Triegel-Altar
Provokation und Geheimnis

- Der Altar im Kloster Wechselburg ist Edith Stein, der Patronin der Pfarrei, gewidmet. Michael Triegel erinnert mit dem Werk auch an seinen eigenen Glaubensweg.
- Foto: Ruth Weinhold-Heße
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Der Maler Michael Triegel ist für seine sakrale Kunst im virtuos-historischen Stil bekannt. Für ein sächsisches Kloster malte er jetzt ein Altarbild. Es zeigt erstaunlich moderne Gesichter.
Von Ruth Weinhold-Heße
Sachsen ist um einen Schatz reicher: In der Basilika des Klosters Wechselburg hängt seit Mai ein Altarbild des Leipziger Malers Michael Triegel. So wie der romanische Bau aus dem 12. Jahrhundert ist es schlicht, greift Formen und die porphyrrote Farbe auf, die auch die Kirche auszeichnet.
In einem Gottesdienst wurde das Altarbild von dem katholischen Bischof im Bistum Dresden-Meißen Heinrich Timmerevers geweiht. Neben Kunstinteressierten und Gemeindegliedern kamen auch Vertreter der jüdischen Glaubensgemeinschaft, denn das neue Altarbild zeigt Edith Stein, die als Mittlerin zwischen Altem und Neuem Bund gilt und die seit 2020 Patronin für die Pfarrei ist, zu der das Kloster gehört. Die jüdische Philosophin, die sich 1922 katholisch taufen ließ und 1933 dem Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen beitrat, wurde 1942 von den Nationalsozialisten ermordet.
„Sie hat uns in der heutigen Zeit sehr viel zu sagen. Gerade als Frau“, meint Triegel. Es sei schon „fast eine Provokation“, findet der Maler, dass sich eine Pfarrei im ländlichen Sachsen den Namen einer Jüdin gebe. Benediktinerpater Maurus Kraß, der das Bild in Auftrag gab, erklärt: „Sie ist eine einladende Persönlichkeit, wuchs selbst als säkulare Jüdin auf und fand über Jahre hinweg in der Begegnung mit Freunden zum Glauben.“ Deshalb passe sie seiner Ansicht nach auch gerade in diese säkulare Gegend.
Das Bild strahlt Klarheit aus. Vor dunklem Grund setzen sich zwei Menschen ab: Edith Stein, mit Ordensnamen Teresia Benedicta vom Kreuz, die neben dem Judenstern, das Neue Testament an ihr Herz drückt, zeigt auf den Gekreuzigten. Der wiederum löst von dem wuchtigem Holz die Arme und wird dabei zum segnenden Auferstandenen.
„Sie ist eine Advocata Dei, eine Vermittlerin, mit der wir zusammen vor dem Gekreuzigten stehen und seinen Segen empfangen“, erläutert der Künstler seine Bildkomposition. Der Weg ins Vernichtungslager war Edith Steins letzter Gang. „Heilige wie sie sind Menschen, die ein echtes Leben gelebt haben: in ihren Anfechtungen, Zweifeln, Hoffnungen, aber auch in ihrer Stärke." Dadurch können sie uns Vorbild sein, meint der Maler. "Sie hat sich der Nachfolge Christi im Leben und im Tod gestellt."
Er zieht Vergleiche zu seinem eigenen Leben: „Ich bin wie sie intellektuell geprägt. Aber sie ist an den Punkt gekommen, dass die reine Rationalität nicht der letzte Schluss sein kann, dass es noch etwas anderes gibt, ein Geheimnis. Sie setzte sich intensiv mit der Mystik auseinander.“ Triegel ließ sich selbst erst 2014 katholisch taufen. Geboren in Erfurt, aufgewachsen in der DDR, war das Christentum für den heute 56-Jährigen lange nur bürgerliches Bildungsgut. Gleichzeitig sehnte er sich danach, glauben zu können, trotz der Zweifel: „Meine Zweifel nehme ich inzwischen als Geschenk.“
Triegels Bilder sind präzise figürlich und voller Symbole: Der Stieglitz im Bild etwa steht für die Passion. Die Taube – der Heilige Geist – schaut die Betrachter direkt an, fliegt auf die Schauenden zu. Pater Maurus sagte während der Weihe dann auch: „Der will bei uns landen.“
Michael Triegel, der 2010 Papst Benedikt XVI. in altmeisterlicher Tradition malte, habe die Anfrage von Pater Maurus Kraß sofort begeistert: „Wenn ich male, muss ich vergessen, dass es ein Auftrag ist.“ Allein die aufwendige Maltechnik des mehr als drei Meter hohen Bildes nahm sechs Monate Zeit in Anspruch. „Das ist bei der Größe physisch anstrengend, weil ich zuweilen auf der Leiter herumturne. Aber es ist auch psychisch anstrengend, über so eine lange Zeit die Spannung zu halten – bis zur letzten Vogelfeder.“
Detailtreue Gewänder und zum Greifen nahe Wunden zeugen von Triegels Vorbildern: den Malern der Renaissance. Auch der Raum habe ihn inspiriert, „diese reine, strenge, wunderschöne Romanik“. Das Malen nennt Michael Triegel sein Handwerk, einen Beruf, den er von neun bis 17 Uhr ausübt. Zu seinem Prozess des Malens gehört auch das lange Trocknen der Farben, die Schicht um Schicht aufgetragen werden.
„Wir brauchen das Atem holen wieder, sich Zeit nehmen, etwas im Original zu betrachten, und nicht nur drei Sekunden auf dem Display. Und wir brauchen auch nicht alles sofort zu verstehen.“ Heilige wie sie sind Menschen, die ein echtes Leben gelebt haben: in ihren Anfechtungen, Zweifeln, Hoffnungen, aber auch in ihrer Stärke.
Tipp: Am 10. August überträgt das MDR-Fernsehen ab 10 Uhr einen kath. Gottesdienst aus Wechselburg. Dabei wird das Gemälde von Michael Triegel vorgestellt.


Autor:Online-Redaktion |
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