Neuanfang vor 75 Jahren

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Von Axel Noack

Nun soll in unseren Kirchen eine neuer Anfang gemacht werden“, so lautet einer der entscheidenden Sätze des Stuttgarter Schuldbekenntnisses vom Oktober 1945. „Gegründet auf die Heilige Schrift, mit ganzem Ernst ausgerichtet auf den alleinigen Herrn der Kirche, gehen sie daran, sich von glaubensfremden Einflüssen zu reinigen und sich selber zu ordnen.“
Es war nach dem Zusammenbruch der kirchlichen Leitungen in (Alt-) Preußen schnell deutlich, dass es unmöglich wäre, dort weiter zu machen, wo man 1933 aufgehört hatte. Selbst das ziemlich deutsch-christlich eingefärbte Magdeburger Konsistorium konnte sich dem letztlich nicht entziehen. Und so beschlossen am 8. August 1945 drei „Gruppen“ aus der Kirchenkampfzeit, nämlich die Bekennende Kirche, vertreten durch Superintendenten Ludolf Müller, der gemäßigte Einigungsausschuss für die Provinz Sachsen, vertreten durch den Halleschen Professor Friedrich Karl Schuhmann, und das Konsistorium in Magdeburg, vertreten durch seinen Präsidenten Otto Fretzdorff, nach langwierigen Verhandlungen die Bildung einer „Vorläufigen Geistlichen Leitung“ (VGL). Schon hier wurde deutlich, dass es vor allem darum gehen würde, den übergroßen Einfluss der Verwaltung auf die Kirchenleitung zurückzunehmen.
Diese VGL wurde bald um Laien erweitert und nannte sich dann ab Januar 1946 „Vorläufige Kirchenleitung“ (VKL). Sie organisierte die Neuwahl zu Gemeindekirchenräten und Kreissynoden und berief für den Herbst 1946 die erste Tagung der Provinzialsynode nach Halle ein. Sie wurde zur ersten Tagung der Provinzialsynode nach 1929 und verabschiedete im November 1946 auch eine Kirchenordnung, die allerdings nur zwei Seiten umfasste. Außerdem wurde ein Bischofswahlgesetz in Kraft gesetzt.
Im Kirchenkampf war allen Beteiligten deutlich geworden, dass es ohne Gehorsam gegenüber Gottes Wort nicht gehen würde und dass das Neue Testament selbst heranzuziehen sei, wenn man daran ginge, sich als Kirche neu zu ordnen. Die Bekennende Kirche hatte erkannt, dass Bekenntnisfragen genauso wichtig sein würden wie Rechtsfragen. Darüber wurde daher relativ schnell Einigkeit erzielt: Es würde nicht angehen, einfach eine neue Verfassung zu entwerfen. Vielmehr wollte man sich an den alten Kirchenordnungen der Reformationszeit orientieren und nun eine "Kirchenordnung", die auch Aussagen zu Glaubensgrundlagen und Bekenntnis enthält, ausarbeiten.
Besonders dem späteren langjährigen Präses unserer Kirche, Lothar Kreyssig, lag daran, auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den klassischen Aspekten der verschiedenen kirchenleitenden Elemente zu achten. Es sollte zwischen konsistorialen (= Verwaltung), episkopalen (= geistliche Aufsicht) und synodalen Anteilen an der Kirchenleitung ein genau durchdachtes und abgewogenes Verhältnis geben. Hier orientierte sich die neue Grundordnung völlig anders als die alte APU-Verfassungsurkunde, die vornehmlich die „äußeren Angelegenheiten“ der Kirche zu regeln vorgab. Damals war es der allmächtige Berliner Oberkirchenrat (EOK), der die eigentliche Leitung der Kirche innehatte.
Außerdem wurde die große altpreußische Landeskirche aufgelöst und jede Provinz sollte nun eine eigene Landeskirche bilden. Für die KPS war zunächst sogar an den Namen „Evangelische Landeskirche der Kirchenprovinz Sachsen" gedacht worden. Erst 1949 verständigte man sich dann auf den Namen „Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen“.
Auch territorial musste neu überlegt werden. Präses Müller berichtet 1946: "So ist denn, sowohl von der Provinzialverwaltung in Halle, wie von der Landesverwaltung in Weimar, der Wunsch an uns herangetragen, daß die Grenzen unserer Provinzialkirche entsprechend den Grenzen der staatlichen Verwaltungsbezirke geändert werden, d. h., daß der bisherige Regierungsbezirk Erfurt sich kirchlich an die Thüringer Lutherische Kirche angliedert, und daß dafür die Anhaltische Landeskirche an die Sächsische Provinzialkirche angegliedert wird. Wir haben uns bisher nicht dazu verstehen können, diesem Wunsche zu entsprechen."

Der Vorsitzende des synodalen Rechtsausschusses, Propst Franz-Reinhold Hildebrandt, nannte 1947 fünf Grundsätze für die zu erarbeitende Ordnung:
1. Recht verstandene Konfession bedingt eine echte Union!
2. Die Grundordnung ist geistlich und inhaltlich getragen von der Barmer Theologischen Erklärung.
3. Im Verhältnis zur “Volkskirche” gewinnt die “Kerngemeinde” eine besondere Bedeutung.
4. Die Verantwortung der “Laien” wird deutlich gestärkt.
5. Die Kirchenleitung beruht auf bruderschaftlich-synodalen Grundsätzen.

Demnach sollte vor allem an der „Union“, also der kirchlichen Gemeinschaft von lutherischen und reformierten Kirchengemeinden, festgehalten werden. Dass eine so starke Ausrichtung auf die „Kerngemeinde“ erfolgte, wird zehn Jahre später heftig umstritten sein.
Am 30. Juni 1950 trat die neue Grundordnung der KPS in Kraft. Das renommierte Kirchliche Jahrbuch schreibt im gleichen Jahr: "Die 187 Artikel umfassende Grundordnung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen ist nicht nur von einer großen Ausführlichkeit, sie ist auch mit einer besonderen Hingabe in geistlicher und theologischer Hinsicht gearbeitet. Das wird in der Fassung aller Bestimmungen sichtbar, kommt aber natürlich an grundlegend wichtigen Stellen stärker heraus, wie z. B. in den Artikeln des grundsätzlichen Teils." Kirchenprovinz: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die ehemalige Kirchenprovinz Sachsen 1947 eine selbst-ständige Landeskirche mit Sitz in Magdeburg und einem Bischof an der Spitze.

Der Magdeburger Dom, Bischofs-kirche der KPS  | Foto: Foto: Viktoria Kühne
Autor:

Online-Redaktion

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