Glaubensserie (34): Jesu Rede über die Endzeit
Vom Ende her denken
- Wann das Ende der Zeit herbeigekommen sein wird, hat schon die frühen Christen beschäftigt.
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Voraussichtlich kommt das Ende der Welt nicht heute und auch morgen nicht. Schon Paulus hat das lernen müssen. Leben wir schon am Ende der Zeiten? Eine Frage, die gar nicht leicht zu beantworten ist. Denn der Untergang der Welt wurde schon oft vorausgesagt. Eine Annäherung.
Von Sebastian Kranich
Das Ende der Welt wird in der Theologie oft mit spitzen Fingern angefasst – verständlicherweise. Denn Prognosen sind bekanntlich schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Doch im Ernst: Die Vorstellungswelten, in denen das endzeitliche Geschehen geschildert wird, muten heutigen Menschen oftmals fremd an. Dass die Sterne vom Himmel fallen und der Menschensohn auf den Wolken des Himmels kommt, passt nicht in das moderne Weltbild. So stellte Ernst Troeltsch bereits um 1900 fest, das „eschatologische Bureau sei heutzutage zumeist geschlossen.“ Und fügte an: „Es ist geschlossen, weil die Gedanken, die es begründeten, die Wurzel verloren haben.“
Zugleich finden in Kultur, Politik und Religion der Gegenwart die biblischen Szenarien erneut Widerhall. Ist also doch etwas dran? Leben wir in der Endzeit? Dazu drei Antwortversuche: Ja. Vielleicht. Nein.
Nein: Voraussichtlich kommt das Ende der Welt nicht heute und auch morgen nicht. Schon Paulus hat das lernen müssen. Zuerst hatte der Apostel damit gerechnet, dass Christus zu seinen Lebzeiten wiederkommt. Später nicht mehr. Parusieverzögerung – die Verzögerung der Wiederkunft Christi – ist schon ein Problem in den neutestamentlichen Schriften. Auch danach fiel der Weltuntergang wieder und wieder aus. Trotz Kometen, Kriegsgeschehen und all den anderen Zeichen, die im Matthäusevangelium, Kapitel 24, und anderswo in der Bibel genannt werden.
Und auch wenn sich in der US-amerikanischen MAGA-Bewegung (Make America Great Again), wie beim Tech-Milliardär Peter Thiel, biblische Eschatologie, Science Fiction, Technikglaube und Politik vermischen und die baldige Apokalypse herbeifantasiert wird: Das befürchtete oder ersehnte kosmische Ende der Welt dürfte sich weiter verzögern.
Vielleicht: Womöglich leben wir aber doch in der Endzeit, der Endzeit einer Welt, wie wir sie kannten. Das Kriegsgeschrei ist jedenfalls nicht zu überhören seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Wahrscheinlich ist die Drohung von Putin mit Atomwaffen Angstmache. Doch die Gefahr eines konventionellen Krieges zwischen Russland und der Nato scheint real.
Zudem: Die Wiederkehr der Autokraten, die permanenten Angriffe auf die liberale parlamentarische Demokratie: Wer wollte darin nicht Vorzeichen sehen? Die Mahnung zur Wachsamkeit, die Jesus angesichts von Verwüstung und falschen Propheten ausspricht, sollten auch wir hören.
Und: Auch wenn es momentan in den Hintergrund rückt: Der menschengemachte Klimawandel kann in die Katastrophe führen, wenn Kipppunkte überschritten werden. Unaufhaltsam ist er nicht. Wer sich jetzt für Klimagerechtigkeit einsetzt, kann sich politisch auch auf den Appell stützen, der in Jesu Rede vom Weltgericht enthalten ist. Denn die Endzeit-Bilder der Bibel drängen auf Handeln im Blick auf gegenwärtiges und zu erwartendes Leid.
Ja: „Wer weiß, wie nahe mir mein Ende“, so dichtete die Reichsgräfin Ämilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt. Ganz richtig: Das Ende meiner Welt wird kommen wie der Dieb in der Nacht. Ganz gleich, wie und wie lange die Welt sich noch weiterdreht. Denn seit unserer Geburt leben wir in der Endzeit, nicht wissend um Tag und Stunde. Verdrängen ist eine mögliche Reaktion. Aber hilft sie auf Dauer? Der Theologe Paul Tillich meint: Todesangst gehört zur Existenz des Menschen, denn „Existenz schließt Endlichkeit ein, und Angst ist das Gewahrwerden der eigenen Endlichkeit.“
Ratsamer als zu verdrängen ist es, den biblischen Endzeit-Bildern geistlich einmal tiefer nachzuspüren. Denn vieles, was hier seinen Ausdruck findet, ist womöglich vom Weltbild her antik, in seiner seelischen Dimension von Schrecken und Trost jedoch hochaktuell. Denn die mitunter kleine, mitunter große Bedrängnis, von der Jesus spricht, kann auch eine innere sein.
Angesichts der Befristung der Lebenszeit vermag auch ein forsches „carpe diem“ – „Nutze den Tag“ – helfen oder die Bitte: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Vor allem aber zeigt Jesu Rede vom Weltgericht auch für den Umgang mit unseren Nächsten: Es ist nicht egal, wie wir leben. Der Volksmund reimt dazu schlicht: „Bewahret einander vor Herzeleid, kurz ist die Zeit, die ihr beisammen seid.“
Angesichts von Leid und Kriegsgeschrei in der Welt riefen die ersten Christen „Maranatha“ – „Unser Herr, komm!“ Der Kehrvers im Lied der frommen Reichsgräfin klingt: „Mein Gott, mein Gott, ich bitt durch Christi Blut, mach’s nur mit meinem Ende gut!“ Beides umspannt der christliche Glaube.
Gesprächsimpulse
- Leben wir in der Endzeit? Wie würden Sie diese Frage beantworten – ja, nein oder vielleicht?
- Wenn wir in der Endzeit leben - was kommt danach?
- Was meinen Sie – kommt Jesus Christus wieder, wie es die frühen Christen erwartet haben?
Der Autor ist ist Direktor der Evangelischen Akademie Thüringen.
Nächste Folge:
Lobgesang der Maria (Lukas 1,46-55)
Autor:Online-Redaktion |
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