Warum Europa verliert

"Haut ab, französische Truppen in Mali", steht auf dem Plakat der Demonstranten Anfang Februar in Bamako, der Hauptstadt des Landes. Die europäischen Soldaten gelten als wenig effektiv in Mali. | Foto: Foto: Paul Lorgerie/Reuters/stock.adobe.com
  • "Haut ab, französische Truppen in Mali", steht auf dem Plakat der Demonstranten Anfang Februar in Bamako, der Hauptstadt des Landes. Die europäischen Soldaten gelten als wenig effektiv in Mali.
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Am vergangen Samstag wurde bekannt, dass in den Tagen zuvor islamistische Terrorgruppen Medienberichten zufolge wieder mindestens 40 Menschen getötet hatten. Ableger des «Islamischen Staats» (IS) und von Al-Kaida hätten vier Dörfer in der Region Gao im Osten des westafrikanischen Landes überfallen, berichtete der Sender RFI.
Der angekündigte Abzug einiger europäischer Länder, darunter auch Frankreich, trifft zunächst nicht die deutschen Soldaten, die an der UN-Mission Minusma und dem europäischen Ausbildungseinsatz EUTM beteiligt sind. Aber auch in Deutschland wird das militärische Engagement in Mali seit zwei Putschen, der Verschiebung der Wahlen und dem Einsatz russischer Soldaten zunehmend in Frage gestellt. Beide Mandate laufen im Mai aus. Fragen und Antworten zur aktuellen Situation.

Von Bettina Rühl

Ausländischer Einsatz

In Mali gibt es mehrere ausländische Militärmissionen, darunter die UN-Mission Minusma, die EU-Ausbildungsmission EUTM und die multinationale europäische Truppe Takuba zum Kampf gegen islamistische Terrorgruppen. Nun werden die Soldaten der französischen Mission Barkhane sowie die Operation Takuba abgezogen, unter anderem wegen der Militärputsche und der Präsenz russischer Söldner. Wie wird das in Mali wahrgenommen?
Viele Menschen bejubeln den angekündigten Rückzug Frankreichs, bei Demonstrationen wurden mehrfach französische Flaggen verbrannt sowie Holzfiguren, die den französischen Präsidenten Macron darstellten. Die Europäer gelten als wenig effektiv. Die Sicherheitslage hat sich trotz Tausender ausländischer Soldaten seit 2014 nicht verbessert, sondern im Gegenteil massiv verschlechtert. Gewalt verbreiten Terrorgruppen und kriminelle Banden – wobei sich beides überlagert.

Warum gelingt es den internationalen Truppen nicht, das Land zu stabilisieren?
Die UN-Mission, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist, hat keinen Kampfauftrag und ein beschränktes Mandat. Das Zentrum des Landes, wo die meisten zivilen Opfer zu beklagen sind, gehört nicht dazu. Dagegen sollte Takuba und eine Truppe der Sahelstaaten namens G5 Sahel Joint Force gegen Terrorgruppen kämpfen. Ausländische Soldaten helfen aber nicht gegen strukturelle politische Probleme: allen voran das Staatsversagen, außerdem massiven Drogenschmuggel, durch den sich auch bewaffnete Gruppen finanzieren und von dem auch die militärische und politische Elite profitiert. Wichtig wären eine konsequente Strafverfolgung und der Einsatz der malischen Armee zum Schutz der Zivilisten. Stattdessen geht die Armee immer wieder gegen die Bevölkerung vor.

Die Rolle Russlands

Das US-Militär meldet, in Mali sei die russische Söldnertruppe Wagner im Auftrag der Übergangsregierung aktiv. Satellitenbilder und Flugdaten scheinen die Behauptung zu stützen. Wie steht man in Mali dazu?
Die Russen scheinen durchaus willkommen zu sein. Bei einer Demonstration gegen die ehemalige Kolonialmacht Frankreich wurden auch russische Fahnen geschwenkt. Die Zusammenarbeit Malis mit Moskau ist nicht neu, schon seit längerem sind russische Ausbilder für Hubschrauberpiloten im Land. Gegenüber einer privaten Söldnertruppe sind die Menschen allerdings eher skeptisch.

Werden den Russen, was die Sicherheit angeht, mehr Erfolge zugetraut?
Ja. Gerüchten zufolge kämpfen sie bereits an der Seite der malischen Soldaten gegen die Dschihadisten. Es heißt, die Sicherheitslage habe sich im letzten Monat stärker verbessert als in den vergangenen acht Jahren mit den französischen Truppen. Zu überprüfen ist das derzeit nicht.

Militär und Regierung

Das malische Militär hat in den vergangenen zwei Jahren zweimal geputscht. Wie nimmt die Bevölkerung die Putsche und die amtierende Übergangsregierung wahr?
Der erste Putsch im August 2020 wurde von der Bevölkerung regelrecht bejubelt. Davor waren die Menschen monatelang auf die Straße gegangen, um den Rücktritt des damaligen Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta zu fordern. Er galt als hochgradig korrupt und unfähig oder unwillig, die Sicherheitskrise im Land wirklich anzugehen. Unter der vom Militär eingesetzten Übergangsregierung änderte sich die Lage allerdings auch nicht, die Bevölkerung war bald enttäuscht – und begrüßte auch den nächsten Putsch im Mai 2021, der die Macht des Militärs festigte.

Die Übergangsregierung hat die für Februar angekündigten Wahlen verschoben, sie sollen nun spätestens in fünf Jahren stattfinden. Wie wird das in der Bevölkerung aufgenommen?
Überwiegend positiv, wobei es eine erkennbare Spaltung gibt zwischen der «organisierten» Bevölkerung, den etablierten politischen Parteien und ihnen nahestehenden zivilgesellschaftlichen sowie religiösen Organisationen, und der übrigen Bevölkerung, zumal der auf dem Land.
Die Übergangsregierung erklärt die Verschiebung der Wahlen damit, dass es zunächst grundlegende institutionelle Veränderungen geben muss, um den Wahlvorgang demokratischer zu gestalten. Das entspricht der Wahrnehmung der Bevölkerungsmehrheit: Eine Rückkehr zu dem System, das weggeputscht wurde, möchte sie nicht. Die Entscheidung, die Wahlen zu verschieben, wurde nach politischen Beratungen betroffen, an der die Bevölkerung beteiligt war.

Westliche Staaten, darunter auch Deutschland, fordern eine frühere Rückkehr zur Demokratie, der westafrikanische Staatenblock Ecowas hat Sanktionen verhängt. Unterstützt die Bevölkerung Malis diesen harten Kurs?
Nein. Die Sanktionen treffen die ohnehin schon belastete Bevölkerung hart. Zudem fragen sich viele, warum sie zu einem System zurückkehren sollen, das die verhassten Auswüchse an Korruption und Vetternwirtschaft hervorgebracht hat. (epd)

Autor:

Online-Redaktion

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