Seit 20 Jahren
Würdevoller Abschied für Sternenkinder in Leipzig

Abschiedsfeier in Leipzig für Schmetterlingskinder: Jeder Stern auf dem Himmelstuch erinnert an ein Sternenkind. | Foto: Holger Zürch
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  • Abschiedsfeier in Leipzig für Schmetterlingskinder: Jeder Stern auf dem Himmelstuch erinnert an ein Sternenkind.
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Sie werden Sternenkinder genannt, Schmetterlingskinder oder auch Engelskinder. Ihr Leben endete vor dem Geburtstermin. Mit den Namen verbunden ist, dass diese Kinder „den Himmel“ – oder poetischer: die Sterne – „erreicht haben, noch bevor sie das Licht der Welt erblickten“.

Die sachliche Bezeichnung lautet „Stillgeborene Kinder“, da es bei ihnen nicht den üblichen Schrei direkt nach der Geburt gegeben hat. Die Bezeichnungen „Stillgeborenes Kind“ und „Stillgeburt“ ersetzen zunehmend die früheren Begriffe „Fehlgeburt“ und „Totgeburt“.

Als Sternenkinder gelten Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt versterben. Im Sächsischen Bestattungsgesetz steht, dass Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm nicht bestattungspflichtig sind.

„Warum werden manche Menschen 90 oder 100 Jahre alt – und warum erblickt manches kleine Kind nicht das Licht der Welt, weil es nur wenige Wochen oder Monate im Bauch seiner Mama lebt?“, so heißt es auf einer Internetseite zum Thema Schmetterlingskinder. Diese Frage ist eine der drängenden von Müttern und Vätern, deren Kind ein Sternenkind geworden ist. Und es ist eine der Fragen, auf die es für das Herz und für die Seele oft keine endgültig versöhnende Antwort gibt.

Der Tod eines ungeborenen Kindes kommt unvorbereitet. Es ist ein tiefgreifendes Ereignis, ein Schock. Die Vorfreude erfriert, hoffnungsbunte Träume und Pläne für die Zukunft lösen sich in Luft auf, der Abschied ist sprachlos und schmerzlich. Die Trauer der Mutter, des Vaters und der Angehörigen findet schwer einen Platz – unabhängig von der Dauer der Schwangerschaft. Und die Betroffenen fühlen sich oft allein – Stillgeburten gehören zu den Tabu-Themen unserer Gesellschaft. Mitunter braucht es sehr lange, bis irgendwann mit oder nach der Trauer um das verlorene Kind wieder Lebensmut und Zuversicht wachsen.

Für viele Eltern und Angehörige ist es hilfreich und tröstlich, einen Ort für ihre Trauer zu haben, und zu wissen, wo ihr Kind seinen letzten Ruheplatz hat. Für sie kann die folgende Art der Trauerbegleitung so etwas wie ein stützendes Geländer sein.

Um den frühverstorbenen Kindern einen würdevollen Abschied zu bereiten, hat sich im September 2003 der Arbeitskreis „Schmetterlingskinder Leipzig“ gegründet. Ehrenamtliche aus verschiedenen Berufsgruppen fanden zusammen, es wurde ein geeigneter Ort für den Ruhegarten gefunden, und der Hospizverein Leipzig hat die Trägerschaft übernommen. Die Kliniken und Praxen im Einzugsgebiet wissen ebenso Bescheid wie die pathologischen Institute, und Leipzigs Bestattungsunternehmen Ananke wirkt als zuverlässiger Unterstützer mit.

Die Grabanlage auf Leipzigs Friedhof in Lindenau entwarf eine Landschaftsgärtnerin, die erste Gedenkfeier mit Hilfe von Geistlichen und Musikerinnen angeboten, Vielerlei wurde bedacht. Insgesamt dauerten die Vorbereitungen knapp zwei Jahre.

Seit 2005 gibt es nun in Leipzig auf dem Friedhof in Lindenau den „Ruhegarten für Schmetterlingskinder“. Dort werden dreimal im Jahr Schmetterlingskinder in einer Trauerfeier verabschiedet und anschließend gemeinsam beigesetzt. Die Bestattungen werden von der „Arbeitsgruppe Schmetterlingskinder“, die zum Hospizverein Leipzig e.V. gehört, einfühlsam und würdevoll gestaltet.

Die Abschiedsfeier ist offen für Menschen aller Religionen – und für Menschen, die keiner Kirche angehören. Für die Bestattung müssen die Eltern nichts bezahlen. Die Arbeitsgruppe freut sich über jede Spende für diese Aufgabe.

