Seelsorge und Beratung
"Man kann vor den Eltern nur den Hut ziehen"

Telefonseelsorge: 7000 Beratungskräfte sind in 104 Stellen bundesweit im Dienst.  | Foto: epd-bild/Meike Böschemeyer
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Bei Katastrophen und in Krisen hilft es, zu reden und die Herausforderungen ganz in Ruhe zu sortieren", sagt Dorothee Herfurth-Rogge. Die Pfarrerin ist Stellenleiterin der Telefonseelsorge in Halle und weiß um dieses Bedürfnis, das in der Zeit des Lockdowns nicht wenige Menschen hatten. In Halle habe es von März bis Mai 40 Prozent mehr Anrufe gegeben als vor den Corona-Maßnahmen. Vorwiegend ältere und kranke Menschen seien unter den Anrufern gewesen. "Einsamkeit war in den Gesprächen ein großes Thema", sagt Herfurth-Rogge.

Von Beatrix Heinrichs

Bundesweit ist nach Angaben der katholischen Konferenz für Telefonseelsorge die Zahl der Anrufe von durchschnittlich 2500 Anrufen pro Tag in normalen Zeiten ab dem 22. März auf 3200 gestiegen. Die Zahl der Anrufer, die generell Ängste ansprachen, habe sich demnach verdoppelt. Viele Fragen hätten die Unsicherheit der Menschen mit der Situation gespiegelt. Auch Eltern hätten zum Hörer gegriffen. "Man kann vor den Eltern nur den Hut ziehen. Aber zwischen Home-office und Kinderbetreuung sind in vielen Familien Probleme aufgebrochen, die es vor Corona sicher auch schon gab, die möglicherweise aber nicht so offensichtlich waren", meint Herfurth-Rogge. "Gerade hier haben wir versucht, mit Kreativität und Fantasie gemeinsam Lösungen zu finden. Manchmal braucht es nur einen Impuls, um die Dinge aus einer neuen Perspektive zu sehen. Das ist der eigentliche Kern unserer Arbeit."

"Es braucht nur einen Impuls, um die Dige aus einer neuen Perspektive zu sehen"

Dass sich eine vielleicht ohnehin schon problematische Situation in manchen Familien mit den Kontaktbegrenzungen wie unter einem Brennglas noch verstärkt habe, hat auch Katrin Teichmüller erfahren. Die Leiterin der Familienberatung der Diako Thüringen in Gera und ihr Team haben in den ersten Monaten ihre Arbeit ganz auf Telefon- und E-Mail-Beratung umstellen müssen.
Schulische Probleme seien dabei weniger ein Thema gewesen als die Beziehungsgestaltung innerhalb der Familie als solche. "Besonders schwer war diese Zeit für jene Familien, bei denen die Eltern in Trennung leben oder die von jetzt auf gleich ihr behindertes Kind ganztags zu Hause betreuen mussten", so Teichmüller. Je nach Lebenssituation habe man so Unterstützung in Erziehungsfragen gegeben, zu Themen wie Umgangsrecht und Betreuungszeit beraten und zuletzt über den Anspruch auf den sogenannten Corona-Bonus für Familien informiert. "Was wir tun konnten, war Unsicherheiten zu nehmen, um so ein Stück zur Beruhigung der familiären Situation beizutragen", sagt Teichmüller. Von einem generellen Anstieg der Beratungsfälle möchte sie aber nicht sprechen. "Wir hatten zwar einige Neuanmeldungen. Dafür haben aber wiederum andere Familien ihre Beratung in dieser Zeit pausiert."
Dennoch seien die Monate auch für die Arbeit in ihrem Team in der Geraer Beratungsstelle eine Herausforderung gewesen, so Teichmüller. "Die Mütter und Väter haben in dieser Zeit entweder sehr früh am Morgen oder spät am Abend Zeit für ein Gespräch finden können. Über den Tag hinweg waren sie mit Job und Kinderbetreuung beschäftigt. Da fehlte häufig die Ruhe." Damit hätten sich auch die Arbeitszeiten in der Beratungsstelle verschoben. "Es gab gerade in dieser Zeit ein großes Engagement im Team und Verständnis in den Familien der Mitarbeiter, Privates und Dienstliches flexibel zu vereinbaren", erklärt die Stellenleiterin.
Auch bei der Telefonseelsorge in Halle sei man personell gut durch die Zeit gekommen, meint Herfurth-Rogge. "Sogar ehemalige ehrenamtliche Mitarbeiter haben ihre Unterstützung angeboten, um diese Herausforderung zu meistern. Dafür waren wir wirklich dankbar."

Autor:

Beatrix Heinrichs

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