Johannestag 24.6.2025
Wer ist dieser Mann?

- hochgeladen von Matthias Schollmeyer
Mann im Kamelhaar – was haben wir mit dem zu tun? (Evangelium: Mk 1,2–8 / Lk 3,1–18)
Es ist eine merkwürdige Gestalt, die uns der heutige Johannestag in die Gottesdienste treibt. Kein sanftmütiger Erlöser, kein heiliger König mit Harfe, kein Hirte, der das verlorene Schaf sucht – sondern ein Ausgezehrter. Einer, der mehr nach Bußpredigt riecht als nach Rosenöl. Johannes, der Täufer.
Ein Mann im Gewand aus Kamelhaar. Das kratzt. Das juckt. Das trägt man nicht aus Stilgründen, sondern aus Trotz. Ein Gürtel aus Leder. Heuschrecken zum Frühstück. Und wilder Honig, damit die Wahrheit nicht völlig bitter bleibt. Johannes ist das Gegenteil eines Pfarrers. Er hat kein Pfarrhaus, keine Orgel, keine liturgischen Farben. Nur eine Stimme. Stimme, die in der Wüste schreit. Nicht redet. Nicht diskutiert. Nicht moderiert. Sondern schreit.
Sein Ruf geht so: „Otterngezücht!“ – Was für ein Start in eine Seelsorgebeziehung. Aber vielleicht brauchen wir gerade diesen Mann. Nicht immer, aber heute. In einer Welt, die sich nach Wahrheit sehnt, aber nur zwischen den erlaubten Optionen taumeln darf, die gerade im Trend liegen. In einer Zeit, in der sogar der Glaube „angepasst“ daherkommt, mit Zertifikat und Siegel: Nachhaltig. Klimaneutral. Mental Health-kompatibel.
Johannes ist nicht kompatibel. Er ist kompromisslos. Er ist der Rufer vor dem Evangelium. Der, der das Tal auffüllt, den Berg erniedrigt, die Wege begradigt – und dabei genau weiß: Er selbst ist nicht das Ziel. „Ich bin nicht würdig, ihm die Schuhe zu lösen“ sagt er. Was für ein Satz. Das ist nicht Demut, sondern Selbsterkenntnis. Johannes weiß, dass er nicht das Licht ist. Er ist der Schatten, der das Kommen des Lichts ankündigt.
Und damit ist Johannes uns nah. Näher als wir denken. Denn wir sind auch nicht das Licht. Wir sind nicht das Heil. Nicht die Rettung. Wir sind nicht einmal die Lösung unserer eigenen Probleme. Aber wir sind, wie Johannes, Hinweisgeber. Wegbereiter.
Was heißt das konkret? Es heißt: nicht immer nett sein. Aber wahrhaftig. Es heißt: Sagen, was ist. Und hoffen, dass da wer kommt. „Er wird euch taufen mit Heiligem Geist und mit Feuer“ sagt Johannes. Das ist kein zarter Sprühnebel, das ist kein seelisches Wärmekissen. Das ist Feuer. Reinigendes Feuer. Trennendes Feuer. Wahrheitsfeuer. Und wir müssen durch dieses Feuer hindurchgehen – weil es die Spreu vom Weizen trennen wird, wie alles Unechte verbrennt und das dadurch das Bleibende sichtbar wird. So zumindest die Theorie ...
Lasst uns also heute am Johannestag nicht nur kulturinteressiert auf eine hübsche Wüstenlegende schauen, sondern auf unseren eigenen Ruf hören. Vielleicht ruft auch in uns eine Stimme? Vielleicht nicht gerade laut. Vielleicht auch andere Vokabeln als „Otterngezücht“, sondern eher leise Sätze: „Platz für den, der da kommt.“ Damit wären wir zumindest mitten im Evangelium. Dann wären wir wie Johannes: Menschen, die nicht glänzen – aber leuchten. Nicht als Licht, sondern als Hinweis auf das Licht.
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