Ein Vierteljahrhundert an der Seite Sterbender
"Wenn er mich ruft, bin ich soweit"

Ausgezeichnet: Für ihr Engagement wurde Elinor Schönherr kürzlich mit der Thüringer Rose geehrt. | Foto: Constanze Alt
  • Ausgezeichnet: Für ihr Engagement wurde Elinor Schönherr kürzlich mit der Thüringer Rose geehrt.
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Es sei die Art und Weise gewesen, wie zu DDR-Zeiten nicht selten im klinischen Bereich mit Sterbenden umgegangen worden sei, die ihr weh getan habe – damals als Schwesternschülerin am Jenaer Uniklinikum.

Von Constanze Alt

Elinor Schönherr, eine so angenehme wie kultivierte Person, schenkt Kaffee nach in ihrem gemütlichen Haus in Jena-Cospeda. Die 75-Jährige sitzt mit dem Rücken zum Klavier, auf dem ein Porträtbild ihres verstorbene Mannes steht. Auf diese Weise sei er gleichsam auch mit dabei, sagt sie.

Ein Hirntumor hatte ihn vor ein paar Jahren aus dem Leben gerissen. Ihn, der die einzige Liebe ihres Lebens gewesen war. Er Arzt, sie Krankenschwester. Gleichalt waren sie gewesen, hatten sich gleich am Anfang ihrer Ausbildung in Jena getroffen und waren immer zusammengeblieben. Am Ende seines Lebens hat sie ihn gepflegt und beim Sterben begleitet, erzählt sie. Der Herbstwind weht indes die bunten Blätter durch den Garten.

Elinor Schönherr, die beim Hospizverein Jena im ambulanten Dienst ehrenamtlich als Sterbebegleiterin tätig ist, wurde kürzlich für ihr Engagement mit der Thüringer Rose ausgezeichnet, die für ehrenamtliche soziale Arbeit vergeben wird. Seit sich der Verein 1995 gegründet hatte, war sie mit dabei gewesen. Zunächst hatte sie sich um die Finanzen gekümmert. 2010 schließlich absolvierte sie eine Weiterbildung zur ehrenamtlichen Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen und ihrer Angehörigen.

„Ich gehe zu den Menschen nach Hause oder ins Pflegeheim. Auch Nachtwachen auf der Palliativstation habe ich schon gemacht“, sagt die gläubige Christin. „Ich bin evangelisch, begleite aber alle Menschen, egal welcher Konfession und welcher Gedanken sie sind. Das ist mir wichtig“, betont sie.

„Gerade Schwerstkranke und Sterbende brauchen unsere Hilfe, und sie brauchen ihre Würde. Es ist wichtig, dass diese Menschen und ihre Familien jemanden haben, der ihnen beisteht“, sagt Elinor Schönherr. Gerade, wenn man jemanden über einen längeren Zeitraum begleite, sei es manchmal schwierig und dennoch unbedingt nötig, sich abzugrenzen. Früher habe ihr ihr Mann in solchen Momenten Halt gegeben, heute hört sie Musik, um den Kopf dann wieder freizubekommen.

Sie erzählt von einem Physiker, der im Alter an der Alzheimerschen Krankheit gelitten hatte. Ein „ganz feiner Mann“ sei er gewesen. Sie kannte ihn „von früher“. Zwei Jahre hatte sie begleitet, wie er immer ein Stück mehr aus der Welt ging. Nicht mehr sprechen hatte er können, aber sie wären gelegentlich eine Runde gegangen, hätten gemeinsam Musik gehört oder Abendbrot gegessen. „Man gibt etwas und bekommt etwas zurück“, sagt die ehemalige Pflegedienstleiterin, die inzwischen ehrenamtliche Trauerbegleitung bei der Ehefrau des Physikers leistet.

Sterben begreift Elinor Schönherr als einen ganz normalen Vorgang, wie sie erklärt: „Ich bin schon in einem Alter, in dem man ernsthaft darüber nachdenkt. Ich habe keine Angst davor, da es zum Leben gehört. Ich lebe jetzt und genieße mein Leben. Ich kümmere mich um meine Familie und bin Sammel- und Anlaufpunkt für meine drei Kinder und acht Enkel. Aber wenn mein Mann mich ruft, bin ich soweit."

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Online-Redaktion

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