SIMCHAT TORAH
AM VORABEND DES FESTES

Simchat Torah und der Deal des Jahrhunderts
Am Vorabend des jüdischen Festes Simchat Torah, dem Fest der Torafreude, leuchtet die Welt auf eigentümliche Weise: Man beendet die Lesung des Deuteronomiumbuches - und beginnt im selben Atemzug von vorn im Buche Genesis. Ende und Anfang fallen also ineinander. Der Zyklus der göttlichen Geschichte kennt keinen Stillstand, aber Verwandlung. In diesem Licht wirkt die Freilassung der noch lebenden Geiseln aus dem Gazastreifen wie eine weltliche Variante desselben Geschehens - ein Augenblick der Erlösung, der zugleich den Beginn neuer Prüfungen markiert.

Dass Donald Trump, der wohl am meisten verachtete und zugleich am meisten bewunderte Politiker der Gegenwart, dieses Ereignis orchestriert hat, ist kein Zufall. Dieser Mann denkt nicht in diplomatischen Fußnoten, sondern in biblischen Kapiteln. Was er tut, ist nie nur Verwaltung, sondern soll Offenbarung werden. Seine Gegner nennen es Größenwahn – seine Anhänger nennen es Führung.

In seiner Rede vor der Knesset sprach Trump von einem „historischen Morgengrauen“, von „stillen Waffen“ und „aufgehenden Himmeln über einem heiligen Land“. Solche Sätze haben mit Liturgie und mit Politik zu tun. Man kann sie lächerlich finden – oder verstehen, dass sie ein anderes Publikum meinen - die Welt als Bühne göttlicher Symbolik ebenfalls. Trump gibt den Priesterkönig mitten in säkularer Zeit. Er weiß, dass Menschen keine Fakten lieben, sondern dass sie gern Dramen beiwohnen möchten. Daraus werden oft Fakten. 

Wer das kritisiert, mag denken, dass er damit Recht hat – aber damit irrt man wohl. Denn die Politik der Gegenwart ist nicht mehr der Ort des Wahren, sondern des Wirksamen. Und in dieser Kunst ist Trump ein Virtuose. Seine in den Augen  vieler verpönte Selbstüberhöhung ist Werkzeug des Erfolgs. Ohne sie keine Freilassung, kein Druck auf den Iran, keine ökonomische Selbstbehauptung gegen China und Europa. Seine Gegner halten Trump für einen Soziopathen. Er lacht darüber und sagt: „Bin ich gern. Und was seid ihr?“ Das ist entwaffnend. 

Gegen Trump steht eine ganze Welt - die Welt der Pazifisten und der Zwei-Staaten-Lösungs-Romantiker, die glauben, man könne die menschliche Natur per Friedensabkommen erlösen. Sie übersehen, dass der Mensch nicht nur zur Güte erzogen, sondern viel mehr zur Verantwortung gezwungen werden muss. Die Geschichte lehrt bisher nicht den Triumph des Guten, sondern die Notwendigkeit des Starken. Friede ohne Macht ist nur ein anderes Wort für leichtsinnige Ohnmachtsbereitschaft. und der Satz Frieden schaffen. Ohne Waffen ist ein Aphorismus. Mehr aber auch nicht.

Aber - und such das weiß heute jeder - besonders die Leute im Oval-Office: Der einflussreiche Machtmensch steht ebenfalls unter dem Gericht des Himmels. Das Fest der Tora erinnert: Kein Triumph ist endgültig, kein Vertrag ewig, kein Herr unantastbar. Wer heute befreit, kann sich schon morgen völlig verstrickt haben. Wer Frieden verkündet, kann damit schon den nächsten Krieg aussäen. Das ist so.

Vielleicht liegt die Wahrheit darin, dass Trump zum Werkzeug eines größeren Plans geworden ist. Entweder ohne es zu wissen, oder mit seinem Wissen. Die göttliche Pädagogik lehrt uns jedenfalls, dass der Frieden des Menschen zwar stets brüchig bleibt – aber gerade deswegen dann gefeiert werden muss, wenn er sich zeigt - wie heute am Vorabend des jüdischen Feiertags Simchat Torah.

Autor:

Matthias Schollmeyer

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