Reiner Haseloff
Berührende Geschichte, schwere Entscheidungen

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Reiner Haseloff: Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt gilt als prinzipientreu, wertkonservativ und fest verwurzelt im Glauben. Bei der Landtagswahl 2026 will er nicht noch einmal antreten – Zeit, zu reflektieren. Nun hat er ein Buch vorgelegt, das im vielstimmigen Chor der Politikerpublikationen eine wohltuende Ausnahme bildet.
Von Stefan Rhein
In Reiner Haseloffs Buch wird keine geputzte Fassade präsentiert. Stattdessen lesen wir von einem 71-Jährigen, der sich selbst in großer Ehrlichkeit befragt, der nach den Persönlichkeiten sucht, die ihn geprägt haben, und seine intellektuellen, geistlichen und spirituellen Fundamente reflektiert. Aufgewachsen in einer katholischen Familie und getragen von einer aktiven Kirchengemeinde und insbesondere der Kolpingfamilie geht der junge Haseloff den schwierigen Weg eines aufrechten Christen in der religions- und kirchenfeindlichen DDR.
Die enge Bindung an die westdeutschen Diözesen bringt inspirierende Priester in die ostdeutsche Diaspora, die zugleich Brücken in die Welt jenseits der Mauer schlagen.
Ein spannendes Kapitel widmet Haseloff den Plänen des Vatikans, die ostdeutschen Administrationen der katholischen Kirche zu eigenen Diözesen zu erheben und so die Trennung zwischen West und Ost auch kirchenpolitisch dauerhaft zu zementieren. Pläne, die die Katholiken vor Ort ablehnten. Der im Vatikan für den Beibehalt der Einheit von West- und Ostgebieten innerhalb einer katholischen Diözese flehende und vor Verzweiflung weinende Kardinal Bengsch (1921‒1979) gehört zu den berührendsten Geschichten, die Haseloff mit Anteilnahme und großem Respekt vor dem Kardinal erzählt.
Nicht nur die Tatsache, dass diese Vatikan-Initiative von Papst Johannes Paul II. beendet wurde, macht den polnischen Papst zu einem besonderen Helden Haseloffs. Immer wieder zeigt er großes Verständnis für dessen Entscheidungen, etwa bei der Berufung Kardinal Meisners 1989 ins Erzbistum Köln, und weist auf die besondere Sozialisation und Prägung eines Katholizismus hin, der sich im kommunistischen Staat bewähren musste: Ihm ist die Gottesfrage zentral, persönliche Frömmigkeit steht im Mittelpunkt, die Orientierung an Rom ist fest, das langwierige Debattieren über Strukturfragen ist für ihn eher Nebensache.
Der Politiker Haseloff weiß sich auf einer festen christlichen Basis, die ihm auch in der Tagespolitik, etwa bei den schwierigen Entscheidungen während der Corona-Pandemie, eine Richtschnur des Denkens und Handelns bietet. Hier ist ihm der katholische Philosoph Josef Pieper (1904‒1997) ein Vorbild, vor allem dessen Überlegungen über die Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung.
Auf kleine tagespolitische Spitzen kann ein Vollblutpolitiker wie Haseloff nicht völlig verzichten, etwa wenn er bei „zu grüner Politik“ die Gefahr der Arbeitsplatzvernichtung sieht. Auch spürt man, wie sehr ihn die Auseinandersetzungen um die Rundfunkgebühren, die im Dezember 2020 fast zum Bruch der damaligen schwarz-rot-grünen Koalition führte, bis heute umtreiben. Doch weitaus mehr lässt ihn eine Zahl nicht ruhen: Nur noch fünf Prozent der Neugeborenen werden heute in Ostdeutschland getauft!
Ein leidenschaftliches Plädoyer richtet Haseloff an Kirchenleitungen und Universitätstheologie, sich auf der Grundlage ihrer christlichen Werte, etwa nach dem Modell der katholischen Soziallehre, in die gesellschaftspolitischen Debatten einzumischen, öffentliche und mediale Präsenz zu zeigen und Resonanz auch außerhalb der engen Kirchenmauern zu suchen.
Haseloff, Reiner: Christliche Werte leben – Politik gestalten, St. Benno Verlag Leipzig, 95 S., 14,95 Euro, ISBN 9783746268606
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Autor:Online-Redaktion |
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