Freitag vor 1
Unsere Seite 1 - Verrückte Hoffnung

Angenommen, Sie müssten als Unternehmer eine Entscheidung treffen: Drei Männer, nicht mehr ganz jung, eröffnen eine Firmenniederlassung an einem Ort, an dem es eigentlich kaum Kundschaft gibt. Das ganze dauert auch noch viel länger als geplant und kostet über die Hälfte mehr als ursprünglich kalkuliert. Wie würden Sie entscheiden? Vermutlich hätten Sie das Projekt gar nicht erst begonnen, oder Sie wären irgendwann ausgestiegen, um wenigstens die schlimmsten Verluste zu vermeiden.

Doch in Magdeburg ist vor wenigen Tagen genau so ein Projekt vollendet und feierlich eingeweiht worden. Zugegeben: Es ist kein Wirtschaftsunternehmen, sondern ein Kloster. Ja richtig, diesmal wurde kein Kloster nach Jahrhunderten geschlossen, sondern neu gebaut. Mitten in Sachsen-Anhalt, wo evangelische und katholische Christen noch rund 13 Prozent der Bevölkerung stellen. Von drei Ordensbrüdern der Prämonstratenser, bei denen der Nachwuchs nicht gerade Schlange steht. Mit zwei Millionen Euro Mehrkosten, insbesondere weil beim Bau eine romanische Stube entdeckt wurde. Das klingt verrückt, möchte man denken. Vielleicht ist es das auch.

Aber war es nicht auch verrückt, als die kleine Schar der Apostel nach dem Pfingstereignis in alle Welt zog, um die Botschaft Christi zu verkünden - und die meisten ihre Mission mit dem Leben bezahlten? Am Ende sollten sie Recht behalten: Heute bekennen sich rund 2,5 Milliarden Menschen zum Christentum, damit ist es die zahlenmäßig größte Weltreligion.

Und die Prämonstratenser knüpfen immerhin an eine große Tradition in Magdeburg an: Ihr Ordensgründer, der Heilige Norbert von Xanten, wirkte hier als Erzbischof. Im Kloster Unser Lieben Frauen war der Orden bis zur Reformation jahrhundertelang präsent. 1991 kehrten dann die Prämonstratenser in die Stadt zurück, wohnten bisher weitab der Stadt am ostelbischen Ufer. Jetzt sind sie wieder mitten im Geschehen - und das in ökumenischer Eintracht. Denn das neue Kloster steht in den "Ökumenischen Höfen", gleich nebenan ragt der Turm der Wallonerkirche in die Höhe. Auch EKM-Regionalbischof Johann Schneider war bei der Klostereinweihung dabei. "Der Konflikt ist vorbei", sagte er in seinem Grußwort in Anspielung auf frühere konfessionelle Auseinandersetzungen. Und: "Gott sei Dank, dass Sie wieder ein Kloster in der Stadt haben." Damit hat der Neubau bereits ein erstes Zeichen gesetzt. Vielleicht wird aus dem kleinen Senfkorn noch ein großer Baum, der seine Skeptiker weit überragt. Wäre das nicht verrückt?

Unsere Themen:

Wenn der Glaube müde wird: Wo und wie findet man Hilfe, wenn die Glaubensgewissheit schwindet?
Zur Besinnung kommen: Das ist gerade für Menschen wichtig, die in der Verkündigung tätig sind
Dreifaches Jubiläum: Das Paul-Gerhardt-Stift in Wittenberg besteht seit 140 Jahren

Außerdem:

CDU in Sachsen-Anhalt: Gott und Kirche gehören weiter zu den Grundsätzen
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Autor:

Oliver Gierens

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