Vorgestellt: Sterbeammen
Wenn der Tod plötzlich kommt

Nicole Füngerlings begleitet als Sterbeamme vor allem Angehörige. | Foto: Andreas Boueke
  • Nicole Füngerlings begleitet als Sterbeamme vor allem Angehörige.
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Wenn eine Todesnachricht überbracht wird, sind oft Kinder betroffen. Eine Frage steht immer im Raum: Wieso hat Gott das zugelassen? In einer solchen Situation kann die Unterstützung durch eine Sterbeamme helfen. Sie begleitet Sterbende, steht Angehörigen zur Seite oder arbeitet mit Schulklassen.

Von Andreas Boueke

Nicole Füngerlings wird vor allem dann angefragt, wenn der Tod plötzlich und unerwartet gekommen ist. Immer wieder stand sie in Begleitung des Polizisten Johannes Meurs vor Wohnungstüren, um eine Todesnachricht zu überbringen. In manchen Fällen ist der Kreis der Betroffenen groß. „Wenn zum Beispiel in einer Schulklasse ein Stuhl leer bleibt“, sagt Meurs, „dann kann eine gute Begleitung sehr hilfreich sein.“

Nicole Füngerlings sitzt an ihrem Schreibtisch. Hinter ihr steht ein Regal voller Akten, in denen sie ihrer Fälle dokumentiert hat. Sie greift sich einen Ordner und blättert. „Puh. Das war echt ein schlimmer Unfall.“ Sie kneift die Lippen zusammen. „Damals hat mich die Schule angerufen und gefragt: ›Können Sie sich vorstellen, was mit der Schulklasse zu machen?‹“ Anfangs war der Klassenraum voller traurigen Schweigens. Dann fragte Nicole Füngerlings, ob die Klasse zur Beerdigung gehen möchte: „Wenn ja, was nehmt ihr mit? Traut sich jemand, zur Familie zu gehen? Was möchtet ihr gestalten?“

Dann hat die Gruppe ein Tuch für den Verstorbenen dekoriert, mit Zeichnungen, Drucken und Texten. „Das war eine tolle Erfahrung für alle, auch weil der verstorbene Junge letztlich im Sarg in das Tuch eingewickelt wurde.“

Die Bandbreite der Reaktionen ist groß: Erstarren, Fassungslosigkeit, Schreien, Wut, Wüten. Eine Sterbeamme weiß nie, was sie erwartet. „Eins aber ist sicher“, sagt Füngerlings. „Es ist immer ein Schock, wenn jemand aus dem Nichts gesagt bekommt, dass ein lieber Mensch tot aufgefunden worden ist.“

Das kann der pensionierte Polizist Johannes Meurs bestätigen. „Und dann sind natürlich Menschen wie Frau Füngerlings Gold wert, die nicht zuerst nach Geld fragen, sondern sagen: ›Ja, ich bin erst mal da.‹“ Wer sich als Sterbeamme selbstständig machen und davon leben will, braucht ein großes Netzwerk. Dazu gehören Jugendämter, Familienzentren, Kirchengemeinden, karitative Organisationen und eine ordentliche Portion Gottvertrauen: „Ich hatte da nie Zweifel“, sagt Füngerlings.

Am nächsten Tag trifft sich die Sterbehebamme mit der elfjährigen Mia. Das Mädchen kommt seit zwei Jahren in die Beratung. Mias Mutter hatte einen Hirntumor und ist nach einer Operation in ein Wachkoma gefallen und später gestorben. Mia kommt in Begleitung ihrer Großmutter. Füngerlings begrüßt ihren Schützling mit den Worten: „Boh Mia. Was soll ich sagen? Was für ein Scheiß.“ Das Mädchen setzt sich auf ein Sofa und lächelt. „Ja wirklich“, antwortet sie. „Aber so langsam habe ich mich dran gewöhnt.“

Die beiden sprechen darüber, wie das Mädchen von dem Tod ihrer Mutter erfahren hat, und wie sie sich jetzt damit fühlt. Die Sterbeamme schlägt vor, eine Kerze für die Tote zu dekorieren. Mia ist einverstanden. „Früher war ich oft traurig“, sagt sie. „Im Krankenhaus konnte ich meine Mutter nur manchmal sehen. Aber seit ich zu Nicole komme, spüre ich das nicht mehr so. Wir haben ganz viel darüber gesprochen.“ Die Großmutter ist froh und dankbar für die Unterstützung der Sterbeamme: „Die Begleitung trägt Früchte.“

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