Am 3. Juni 2005 fand in Lindenau die erste derartige Bestattung statt, damals wurden 220 Schmetterlingskinder in sechs Särgen beigesetzt. Seit 2007 gibt es laut Arbeitskreis für jährlich etwa 1.500 Schmetterlingskinder in Leipzig und in der Region dreimal im Jahr Bestattungen.

Bis Ende 2022 wurden laut Arbeitskreis insgesamt 22.479 Schmetterlingskinder dort beigesetzt. Hochgerechnet haben somit bis jetzt auf dem Friedhof Lindenau – vorsichtig geschätzt – etwa 26.000 Sternenkinder ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Jedes Jahr – meist im März, Juni und Oktober – werden diejenigen, die nach dem Verlust ihres Kindes ihre Daten übermittelt haben, zur gemeinsamen Abschiedsfeier mit anschließender Beisetzung der Gemeinschafts-Urne eingeladen.

Der Einladung liegt ein Stoffstern bei, der persönlich gestaltet und zur Gedenkfeier mitgebracht werden kann. Die Feierlichkeit beginnt im lichtdurchfluteten Andachtssaal des "Diako", also des Evangelischen Diakonissenkrankenhauses Leipzig. Dort finden die mitgebrachten Sterne ihren Platz auf einem sehr großen Sternentuch, das den Sternenhimmel darstellt.

Zur jüngsten Feier am letzten Sonnabend Ende Oktober haben sich Dutzende Menschen eingefunden: Paare und einzelne Personen aus allen Altersgruppen, einige haben ihre älteren Kinder mitgebracht. Dieser Trauergemeinschaft versuchen zwei Geistliche – eine evangelische Pfarrerin und ein katholischer Geistlicher –, Trost und Anteilnahme zu vermitteln. Musikerinnen spielen angemessene Musikstücke von Antonio Vivaldi. Die Atmosphäre ist geprägt vom gemeinschaftlichen Gefühl stiller Trauer – alle dort im Saal verbindet das gleiche Schicksal.

Dann werden die Erinnerungs-Sterne auf dem Sternentuch platziert, es folgt der gemeinsame Gang ins Freie zum nahe gelegenen „Garten der Ruhe und Erinnerung“, der Ruhestätte für die Schmetterlingskinder. Dort wird in Stille die Gemeinschafts-Urne in die Erde gesenkt. Einzeln oder paarweise treten die Trauernden an die Stelle, verharren schweigend für einen Moment, nehmen Abschied und streuen Blütenblätter in das Erdloch. Ein gemeinsam gesungenes Abschiedslied beschließt die feierliche Zeremonie, bevor die Menschen heimgehen.

Dieses Angebot steht betroffenen Eltern frühverstorbener Kinder offen, es ist unabhängig von Konfession und Weltanschauungen und kostenfrei. Ähnliche Initiativen gibt es in Sachsen in Dresden (Sternenkinder Dresden e.V.) und Chemnitz (Arbeitskreis Sternenkinder Chemnitz).

In 20 Jahren ist der Ruhegarten mit Schmetterlingsbaum, Wildblumen und Rosensträuchern, mit Sitzplätzen und zahlreichen bunten Windspielen ein besonderer Ort geworden, der zum Verweilen einlädt.

Im Herzen der Anlage findet sich ein Brunnen mit Mosaiksteinen. Dort finden sich diese Worte von Antoine de Saint-Exupéry:
„Und wenn du dich getröstet hast, wirst du froh sein, mich gekannt zu haben“.

Kontakt zum Arbeitskreis Schmetterlingskinder im Hospizverein Leipzig e.V.:
beratung@schmetterlingskinder-leipzig.de
Telefon (0341) 9 63 61 38

Links:
https://schmetterlingskinder-leipzig.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Sternenkind
https://www.sternenkinder-thueringen.de/
https://www.sternenkinder-dessau.de/

Abschiedsfeier in Leipzig für Schmetterlingskinder: Jeder Stern auf dem Himmelstuch erinnert an ein Sternenkind. | Foto: Holger Zürch
„Garten der Ruhe und Erinnerung“ – so heißt das Areal für die Schmetterlingskinder auf dem Friedhof Lindenau offiziell. | Foto: Holger Zürch
Farbenfroh mit Windspielen: Letzte Ruhestätte für Sternenkinder auf Leipzigs Friedhof Lindenau (Ausschnitt).  | Foto: Holger Zürch
Bodenplatte mit Schmetterling auf dem Friedhof Lindenau. | Foto: Holger Zürch
Autor:

Holger Zürch

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