Inklusion
Behinderung und Elternschaft: «Für mich grenzte es an ein Wunder»

Gott sieht uns, so wie wir sind: Elisabeth Krotzek-Deibert und ihr Mann Reimar Deibert aus Osnabrück sind Eltern von drei Kindern. | Foto: epd-bild/Detlef Heese
  • Gott sieht uns, so wie wir sind: Elisabeth Krotzek-Deibert und ihr Mann Reimar Deibert aus Osnabrück sind Eltern von drei Kindern.
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Verliebt, verheiratet, vereinnahmt – Familie kann wunderschön und genauso anstrengend sein. «Obwohl es nicht immer einfach ist, wollte ich von Anfang an nicht nur ein Kind», erzählt Elisabeth Krotzek-Deibert aus Osnabrück.

Von Christa Roth

Sich mit einem Partner die Familienarbeit zu teilen, das ist für die verheiratete Mutter von drei Kindern im Alter von zwei bis neun Jahren aber nicht so einfach möglich. Ihre Praxis als Ergotherapeutin hat sie nach der Geburt des zweiten Kindes geschlossen. Sie war überlastet, wie sie sagt.

Es ist nicht so, dass ihr Mann sich aus der Verantwortung stiehlt. Im Gegenteil, er tut, was er kann. Aber Reimar Deibert ist seit einem Badeunfall als Siebzehnjähriger querschnittsgelähmt.

Er und seine Frau stammen aus dem gleichen Ort, man kennt sich von klein auf. Aber erst auf einer Party, Jahre später, kommen die beiden ins Gespräch.  Krotzek-Deibert erinnert sich: «Bis auf seinen Rollstuhl war alles ganz normal.» Er imponiert ihr. Kurz darauf werden die beiden ein Paar. «Nur weil er körperlich behindert ist, eine Beziehung auszuschließen? Wäre mir nie in den Sinn gekommen.» Angst hat Krotzek-Deibert nicht zugelassen. Dafür gab es keinen Grund, fand sie. Reimar Deibert hat sein Schicksal früh akzeptiert und seine Energie gegenwärtigen Herausforderungen gewidmet, wie er sagt. Heute arbeitet er als Lehrer.

In Deutschland leben rund 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen. 2017 wurde das Bundesteilhabegesetz zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung auf den Weg gebracht, die Statistik zählte damals in Deutschland etwa 1,8 Millionen Behinderte, die Vater oder Mutter waren. Erst seit 1994 gilt laut Grundgesetz: Kinder zu bekommen ist ein Menschenrecht. Niemandem darf aufgrund seiner Behinderung ein Nachteil entstehen oder das Kind weggenommen werden. Bundesregierung und Bundesländer haben sich auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, Eltern mit Behinderung zu entlasten.

Weil Elisabeth Krotzek-Deibert ihren Mann im Alltag unterstützt, kann sie wöchentlich 30 Stunden Arbeit bei der Pflegekasse anmelden und Rentenbeiträge zahlen. Hürden muss die fünfköpfige Familie trotzdem meistern. «In Deutschland ist wenig barrierefrei», sagt Krotzek-Deibert. Für ihr Haus in Osnabrück haben sie in einen Fahrstuhl investiert. Finanziellen Zuschuss für den 30 000 Euro teuren Einbau gab es von einer Bank und den Schwiegereltern, vom Staat kamen 5000 Euro.

Den Kinderwunsch der beiden konnte die absehbar nicht ganz einfache gemeinsame Zukunft nicht trüben. «Ob das klappen und wie wir das alles stemmen würden», betont Reimar Deibert, «darüber haben wir uns keine Gedanken gemacht». Umso glücklicher ist er, dass es funktioniert hat. Seine Frau formuliert es noch deutlicher: «Dass mein Mann und ich auf natürlichem Weg drei Kinder bekommen haben, hat niemanden groß interessiert. Für mich grenzte es dagegen an ein Wunder.»

Krotzek-Deibert sagt, dass ausschließlich sie koche, aus Sorge, ihrem Mann könnte mit seinen Handicaps ein Missgeschick passieren. Auch Spaziergänge mit den Kindern konnte er zunächst nicht alleine machen. Was, wenn ein Kleinkind ihm davonläuft? Inzwischen sind die Kinder groß genug, um die Dimensionen von Deiberts Behinderung zu begreifen. Etwa, dass ihr Papa nicht überall mit hinkommen kann wie andere Väter. «Wenn unsere Kinder bestimmte Reaktionen mitbekommen oder generelle Unterschiede, reden sie im Zweifel darüber. Wenn nicht mit mir, dann mit meiner Frau», berichtet Reimar Deibert.

Seit der Geburt ihres ersten Kindes gehören die Deiberts dem Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern (bbe e.V.) an. Er berät und begleitet auch bei Teilhabeleistungen wie der Elternassistenz, mit der Mütter und Väter bei der Betreuung ihrer Kinder unterstützt werden. Wichtig sei, den im Haushalt lebenden Kindern nicht zu viel zuzumuten, betont Verbandsvertreterin Kerstin Blochberger: Kinder sollten Kinder sein, keine Assistenten, sonst drohe eine klare Überforderung.

Bei Familie Krotzek-Deibert kommt der Kleinste bald in den Kindergarten, die jüngere Tochter in die Schule. Wieder ins Berufsleben einzusteigen, ist für die Ergotherapeutin Elisabeth Krotzek-Deibert nur eine Frage der Zeit. Und auch ihre katholische Prägung helfe ihr, sagt sie: «Dieser Gottesglaube hat auch den Glauben an die Gemeinschaft gestärkt. Gemeinsam schaffen wir das.» 

(epd)

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