Tafel für Tiere in Halle
Von Fellfreunden, Würde und Verantwortung

Foto: pixabay/rebecaml

"Baloo hilft mir, dass ich nicht wieder mit den Drogen und Alkohol anfange", erzählt Andre - oder "Panzer", wie Freunde den Obdachlosen nennen dürfen. Er streichelt liebevoll seinen Hund, eine Mischung aus Labrador und Golden Retriever, während Caro Dietz das Fell nach entzündeten Stellen absucht. Die tiermedizinische Fachangestellte engagiert sich ehrenamtlich für die "Straßenwölfe" in Halle an der Saale. Der gemeinnützige Verein betreibt dort mit zehn Ehrenamtlichen eine Tiertafel: "Für Tiere von Menschen in besonderen Lebenslagen".

Von Karin Wollschläger 

Tafeln für bedürftige Menschen haben in den vergangenen Jahren immer mehr Zulauf. Viele, die dorthin kommen, haben auch ein Tier. Doch wenn das Geld schon für eigene Mahlzeiten fehlt, dann werden die Kosten für ein Haustier schnell zur Überforderung: Neben Futter sprengen vor allem Tierarztbesuche oft die finanziellen Möglichkeiten. "Zugleich ist das Tier für viele ein ganz wichtiger, auch emotionaler Bezugspunkt. Mit der Tiertafel wollen wir helfen, die Not zu lindern", erläutert Tiertrainer Jens Anders, der die "Straßenwölfe" ins Leben gerufen hat. Es gehe nicht nur darum, die Vierbeiner satt zu machen, sondern auch um Begleitung und Beratung für die Besitzer: "Dabei geht es auch um Verantwortung und Würde."

Hoher Bedarf - wenig Standorte

Mit einem alten blauen DDR-Bus steht der Verein seit Kurzem alle zwei Wochen auf dem Hallmarkt. Davor Tisch und Stühle zum Gespräch, drinnen Tierfutter für Hunde, Katzen und Kaninchen, Hundegeschirre, Leinen, Decken, medizinische Utensilien - alles durch Spenden finanziert. Es herrscht reges Kommen und Gehen, freudiges Begrüßen, man kennt sich schon.

Eine Dame mittleren Alters ist mit ihrem Malteser Dommi eigens aus dem 20 Kilometer entfernten Merseburg per Bahn angereist. Jetzt bekommt sie gratis Hundefutter für 14 Tage. Auf Facebook hat die Bezieherin einer sogenannten Mini-Rente von der neuen Tiertafel erfahren. Während es solche Einrichtungen bundesweit in immer mehr größeren Städten gibt, sind sie in Mitteldeutschland rar gesät: Nur in Magdeburg ist noch eine weitere.

Eine ältere Frau schiebt zwei kleine Mischlingshunde in ihrem Rollator zum Bus: "Das sind Chicco und Calino." Sie sind zum ersten Mal da und bekommen nun eine Karteikarte, auf der alles Wichtige notiert wird: Namen, Alter, Fressverhalten, Krankheiten. Die Frau holt aus ihrer Tasche einen Brief hervor - die Bescheinigung, dass sie Grundsicherung bezieht. "Unsere Philosophie ist, möglichst unbürokratisch zu helfen. Das, was die Menschen mir an Bedürftigkeit zeigen, reicht mir", erklärt Anders.

Individuelle Betreuung

Die Dame mit den beiden kleinen Hunden schaut verlegen: "Ich habe ein ganz großes Anliegen: Hätten Sie vielleicht ein Hundegeschirr für Chicco?" - "Klar", sagt Sara Stark vom "Straßenwölfe"-Team und holt aus dem Bus Geschirre in verschiedenen Größen - mit vereinten Kräften wird anprobiert. Schließlich passt eines, doch es hat einen Klickverschluss. Die Hundebesitzerin kann krankheitsbedingt ihre Finger nicht so gut bewegen und hat arg Mühe damit. "Kein Problem, wir haben auch welche mit einem anderen Verschluss. Das ist leichter für Sie." Dankbar nickt die Frau.

"Tiere sind wichtige Sozialpartner für ihren Menschen. Gerade in Krisen oder schwierigen Lebensumständen geben sie Stabilität und Unterstützung", erklärt die Psychologin Andrea Beetz. Sie ist eine international gefragte Expertin zu Mensch-Tier-Beziehungen. "Daher ist es durchaus nachvollziehbar, dass Menschen in besonderen Lebenslagen auch weiterhin ihr Tier behalten möchten - und es gut versorgen möchten. Denn es ist vielleicht noch eine der letzten stabilen Sozialbeziehungen, die diese Person hat."

Hilfe bei Entziehungskur

Die "Straßenwölfe" nehmen Tiere auch übergangsweise in Obhut, wenn der Besitzer plötzlich ins Krankenhaus muss. "Oder eine Entziehungskur macht. Viele sagen da nämlich sonst: Kann ich nicht machen, kann meinen Hund nicht allein lassen", berichtet Jens Anders. Er sieht Mensch und Tier als ganzheitliches Team: "Beiden soll es gut gehen. Beide sind schließlich Gottesgeschöpfe."

Caro zeigt "Panzer", wie er Baloos entzündete Stellen behandeln soll und reicht ihm ein Desinfektionsmittel. Sie vermutet, dass ein Nahrungsproblem die Ursache ist, und gibt ihm Futter: "Kannste dafür sorgen, Panzer, dass Baloo in den nächsten zwei Wochen nur das und nichts anderes frisst?" - "Ja, ich kümmere mich", sagt er, nickt und winkt im Gehen: "Bis dahin!"

(KNA)

Autor:

Online-Redaktion

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