Glaubensserie (22): Der barmherzige Samariter
Der Nächste, bitte!

Sich einander zuwenden, Nähe zulassen und dem anderen wertschätzend begegnen, das ist gelebte Nächstenliebe. | Foto: ake1150 – stock.adobe.com
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  • Sich einander zuwenden, Nähe zulassen und dem anderen wertschätzend begegnen, das ist gelebte Nächstenliebe.
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In der Bibel gibt es zahlreiche Gebote, allein in den fünf Büchern Mose – der Tora – sind es 613. Um das höchste Gebot und wie es Jesus erkärt, geht es in dieser Folge der Glaubensserie.

Von Christoph Stolte

Ein „Gesetzeslehrer“ versucht Jesus „aufs Glatteis“ zu führen: „Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?“ In meinen Worten: Was bedeutet es denn zu glauben? Jesus antwortet klug, indem er aus der Tora zitiert, aus unserem gemeinsamen Fundament als Juden und Christen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Glaube bedeutet, sich selbst und sein ganzes Leben Gott anzuvertrauen, mit Herz und Verstand. Und dieses ist nicht nur eine innere Haltung, sondern zieht ein konkretes Verhalten nach sich:eben den Nächsten und sich selbst zu lieben, anzuerkennen, wertzuschätzen, seine Würde zu achten.

Christoph Stolte | Foto: Diakonie Mitteldeutschland
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Der Gesetzeslehrer ist unzufrieden mit Jesu Antwort und setzt nach: „Wer ist denn mein Nächster?“ Jesus antwortet mit der einprägsamen Erzählung vom barmherzigen Samariter. Diese gehört nicht nur zu den biblischen Erzählungen, sondern sie ist kultur- und gesellschaftsprägend. Zwei Menschen gehen an einem Menschen vorüber, der offensichtlich Hilfe benötigt. Sie haben „Wichtigeres“ zu tun, sind in Eile.

Ausgerechnet ein Samariter, ein Fremder, wendet sich ihm zu, denn es „jammerte ihn“. Die Not des anderen erreicht sein Herz, er lässt sich innerlich ansprechen. So leistet er eine Notversorgung, einen Krankentransport und sichert die Zeit der Genesung ab. Kein frommes Wort, sondern eine wirklich helfende Handlung. Die Frage nach Schuld oder einem Schuldigen ist unwichtig. Es geht um das Leben. Es geht um die Würde des Menschen, die zwar unveräußerlich, aber sehr verletzlich ist.

Der Podcast zur Serie

Am Ende der Erzählung stellt Jesus eine Frage: „Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste geworden dem, der unter die Räuber gefallen war?“ Jesus fragt aus der Perspektive des Menschen in Not. Wen hat er für sich als zugewandt und unterstützend erlebt? Ob ich der Nächste eines anderen Menschen bin, entscheide nicht ich selbst, sondern das Erleben des anderen. Nicht wie ich mich als Helfender sehe ist bedeutsam, sondern dass der andere mich als einen solchen erfährt.

Das Evangelium stellt uns auch heute die Frage nach dem Nächsten. Dass es um Menschen geht, denen ich unmittelbar begegne, Familie, Freunde, Nachbarn, ist Konsens. Geht es auch um fremde Menschen auf der Straße?

Sehr verschieden sind die Ansichten in Bezug auf Menschen, die ich nicht persönlich kenne. Beispielsweise Menschen, die in unserem wohlhabenden Land Zuflucht, einen sicheren Lebensort, eine Lebensperspektive suchen. Sind das auch meine Nächsten? Sollen ihre Ehepartnerinnen und Kinder nachziehen dürfen? Sie merken: Jetzt wird es politisch. Da gibt es unterschiedliche Argumentationen. Nehmen wir die seelische Not von Menschen wahr, die bei uns Schutz finden und denen wir zugleich zumuten, über viele Jahre von ihrer Familie getrennt zu sein? Sehen wir die Seelen der Kinder, die ohne ihre Väter oder Mütter aufwachsen müssen? Lassen wir ihre innere Not an uns heran?

Ich denke, eine Gesellschaft in christlich-jüdischer Tradition sollte hier weitherzig sein und das Zusammenleben von Familien an einem sicheren Ort ermöglichen. Nächstenliebe bedeutet für mich auch, Menschen in der Ferne bewusst in den Blick zu nehmen und für eine Gesellschaft einzutreten, in der jeder ohne Not in Würde leben kann, hier und dort. Das ist eine große Aufgabe, die Weitblick, Mut und viel Barmherzigkeit benötigt.

Gilt Nächstenliebe auch für mich selbst? „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Erlebe ich mich so, dass ich mir selbst guttue? Achte ich die Grenzen meiner Seele und meines Körpers, oder überfordere ich mich jeden Tag immer wieder neu? Will ich ein anderer sein, als der ich bin? Jesus betont, dass das Vertrauen auf Gott sich darin zeigt, wie mich der andere wahrnimmt und ebenso, wie ich mich selbst wahrnehme.

Auch diese Dimension des Glaubens ist Ausdruck von Gottvertrauen. In der Diakonie haben wir immer wieder die Hilfe für den anderen weit mehr betont als einen gesunden Umgang mit uns selbst. Darüber sind teilweise Menschen entkräftet, ja auch verbittert worden. Das gut Gemeinte war dann doch nicht immer gut. Es hat auch andere entmündigt, weil der Helfende meinte zu wissen, was für den anderen gut ist, und ihn damit in seiner Würde verletzt hat.

Das Evangelium vom barmherzigen Samariter fordert uns immer neu heraus – gerade dann, wenn wir fragen, wer mich persönlich, wer unsere Gesellschaft, unser Land als unterstützend, seine Würde wahrend erlebt.

Gesprächsimpulse

  • Warum fällt es uns leichter, von manchen Menschen Hilfe anzunehmen als von anderen?
  • Wann sind Sie zuletzt für einen anderen zum Nächsten geworden?
  • Was fällt Ihnen leichter: Gott zu lieben, den Nächsten lieben, sich selbst lieben? Warum ist das so? Erlebe ich mich so, dass ich mir selbst guttue?

Der Autor ist Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland.

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Nächste Folge:
Jakob schaut die Himmelsleiter (1. Mose 28, Verse 10-22)

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