TAG DER TORA
Tora-Rolle im Miniaturformat

Oberbürgermeisterin Katja Wolf und Ministerpräsident Bodo Ramelow wickeln mit Kindern eine Tora-Rolle im Miniaturformat auf.  | Foto: Foto: Ulrike Müller
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  • Oberbürgermeisterin Katja Wolf und Ministerpräsident Bodo Ramelow wickeln mit Kindern eine Tora-Rolle im Miniaturformat auf.
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Höhepunkt der Festlichkeiten im Thüringer Themenjahr „Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen“ ist der „Tag der Tora“ in der Wartburgstadt Eisenach. Am Nachmittag besuchte Ministerpräsident Bodo Ramelow das Gelände, auf dem einst die Eisenacher Synagoge stand. Gemeinsam mit Oberbürgermeisterin Katja Wolf und Schülern wickelte er eine kleine Tora-Rolle im Miniaturformat auf. Beide Politikern erinnerten an die Schändung der Eisenacher Synagoge vor 83 Jahren durch die Nationalsozialisten.

Bereits am Vormittag besuchten Schulklassen die Gedenkstätte. Um gegen den Regen geschützt zu sein, schrieb der Rabbiner der Sephardischen Gemeinde in Berlin Reuven Yaacobov die Tora-Rolle in einer Pagode. Die Kinder durften ihm dabei über die Schulter schauen. „Ein Zauber und ein Wunder“ nannte Oberbürgermeisterin Katja Wolf die Atmosphäre, die an diesem denkwürdigen Tag zu spüren war. Sie zitierte die jüdische Holocaust-Überlebende Avital Ben-Chorin – damals hieß sie noch Erika Fackenheim –, die als Kind ihre Heimatstadt Eisenach verließ und so der Vernichtung durch die Nationalsozialisten entrann.

An Schicksal der Juden erinnern

„Ihr tragt keine Schuld, aber die Verantwortung dafür, dass so etwas in Eisenach nicht wieder passiert“, erinnerte sich Wolf an den Besuch der Zeitzeugin im Jahr 2012. Damals erhielt Avital Ben-Chorin die Ehrenbürgerwürde der Stadt Eisenach. Den Kindern legte die Oberbürgermeisterin ans Herz, die Geschehnisse nicht zu vergessen.

Auch Ministerpräsident Bodo Ramelow dachte an die Zeit zurück, in der „Nachbarn ihre Nachbarn gejagt haben“. „Das, was an Wunden geschlagen wurde, kann nur heilen, wenn wir darüber sprechen und uns erinnern“, sagte er. Ein Mädchen fragte, wie es zum Frieden zwischen jüdischen Menschen und „den anderen“ gekommen sei. „Der Frieden kommt in ganz kleinen Schritten“, antwortete Organisatorin Alexandra Husemeyer. Und der Rabbiner ergänzte: Nur durch die Menschen selbst könne es Versöhnung geben.

Ehrenamtliche Unterstützung macht Tag der Tora möglich

Die Tora soll mehrere Jahrhunderte lang halten und von der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen genutzt werden. Mehrere Kreativangebote von Mitgliedern des Kunstverein Eisenach e.V. umrahmten das Programm, für das Ehrenamtliche viele Kuchen gebacken hatten. Auch der von Tarek Sabsaby, Integrationsmanager der Stadt Eisenach, gegründete Interkulturelle Verein Eisenach e.V. unterstützte die Veranstaltung.
Am Nachmittag ab 16 Uhr ist der Besuch des evangelischen Landesbischofs Friedrich Kramer sowie seines katholischen Kollegen Bischof Ulrich Neymeyr (Bistum Erfurt) geplant. Ein Grußwort wird auch Dr. Jochen Birkenmeier (Stiftung Lutherhaus Eisenach) sprechen. Dort ist aktuell eine Ausstellung zum sogenannten „Entjudungsinstitut“, das von 1939–1945 in Eisenach bestand, zu sehen. Die Veranstaltungsreihe „Tora ist Leben“ wird von der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, dem Bistum Erfurt und dem Projekt „Neun Jahrhunderte Jüdisches Leben in Thüringen“ getragen. Die Staatskanzlei Thüringen unterstützte den „Tag der Tora“ in Eisenach finanziell.

Hintergrund
Im Rahmen des Themenjahres schenken die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland und das Bistum Erfurt der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen eine neue Tora-Rolle als Zeichen der Versöhnung. Die Tora wird durch den Berliner Rabbiner Reuven Yaacobov von Hand geschrieben. Das Jubiläum wird zudem durch zahlreiche Veranstaltungen begleitet. Das Schreiben einer neuen Tora-Rolle wird wahrscheinlich in den nächsten 100 Jahren nicht noch einmal zu erleben sein.
Auf dem Platz der heutigen Karl-Marx-Straße 30 stand von 1885 bis zur Pogromnacht 1938 die Synagoge von Eisenach. An diesem Ort versammelten sich die Menschen jahrzehntelang zu Gebet und Austausch. Dieser Ort wurde durch die Nationalsozialisten 1938 geschändet. Im Jahr 2021 ist das Schreiben an der neuen Tora-Rolle eine Form der besonderen Würdigung und die erste rituelle Handlung seit 83 Jahren auf dem Platz der Gedenkstätte.

Autor:

Online-Redaktion

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