Kontroverse
Hat die Kirche in der Corona-Krise versagt?

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Gesprächsbedarf: Thüringens ehemalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) wirft den Kirchen in der Corona-Krise schwere Versäumnisse vor. Ein Zurück zur alten Normalität wünscht sie sich nicht, sondern Diskussionen über Probleme, die in der Pandemie offengelegt wurden. In seiner Gegenrede weist Landesbischof Friedrich Kramer die Vorwürfe zurück. Trotz und gerade wegen Corona habe man das Evangelium zu den Menschen gebracht.

Ja.
Die Corona-Pandemie hat jeden Einzelnen in unserem Land ebenso wie alle gesellschaftlichen, politischen und eben auch kirchlichen Akteure und Institutionen vor bisher nie gekannte Herausforderungen gestellt. Dabei ist Unglaubliches geleistet worden. Die Zahlen der Neuerkrankungen konnten auf ein beherrschbares Maß gesenkt und die Todesfälle im Vergleich zu anderen Ländern deutlich niedriger gehalten werden. Dafür kann ich gar nicht genug danken. Ich habe Hochachtung vor all denjenigen, denen in dieser Zeit Seelsorge „Muttersprache der Kirche“ war, die Schwerstkranken und Sterbenden unter Inkaufnahme hoher Risiken für die eigene Gesundheit und das eigene Leben beigestanden haben.
Umso schmerzlicher wiegt für mich allerdings gerade auf dem Hintergrund des enormen persönlichen Einsatzes von Seelsorgerinnen und Seelsorgern für die Begleitung an Kranken- und Sterbebetten, in Diakonie und Caritas, von Kirchenkreisen und von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern für neue Formen der Verkündigung des Evangeliums und gelebter Nächstenliebe in ihren Gemeinden, dass die gesellschaftlichen Debatten über die Grenzfragen des Lebens angesichts der Todesnähe durch Corona in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem bestimmt wurden von Virologen und anderen Wissenschaftlern, von Publizisten, Ökonomen und Politikern.
Und ja, auch die Zahl der Verstorbenen ohne Corona ist eine Tatsache, bei der jeder Einzelne zählt – die seelsorgerliche Begleitung kann nicht hoch genug geschätzt werden. Sie sind in der Mehrheit – nicht nur in Corona-Zeiten. Wie unter einem Brennglas haben sich mit der Corona-Krise Entwicklungen verdichtet, die dringend der Debatte bedürfen. Dazu gehört der offene Dialog über Selbstverständnis und Bedeutung der christlichen Kirchen in unserem Land.

Nein.
Diese pauschale Kritik ist unberechtigt und geht an der Realität vorbei. Frau Lieberknecht kritisiert nicht nur die Kirchen, sondern auch pauschal die Einrichtungen, die den Zugang von Seelsorgern erschwert hätten. Bei den einen waren die Türen für die Seelsorge offen, bei anderen gingen sie zu. Viele Seelsorgerinnen und Seelsorger haben sich nicht beirren lassen und darauf gedrängt, bei den Menschen sein zu können – dabei konnten sie auf die Rückendeckung der Landeskirche setzen. Von Anfang an haben wir aufgefordert, die Kirchen zu öffnen, um dort auch für Seelsorge ansprechbar zu sein.
Wir haben uns im Krisenstab sofort mit denkbaren Schutzmaßnahmen für Seelsorger befasst. Schutzkleidung und Tests konnten wir nicht besorgen, was in einzelnen Fällen Besuche in Einrichtungen unmöglich gemacht hat. Gleichzeitig gab es unentwegt Gespräche mit staatlichen Stellen und kurze Drähte zu den Ministerien. Dort wurde verstanden, wie wichtig Seelsorge gerade jetzt ist. Beispielsweise gab es daraufhin auch Erleichterungen bei Trauerfeiern.
Es gibt ein großes Bewusstsein bei unseren Pfarrerinnen und Pfarrern, dass sie mit Risikogruppen arbeiten. Die Lockerungen weiten den Spielraum für mehr direkte Begegnungen zwischen den Menschen und mit den Seelsorgern. Dennoch verlangt der Gesundheitsschutz, dass wir die Regeln einhalten. Wir setzen als Landeskirche darauf, helfen und ermutigen dabei, weiter mit Ideenreichtum alternative Angebote zu machen, damit Menschen, die zu Hause bleiben wollen, trotzdem am Gemeindeleben teilnehmen können.
Ich finde es großartig, wie kreativ Kirchgemeinden und die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden Wege gefunden haben, in dieser Krise bei den Menschen zu sein.
(epd)  

Autor:

Online-Redaktion

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