Predigttext
Vergessene Lebenskunst

Ralf-Peter Fuchs, Superintendent im Kirchenkreis Eisenach-Gerstungen | Foto: privat
  • Ralf-Peter Fuchs, Superintendent im Kirchenkreis Eisenach-Gerstungen
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Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Matthäus 3, Vers 2a

Es gibt eine weit verbreitete Lebenslüge: Wenn in meinem Leben etwas gut läuft, dann war ich das. Wenn etwas schief läuft, waren es die anderen. Schuld ist dann die verzwickte Familiengeschichte, die verkehrte Politik, die miesen Rahmenbedingungen, eine Kette unglücklicher Umstände, der Nachbar, der unmögliche Chef oder der andere, der mal wieder angefangen hat. All diese Erklärungen und Begründungen mögen entlastend wirken. Sie mögen nicht einmal ganz falsch sein. Aber man degradiert sich damit auch zum Rädchen im Getriebe der Verhältnisse und zum willenlosen Objekt. Wer immer nur die anderen schuld sein lässt, behauptet damit, dass er als Mensch nur noch Spielball der Fremdbestimmung oder ein gedankenloses Treibholz im Strom der Umstände ist. Man nimmt sich die Würde, noch ein Mindestmaß an Eigenverantwortung für sein Leben zu haben.
Am Sonntag begehen viele Gemeinden den Gedenktag an Johannes den Täufer. Im Mittelpunkt seiner Botschaft steht der Ruf: Tut Buße! Also: Kehrt um, denkt um, richtet euer Herz neu aus! Erkennt euren Anteil an dem, was nicht gut läuft! Bei Johannes dem Täufer klingt das nach einem Drohruf. Im Kern aber ist es ein Lockruf, wieder zum Subjekt seines eigenen Lebens zu werden. In der Buße liegt eine große Kraft. Es ist die Kraft, trotz aller schwierigen Umstände, Verantwortung zu übernehmen für sein Leben. Wer das eigene Versagen zulassen kann, behält sich die Möglichkeit der Reifung und Neuausrichtung seines Lebens. Man kann keine neuen Wege gehen, wenn man sich für die alten Wege als unzuständig erklärt.
Ein „Rädchen im Getriebe“ und ein „Spielball der Umstände“ kann weder reifen noch etwas ändern. Buße ist der erste Schritt aus der eigenen Unmündigkeit. Die wache Klarheit der Buße ist die Schwelle auf dem Weg zur eigenen Reifung. Der große geistliche Lehrer Igumen Nikon (1894–1963) schreibt in einem seiner Briefe den Satz: “Bitte Gott, den Herrn, innig um die größte und notwendigste aller Gaben: die eigenen Sünden zu sehen und darüber zu weinen. Wer diese Gabe besitzt, besitzt alles.“ Könnte ja immerhin sein, dass die Buße eine vergessene Lebenskunst ist, die helfen könnte, manches in dieser Welt zum Besseren zu wenden.
Ralf-Peter Fuchs

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Online-Redaktion

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