Warum Gärten en vogue sind
Hätte Eva nur einen Spaten gehabt

Foto: pixabay/EM80

Sie weiß noch genau, wie es war, wenn sie als Kind zum Meer hinunterlief - und es auf dem Dünenweg nach Kartoffelrosen duftete. "Oder wenn man durch den Wald spazierte und eine Lichtung aufging - und da blühten dann Margeriten und Akeleien", erzählt Xenia Rabe-Lehmann, an der Küste geboren, von den Düften und Farben der Pflanzen ihrer Kindheit.

Von Nina Schmedding 

An diesem sonnigen Junimorgen ist die Luft in ihrem Schrebergarten in Berlin-Wilmersdorf noch kühl. Neben der Holzbank, auf der sie sitzt und ihren Minze-Melisse-Tee aus eigenem Anbau trinkt, wächst ein üppiger Rosenstrauch - eine "'Rosa centifolia' - eine hundertblättrige Rose", erklärt Rabe-Lehmann und streicht über den vollen Kelch der rosafarbenen Blüte. "Eine ganz alte Rosensorte."

Die 57-Jährige, schlank und mit dunklem Haar, ist seit 1999 Mieterin des Kleingartens - eine von rund 900.000 Kleingärtnerinnen und -gärtnern in Deutschland. Als die Schleswig-Holsteinerin damals die Gelegenheit bekam, in ihrer Wahlheimat Berlin einen Schrebergarten zu übernehmen, war vor allem ihr Mann zunächst skeptisch: "'Das ist doch total spießig, da hast Du mit zig Regularien zu tun'", habe er damals gesagt.

Heute, mehr als 25 Jahre später, lieben beide den Garten, der fußläufig von ihrer Wohnung liegt und aus dem sie manchmal abends schnell noch einen Kopfsalat holen - oder aber gleich dort zu Abend essen: "Zum Beispiel gelbe Zucchini mit Basilikum aus dem Garten, dazu Nudeln mit Garnelen", erzählt sie.

Er ist fürs Kochen und das Gemüse zuständig, sie für die Blumen - und den Blog "Berlingarten.de", den sie seit rund zehn Jahren betreibt. Zudem gibt sie Online-Gartenkurse. "Gärtnern ist en vogue", sagt sie. Bewerber für einen Schrebergarten müssen meist jahrelang auf einen solchen warten; manchmal gibt es sogar einen Bewerberstopp, weil das Interesse so groß ist.

Kontrastprogramm zur Digitalisierung

Die allgemeine Lust auf Gärtnern und Garten habe auch mit der Digitalisierung zu tun, glaubt Rabe-Lehmann. "Das ist auf Dauer anstrengend und entfremdet einen vom eigenen Leben", findet sie. Gärtnern dagegen sei "einfach entspannend: Wenn ich anfange, was aufzubinden, ist schnell mal eine Stunde vergangen."

Zudem sei Bio immer mehr Trend: "Viele Leute haben total Lust auf Gemüse." Sie nimmt in ihren Kursen auch wahr, dass bei der Gartenbepflanzung Dinge wichtiger werden, die der Biodiversität entsprechen. Die von ihr so gemochte hundertblättrige Rose etwa - "viele junge Leute würden diese heute nicht mehr pflanzen, weil es eine gefüllte Blüte mit vielen Blättern ist, auf der Insekten wenig Nahrung finden", erklärt sie.

Auch mit dem Rasen sei das so eine Sache: "Biologisch betrachtet ist ein raspelkurz geschnittener Rasen eine unnütze Fläche", so Rabe-Lehmann. Für sie sei deshalb eine Zwischenlösung genau das Richtige: ein kleines Stück Rasen, auf dem Gänseblümchen wachsen, der aber auch als Lauffläche dient und Sitzmöglichkeiten bietet. Das sei wichtig, findet sie: "Man muss auch im Garten leben, nicht nur von der Terrasse aus auf ihn draufschauen. Das soll ein Raum sein, in den man auch selbst eintauchen kann."

Entsprechend hat sie ihren Garten angelegt: Unter zwei alten Apfelbäumen steht mitten auf dem Rasen ein Liegestuhl, der zum Lesen einlädt.

Rabe-Lehmann, Leiterin der Kommunikationsabteilung eines Unternehmens, hat sich das Gärtnern durch Learning by doing beigebracht. "Hier war ein einziges Himbeerdickicht. Ich habe mir dann alle möglichen Bücher gekauft", sagt sie. "Ich wollte hier meinen Traum vom englischen Garten verwirklichen - gestylt, aber trotzdem natürlich", sagt sie.

Pflanzen müssen zum Boden passen

Dabei habe sie auch manch Anfängerfehler gemacht, erzählt sie: "Ich bin in die Gärtnerei rein und wollte alle Pflanzen in meinem Garten haben, die ich mochte." Erst nach und nach habe sie gelernt, dass das nicht geht: "Davon muss man sich frei machen und sich Gewächse aussuchen, die zu den Bedingungen passen - ob es schattig und feucht oder sandig und trocken ist."

In Xenias Garten gibt es Birn-, Kirsch- und Pflaumenbäume, Himbeeren, Brombeeren und Johannisbeeren, Radieschen, Rhabarber, Salat und überall Blumen, vor allem Rosen, in gelb und weiß und rosa. "Die Wiederholung macht es", so die Expertin. "Viele Pflanzen von einer Sorte geben einen Wow-Effekt - wie beim Lavendel in der Provence." Und es mache so weniger Arbeit.

Es ist ruhig, die Vögel zwitschern. Um diese werktägliche Morgenstunde ist in der Kleingartenanlage noch nicht viel los.

"Hätte Eva im Paradies einen Spaten gehabt und damit etwas anfangen können, hätten wir nicht diese ganze traurige Geschichte mit dem Apfel", schreibt Autorin Elizabeth von Arnim 1898 in ihrem Roman "Elizabeth und ihr Garten", indem sie dem Garten und der Gartenarbeit ein literarisches Denkmal setzt: Als Frau eines Adeligen ist es damals verpönt, dass sie im Garten selbst Hand anlegt. Und dabei würde sie das doch so gerne.

So wie Xenia Rabe-Lehmann, die in ihrer Mittagspause oft kurz strammen Schrittes zu ihrem Garten walkt und dort nach dem Rechten schaut - nicht weil sie muss, sondern weil sie gern hier ist: "Das ganze Jahr über blüht hier etwas. Darauf kann man sich freuen."

(KNA)

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Online-Redaktion

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