DDR-Erinnerungskultur aus christlicher Perspektive
Im Licht der Geschichte

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Helmut Matthies, der frühere Leiter der Evangelischen Nachrichtenagentur Idea mit Sitz im hessischen Wetzlar und Reisekorrespondent in der DDR, hätte es sich wohl in den 1970er-Jahren nicht träumen lassen, dass er eines Tages Zeitzeuge werden würde.
Von Edgar S. Hasse
Auch Thomas Begrich, exmatrikulierter Theologiestudent in Halle, Bausoldat und späterer Finanzabteilungsleiter des Kirchenamtes der EKD, gehört nun in die Reihe der Zeitzeugen – genauso wie Millionen anderer Menschen, welche als Christen die SED-Diktatur, ihr Ende und den Neubeginn nach dem Fall der Mauer miterlebt haben. Mit zunehmendem Alter wird man plötzlich Zeitzeuge. Zum Glück gibt es Christen, die bereit sind, ihre Lebenserfahrungen mit anderen zu teilen und für die nachfolgenden Generationen zu bewahren.
Die neue Publikation aus dem Verlag des vogtländischen Kaufmanns und Verlegers Frieder Seidel leistet einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur aus christlicher Perspektive. Denn, so schreibt der 1950 geborene Helmut Matthies, die Rolle der Kirchen in der DDR sei im Westen „weithin unbekannt“. Und so erfährt der Leser dieses geschichtenreichen Buches zum Beispiel weitere Details über die Selbstverbrennung des Rippichaer Pfarrers Oskar Brüsewitz und ihre politischen Folgen im Jahr 1976. Der Geistliche hatte sich am 18. August vor der Zeitzer Michaeliskirche selbst verbrannt. Als er im Hallenser Krankenhaus mit seinen schwersten Verbrennungen noch einmal kurz aufwachte, vertraute er sich dem Arzt an, er „opfere sich im Kampf gegen den Kommunismus“.
"Zum Glück gibt es Christen, die bereit sind, ihre Lebenserfahrungen mit anderen zu teilen"
Nach dem Fanal, das die Grundfesten der DDR-Regenten erschütterte, befahl Honecker, dass die Selbstverbrennung nicht öffentlich bekannt werden dürfe. Es waren schließlich zwei mutige Pfarrer (Klaus-Detlev Beck und Klaus Reiner Latk), die auf abenteuerliche Weise in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in der DDR gelangten und am Ende dafür sorgen, dass nur wenige Tage später weltweit über diese Tat berichtet wurde.
Dass ausgerechnet dieser Honecker samt seiner Frau 1990 Asyl im Pfarrhaus von Uwe Holmer fand, mögen manche als Ironie der Geschichte bezeichnen. Wie in dem Beitrag seines Sohnes Johannes zu lesen ist, handelte der Vater aus jesuanischer Vergebungsbereitschaft.
So grausam die SED-Diktatur vielen Christen zusetzte, sie und die Kirchen mit Stasi-Mitarbeitern bespitzelte: Dieses Buch ist kein Rückblick im Zorn, sondern mit dem Ziel geschrieben, die Wahrheit am Beispiel individueller Biografien ans Licht zu bringen und sich von Bitterkeit nicht verzehren zu lassen.
Begrich, T./Holmer, J. (Hg.): Glaube, Mut und Freiheit trotz Stasi- Diktatur und Mauer, concepcion Seidel, 333 S., ISBN 978-3-86716-270-8; 19,95 Euro
Autor:Online-Redaktion |
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