Spendenfinanzierter Pfarrer
Experiment von gestern oder Modell für morgen?

Jörg Gintrowski: Seit fast 20 Jahren Pfarrer am Jenaer Lutherhaus | Foto: Lutherhaus Jena
  • Jörg Gintrowski: Seit fast 20 Jahren Pfarrer am Jenaer Lutherhaus
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Seit Januar 2004 ist Jörg Gintrowski Pfarrer im Lutherhaus in Jena. "Das sind bald 20 Jahre. Damit bin ich der dienstälteste Pfarrer in der Stadt", sagt er nicht ohne eigenes Erstaunen. Das Besondere: Gintrowskis Pfarrstelle ist rein spendenfinanziert.

Von Beatrix Heinrichs

"Am Anfang hatte ich mit ein bis zwei Jahren gerechnet. Dass das so lange funktionieren würde, hätte ich nicht gedacht." Begonnen hatte alles "als Experiment", erzählt der 59-Jährige, damals noch getragen von der Thüringer Landeskirche unter Altbischof Christoph Kähler.

1800 Gemeindeglieder gibt es im Sprengel Wenigenjena, zu dem das Lutherhaus zählt. Das entspräche einer regulären Pfarrstelle, die derzeit durch seinen Kollegen Christoph Rymatzki besetzt ist. "Diese Zahl spielt aber eigentlich gar keine Rolle", sagt Gintrowski. "Die wahre Stärke einer Gemeinde machen die Menschen aus, die kommen, sich mit dem Gemeindeleben identifizieren und für die Arbeit hier auch bereit sind, Geld zu geben."

Konkret sind das am Lutherhaus etwa 150 Menschen, die durch regelmäßige, meist kleinere Zuwendungsbeträge helfen, die Stelle von Gintrowski zu finanzieren. Das Konzept, auf das man am Lutherhaus dabei baut, ist gleichwohl an Landeskirche wie Gemeinde angebunden: Angestellt ist der Pfarrer formell bei der Landeskirche, hier jedoch im Rahmen einer Sonderpfarrstelle, die mit dem besonderen Gemeindeprofil zusammenhängt. Über die Spenden der Gemeinde erstattet der Förderverein des Lutherhauses dann der Landeskirche die Versorgungsleistungen, Bruttoarbeitgeberpersonalkosten genannt, für den Pfarrer. Etwa 9000 Euro pro Monat machen die Aufwendungen für Gintrowski insgesamt aus, knapp die Hälfte davon sind Versorgungsaufwendungen, die nicht als Gehalt ausgezahlt werden.

Das sei schon ein besonderes Anstellungsverhältnis, von dem er um kein weiteres dieser Art in der EKM wüsste, meint er: "So gesehen habe ich ja fünf Chefs: Jesus, die örtliche Gemeinde, die für meine Pfarrstelle spendet, den Superintendenten des Kirchenkreises, den Förderverein des Lutherhauses und den Gemeindekirchenrat." Was aber, wenn die Spenden einmal rückläufig sein sollten? "Das Spendenaufkommen schwankt natürlich, und viele der Spender werden älter. Sollte es einmal nicht mehr reichen, dann müsste ich mir entweder eine andere Pfarrstelle suchen, oder der Stellenumfang müsste in Absprache mit der Landeskirche reduziert werden."

Und dann ist es oft kein weiter Weg bis zu dem, was Gerhard Jahreis den "großen Frust" nennt. Der entstünde heute schon an vielen Stellen in der EKM, sagt der Vorsitzender der Gemeindeleitung am Lutherhaus. "Da nämlich, wo die Menschen sehen, dass sie zwar ihre Kirchensteuer zahlen, jedoch mehr und mehr Pfarrstellen gestrichen werden." Wenn mit dem Geld vor Ort aber etwas angefangen werde, ändere sich die Perspektive schnell, meint er. "Menschen, die den Kirchenzehnt geben, sind interessiert an ihrer Gemeinde, an den Angeboten, die hier gemacht werden und daran, dass diese Gemeinde einfach gut betreut ist", ist Jahreis überzeugt. Sei das der Fall, wären auch wieder Menschen bereit, sich finanziell zu engagieren. "Wenn es gut läuft, wirkt das Modell so in beide Richtungen."

Eine Verfahrensweise mit Beispielcharakter könnte das Modell vielleicht schon sein. Ob es sich allerdings überall und für jede Gemeinde eignet, zweifelt Jahreis an. Der Förderverein am Lutherhaus muss insgesamt etwa 130 000 Euro im Jahr aufbringen für eigenfinanzierte Stellen. Bezahlt werden davon neben der Pfarrstelle von Jörg Gintrowski auch ein Gemeindepädagoge sowie zwei Bürokräfte, die als Minijobber beschäftigt sind. "Ich könnte mir vorstellen, dass ein derartiger finanzieller Aufwand für so manche Landgemeinde nur schwer zu stemmen sein dürfte."

Gintrowski aber sieht das Modell – wenn schon nicht für Pfarrstellen, so doch aber zum Beispiel für Gemeindehelfer – als eine sinnvolle Alternative. "Über Fördervereine eine Art Parallelstruktur zu schaffen, kann für Gemeinden die einen Pfarrer brauchen, da wesentlich leichter sein als die konventionellen Einstellungswege der Landeskirchen einzuschlagen." Das Entscheidende sei, meint Gintrowski, der Paradigmenwechsel im Kopf. "Gemeinden sind immer noch in der Erwartung, da müsste von oben Personal kommen. Ein Umdenken ist hier gefragt bei den Gemeindemitgliedern. Man muss sich darüber klar werden: Wer Personal haben möchte, muss dafür bezahlen – auch jenseits der Kirchensteuerstrukturen."

Autor:

Beatrix Heinrichs

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