"Schwarze Zahlen sind theologisch nicht verwerflich"

Wolfgang Teske | Foto: Frieder Weigmann
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Der scheidende Vorstand der Diakonie Mitteldeutschland, Wolfgang Teske, blickt mit Sorge auf die Zeit nach der Corona-Krise. Manche Finanzpolitiker, die derzeit noch das Füllhorn in der Pandemie ausschütteten, wollten anschließend heute noch gesetzlich garantierte Leistungen massiv einschränken. "Das wird viele diakonische Einrichtungen in massive Schwierigkeiten bringen", sagte Teske im Gespräch mit Dirk Löhr (epd). Teske ist in den Ruhestand verabschiedet worden, nachdem er seit 2011 als Vorstand die Bereiche Wirtschaft, Finanzen und Recht bei der Diakonie Mitteldeutschland verantwortet hatte.

Die Diakonie Mitteldeutschland steckt mitten in der Corona-Epidemie. Wie schwer fällt es Ihnen, gerade jetzt die Brücke zu verlassen?
Teske: Wir haben in unseren mehr als 1.700 Einrichtungen und Diensten rund 30.000 Beschäftigte. Dennoch ist der Verband auch in rauer See für die Mitgliedsunternehmen eher ein wendiges Lotsenboot als ein Supertanker. Es fällt mir nicht schwer, die Verantwortung in andere Hände zu legen. Ich weiß, dass mit meiner Nachfolgerin Martina von Witten ab 1. Februar eine Diakonie-erfahrene Frau bereitsteht, das Ruder zu übernehmen.

Wie sehen Sie die Diakonie Mitteldeutschland aktuell aufgestellt? Was bereitet Ihnen mit Blick auf die Zukunft die meisten Sorgen?
Die Diakonie Mitteldeutschland ist auch im Vergleich zu anderen Landesverbänden gut aufgestellt. Die im vergangenen Jahr durchgeführte Mitgliederbefragung hat gezeigt, dass wir den Anforderungen unserer Mitglieder weitestgehend gerecht werden. Außerdem haben wir mit dem Strategieprozess "Diakonie Mitteldeutschland 2025" Veränderungen angestoßen, die die Zukunftsfähigkeit des Werkes sichern werden. Die meisten Sorgen im Hinblick auf die Zukunft bereitet mir die Ankündigung mancher Finanzpolitiker, die derzeit noch das Füllhorn während der Corona Pandemie ausschütten, anschließend Leistungen, die heute noch gesetzlich garantiert sind, massiv einzuschränken.

Wo befürchten sie Einschnitte?
Gerade unsere Beratungsstellen werden schon jetzt immer wieder in Frage gestellt, etwa die Begleitung Suchtkranker oder die Hilfe in schwierigen sozialen Verhältnissen. Nicht zuletzt ist zu befürchten, dass mit knapper werdenden Haushaltsmitteln auch wieder die Rufe nach Privatisierung von Einrichtungen oder Kliniken lauter werden.

Krisen rufen auch immer wieder grundsätzliche Fragen hervor, etwa: Wie viel Geld darf mit der Gesundheit verdient werden? Oder anders gefragt - wo hören Rücklagen und Vorsorge auf und fangen Renditen und Profit an?
Die Grenzen beschreibt das Gemeinnützigkeitsrecht, dessen Regelungen sicherstellen, dass erwirtschaftete Gewinne nicht ausgeschüttet werden dürfen und somit im System bleiben. Gemeinnützige diakonische Unternehmen müssen schwarze Zahlen schreiben, um ihre Aufgaben auch in Zukunft noch erfüllen zu können. Schwarze Zahlen sind auch unter theologischen Aspekten nicht verwerflich.

Und wie sieht es mit Sonderrechten für Corona-Geimpfte aus?
Ich bin dagegen, dass Corona-Geimpften Sonderrechte eingeräumt werden. Die Diskussion um eine Impfpflicht durch die Hintertür ist das letzte, was wir jetzt brauchen.

Noch einmal zu den Beschäftigten: Wie hat sich seit ihrem Dienstantritt 2011 die Lage entwickelt? Ist es komplizierter geworden, Mitarbeiter zu finden? Wie ist es Ihnen gelungen, die Zahl der konfessionellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stabil zu halten?
Ja, in den vergangenen zehn Jahren ist es schwieriger geworden, kompetente Mitarbeitende für eine Tätigkeit in der Diakonie in Mitteldeutschland zu gewinnen. Aber die Diakonie Mitteldeutschland ist auch aufgrund der Vergütung nach den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen (AVR) nach wie vor ein attraktiver Dienstgeber. Die Tatsache, dass nach wie vor viele Mitarbeitende in den Mitgliedseinrichtungen der Diakonie Mitteldeutschland einer christlichen Kirche angehören, ist auf eine Vielzahl von Maßnahmen des Verbandes und seiner Mitglieder zurückzuführen. Ich nenne hier beispielhaft nur unsere Bildungsinitiative.

Für Sie als Jurist und Arbeitsrechtler: Wie lange wird der Dritte Weg noch Bestand haben?
Noch sehr lange. Der Dritte Weg, also die Art, wie in der Diakonie Arbeitsrecht gehandhabt wird, ist im Prinzip ein zukunftsfähiges Instrument. Es bringt die Interessengegensätze zwischen Dienstnehmern und Dienstgebern zum Ausgleich, ohne das dabei Arbeitskampfmaßnahmen zulasten Dritter - zum Beispiel den Eltern von Kindern in Kitas oder von alten Menschen und Menschen mit Handicap - gehen. Insofern kann der Dritte Weg sogar beispielgebend auch für andere Bereiche der Wirtschaft sein.

Oberkirchenrat Eberhard Grüneberg, der sich als letzter Vorstand der Diakonie Mitteldeutschland vor Ihnen in den Ruhestand verabschiedete, pilgerte danach ins italienische Assisi. Was haben Sie vor?
Ich hatte eigentlich vor, nach meiner Verabschiedung eine mehrwöchige Auszeit auf einer nordfriesischen Insel zu nehmen, um abzuschalten und zu überlegen, wie ich den jetzt vor mir liegenden Lebensabschnitt gestalte. Dabei kann es hilfreich sein, den Kopf in den Winterwind an der See zu halten und so alte Gedanken wegwehen zu lassen. Dann kamen die Einschränkungen im Rahmen der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Jetzt ist mein räumlicher Bewegungsradius auf 15 Kilometer um meinen Wohnort herum beschränkt. Ich muss mich wohl in Geduld üben, abwarten und friesischen Tee trinken.

Autor:

Online-Redaktion

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