Roderich Kreile
"Ich erwarte eine Haltung"

Roderich Kreile | Foto: Kreuzchor/Astrid Ackermann

Der Dresdner Kreuzchor ist einer der wenigen Knabenchöre in Deutschland und weltweit bekannt.141 Jungen singen derzeit im Ensemble.Nach 25 Jahren gibt es an der Spitze des Chores einen Generationswechsel. Katharina Rögner sprach mit dem scheidenden Kreuzkantor Roderich Kreile.

Können Sie sich noch an Ihren ersten Tag beim Chor erinnern?
Roderich Kreile: An den allerersten Tag kann ich mich nicht mehr so genau erinnern. Ich weiß nur, es ging gleich richtig los. Wir mussten eine Japan-Tournee vorbereiten. Da war keine Zeit zu überlegen, was für mich neu ist. Der Dresdner Kreuzchor ist ein sehr komplexes Unternehmen in jeder Hinsicht – Schule, Chor, Kirche, die Stadt als Träger – alles muss berücksichtigt werden. Und ich war kein Kruzianer. Bis ich ein Gefühl für alles bekommen habe, das hat schon ein Jahr gedauert.

Es gab vor einigen Jahren eine Diskussion um die Aufnahme von Mädchen in reine Knabenchöre. Könnten Sie sich das für den Kreuzchor vorstellen?
Nein, es gibt bestimmte Räume, wo die beiden Geschlechter unterschiedliche Formate brauchen, um sich in ihren Spezifika verwirklichen zu können. Knabenchöre sind leistungsorientiert, wie etwa eine Fußballmannschaft. Pädagogisch muss man auf die spezifischen Eigenarten von Jungen eingehen. Einen zehnjährigen Jungen bringt man nicht zum Singen, indem man 13-jährige Mädchen in den Chor aufnimmt, die dann vielleicht auch in der Überzahl sind. Das funktioniert nicht. Alles hat eine Berechtigung – auch der reine Knabenchor.

Die Stadt Dresden ist Träger des Chors. Was bedeutet das für die tägliche Arbeit?
Als städtischer Chor müssen wir welt-anschaulich neutral sein, etwa was die Besetzung von Stellen mit Mitarbeitern angeht. Auf die geistliche Musik muss sich aber jeder einlassen, auch die Atheisten und die Jungen, die einer anderen Religion angehören. Wir praktizieren einen undogmatischen Umgang mit der christlichen Tradition, die der Chor zweifelsfrei hat. Die Werteorientierung macht viel von der Attraktivität des Dresdner Kreuzchores aus – auch für nichtkirchliche Elternhäuser. Diese Orientierung dürfen wir nie aufgeben. Wir haben die Aufgabe, jungen Leuten etwas anzubieten und gewisse Dinge vorzuleben. Ich erwarte von allen Chormitgliedern eine Haltung. Aber wenn man etwas im Inneren eines Menschen anstoßen will, sollte dies nicht doktrinär geschehen, sondern das Angebot muss quasi auf einem Teller gereicht werden.

Was wünschen Sie dem Chor und seinem neuen Chorleiter?
Martin Lehmann wünsche ich, dass er so glücklich ist in dem Job, wie ich es bin. Mein Nachfolger ist ein ausgezeichneter Mann, er wird Erfolg haben, Dinge anders machen, frischen Wind reinbringen. Das wird man mit Freude sehen können. Dem Chor wünsche ich Beständigkeit und gutes Wachsen, aber da habe ich sowieso keinen Zweifel. Knabenchöre kann es nicht hunderte geben, aber einige wenige, die so arbeiten wie wir, die Leuchttürme in unserer Gesellschaft sind, denen gebe ich eine Zukunft.(epd) Nachgefragt

Autor:

Online-Redaktion

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