Pro und Kontra: Lockerungen für Geimpfte

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Immer mehr Menschen sind gegen Covid-19 geimpft. Dadurch mehren sich auch die Forderungen, für sie die Beschränkungen aufzuheben. Ist das vertretbar?

PRO
Petra Bahr, evangelische Regionalbischöfin aus Hannover und Mitglied des Deutschen Ethikrats, ist für Lockerungen. "Es geht nicht um Sonderrechte oder gar um Privilegien. Das ist ein gefährliches Missverständnis", betont sie. "Die Grundrechtseinschränkungen in der Pandemie-Bewältigung sind keine Lappalie. Wenn der Grund dafür entfällt, müssen die Einschränkungen aufgehoben werden."
Nun drohe ein neuer Generationenkonflikt. "Viele der jetzt Geimpften, Ältere, Vorerkrankte und Menschen in medizinischen Berufen haben monatelang in Isolation gelebt oder für andere viele Strapazen auf sich genommen", sagt die Theologin: "Ihnen mehr Freiheit im Alltag vorzuenthalten, bis die Mehrheit ebenfalls geimpft ist, ist deshalb kein Ausdruck von Solidarität, sondern eine falsch verstandene Gleichheitsvorstellung."
Es brauche einen "schonenden Umgang mit dieser Freiheit, die nicht auf Kosten derer gelebt wird, die noch lange auf Impfungen warten müssen. Das sind vor allem Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Denn auch sie haben sich monatelang für Ältere und Hochrisikogruppen massiv eingeschränkt." Diese Solidarität dürfe nun nicht bestraft werden: "Deshalb sind etwa Abstandsregeln und Masken im öffentlichen Raum für alle weiter zumutbar."
In einem ersten Schritt könnten Quarantänen und Testpflichten entfallen. "Ich finde es auch nicht unsolidarisch, wenn Kultureinrichtungen schneller öffnen dürfen, weil die Zahl der Geimpften rasant steigt. Auch dort geht es um Existenzen!" Allerdings müsse es bei der Debatte immer um die Freiheit aller gehen.

KONTRA
Volker Boehme-Neßler, Professor für Öffentliches Recht in Oldenburg, warnt vor den Verlockungen zu einfacher verfassungsrechtlicher Überlegungen. Lockerungen für Geimpfte würden als unverdiente Privilegien empfunden: "Das ignoriert das Gerechtigkeitsgefühl und birgt daher sozialen Sprengstoff."
"Wer früher geimpft wird, profitiert von der Solidarität und der Fairness der Stärkeren". Die praktizierte Impfpriorisierung sei ein wunderbarer Ausdruck einer humanen und zivilisierten Gesellschaft: "Sie schützt die Schwächeren und Verwundbaren. Die Stärkeren halten sich freiwillig zurück." Doch den Preis dafür zahlten vor allem die Jüngeren und Stärkeren. Auch sie fürchteten das Virus und seien zugleich voller Lebenshunger. "Es wäre ein starkes Gefühl von Unfairness, wenn die nichtgeimpften Jüngeren erleben müssten, wie die geimpften Älteren wieder alle Freiheiten auskosten." Und das, obwohl die Jüngeren den Älteren aus Solidarität bei den Impfungen den Vortritt gelassen hätten.
Deshalb müssten die Geimpften diese Solidarität erwidern, unterstreicht der Jurist: "Das bedeutet: Wir Geimpften nutzen unsere Freiheiten erst, wenn alle geimpft sind und frei sein können. Bis dahin halten wir uns an die Beschränkungen, die für alle gelten." Das Ziel, die demokratische Gesellschaft und das Gerechtigkeitsgefühl zu schützen, sei eine vom Grundgesetz akzeptierte Rechtfertigung, auch geimpfte Bürger an die Coronaregeln zu binden. "Freies Reisen für Geimpfte, unproblematische Besuche von Kinos, Bars und Restaurants oder Shopping ohne lästige Beschränkungen – das würde sicher in diese Kategorie fallen und wäre Gift für den demokratischen Zusammenhalt".

(epd) 

Petra Bahr | Foto: epd-bild/Jens Schulze
Volker Boehme-Neßler | Foto: Uni Oldenburg
Autor:

Online-Redaktion

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