung.

Wir dürfen das nicht zu rasch allegorisieren. Der Ekel, von dem hier die Rede ist, ist real – geistlich real. Es ist die Erfahrung des leeren Alltags, des berechneten Lebens, des übersättigten Herzens. Es ist das Lebensgefühl einer Welt, die alles weiß, alles erklären kann – und doch nichts mehr erträgt. Der französische Philosoph Jean-Paul Sartre hat diesem Zustand den Namen gegeben: La nausée – das Grauen. Wer nicht mehr zu staunen vermag, wird vom Leben selbst abgestoßen.

Und nun zurück zu unserem Kind. Es ist in einer Welt, in der Mangel herrscht. Tausende sind da, hungrig, ermattet. Und doch: Das Kind hat. Es hat nicht viel – aber es hat. Und es gibt. Jesus nimmt es entgegen. Und das Entscheidende geschieht nicht erst in der Vermehrung, sondern zuvor: Jesus nahm die Brote, dankte, und teilte sie aus.

Dank – das ist das erste Wort der Eucharistie. Danksagung. Hier liegt der Wendepunkt: Was aus Dank empfangen wird, kann nicht mehr zu wenig sein. Dank durchbricht die Logik der Knappheit, weil er das Empfangene nicht im Modus des Vergleichs betrachtet, sondern im Licht des Vertrauens. Der Dank, den Jesus hier spricht, ist mehr als ein Gebet – es ist ein schöpferisches Wort. Denn er nimmt das Wenige – und in ihm das Ganze.

In diesem Moment entsteht jenes unsichtbare Reich, das nicht auf Berechnung beruht, sondern auf Hingabe. Der heilige Augustinus sagt: „Wenn Gott gibt, gibt er sich selbst.“ Und dieses Selbst ist das Brot. Nicht nur ein Symbol – sondern Sein: „Ich bin das Brot des Lebens.“ Dieses Wort ist das neue Manna. Und auch dieses neue Brot bleibt nur lebendig, wo das Staunen nicht erlischt.

Die Kirche lebt von diesem Staunen. Sie lebt, solange das Kind mit seinen Gaben nicht ausgelacht, nicht belehrt, nicht verworfen wird. Wo wir noch hinhören auf das Unscheinbare, auf das, was nicht rechnet, sondern gibt – dort ist das Heilige gegenwärtig. Und das Heilige ist kein Zustand, sondern eine Person. Christus selbst – gegenwärtig in den Gaben, gegenwärtig im Danken, gegenwärtig in der Mitte der Hungernden.

„Es hat gereicht.“ So endet die Geschichte. Ein einfacher Satz, aber ein tiefes Wort. Denn in ihm klingt die Wahrheit des Glaubens: Das, was wir im Vertrauen geben, wird nicht nur angenommen – es wird verwandelt. Und was verwandelt wurde, reicht nicht nur – es genügt.

Autor:

Matthias Schollmeyer

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