Mit Luthers Psalmlied durch die Fastenzeit

Als Reformator Martin Luther um 1523 zur Feder griff, konnte er kaum ahnen, dass das Ergebnis bis heute die  katholischen Gesangbücher durchziehen würde. Mit "Aus tiefer Not schrei ich zu dir" habe Luther eine neue Liedgattung erfunden, erklärt der Kirchenmusiker Bernhard Leube: das Psalmlied.

Von Annika Schmitz

Dabei gehe es nicht nur um eine Übertragung eines Psalms, sondern um dessen Interpretation. Als Vorlage diente Psalm 130, der sechste von sieben Bußpsalmen. Bekannt ist das oft nach seinen lateinischen Anfangsworten "De profundis" benannte biblische Gebet auch als Teil des Stundengebets zum Gedächtnis der Verstorbenen.

Das luthersche Psalmlied diente als Grundlage für viele Vertonungen. Der bekannteste Komponist, der sich seiner angenommen hat, ist Johann Sebastian Bach (1685–1750). Die Choralkantate, die den gleichen Namen wie das Psalmlied trägt, ist im Bach-Werke-Verzeichnis (BWV) unter der Nummer 38 zu finden. Der Librettist der bachschen Kantate hält sich dabei im Wortlaut an die Rahmenstrophen des Reformators; die Strophen zwei bis vier sind frei nachgedichtet.

Bach komponierte seine Kantate für den 29. Oktober 1724, den 21. Sonntag nach Trinitatis – jenem Sonntag, dem Psalm 130 zugeordnet ist. Für seine Vertonung ist zudem das Tagesevangelium entscheidend. So verbindet Bach die luthersche Interpretation von Psalm 130 mit einer Reflexion aus dem Johannesevangelium. Ist der Psalm geprägt von einem anfänglichen Hilferuf, tritt schnell eine Wendung ein: Der Beter setzt auf die Vergebung des Herrn, bevor er mit dem Vertrauen darauf endet, dass Gott Israel erlösen werde aus all seinen Sünden.

Luther hat in seinem Psalmlied, das sowohl in vier- als auch in fünfstrophiger Fassung vorliegt, vor allem eine inhaltliche Interpretation vorgenommen. Er lege der Gemeinde damit die Kernaussage seiner Theologie in den Mund, so der Theologe Hans-Christian Drömann. Er bringe die reformatorische Rechtfertigungslehre auf den Punkt: Weder menschliche Leistung noch fromme Bußübung kann das eigene Versagen aufheben.

Besonders deutlich wird die Theologie des Reformators in der zweiten Strophe – zur Vergebung der Sünden braucht es demnach die Gnade Gottes, nicht das menschliche Tun. Jene Strophe ist es auch, die in der Fassung des katholischen Gotteslobs nicht vorkommt. An ihrer statt geht es hier gleich weiter mit der Folgerung: "Darum auf Gott will hoffen ich, auf mein Verdienst nicht bauen."

(kna)

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Online-Redaktion

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