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Musiktheater
Ein Abend in der verlorenen Welt

Protest: Jugendliche spielen Aktivisten, die gegen die Ausbeutung von Menschen und der Umwelt demonstrieren. | Foto:  Willi Wild
  • Protest: Jugendliche spielen Aktivisten, die gegen die Ausbeutung von Menschen und der Umwelt demonstrieren.
  • Foto: Willi Wild
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Glauben Sie, dass ein Gott die Welt retten kann?“ Die Antwort scheint der Schauspieler, der wie ein Moderator durch den Abend führt, nicht zu erwarten: „Ja, das glaube ich. Aber wir müssen schon mithelfen“, so der Befragte aus dem Publikum. Es geht um die großen Themen unserer Zeit, im Musikdrama „Welcome to Paradise lost“ („Willkommen im verlorenen Paradies“) des Autors und Librettisten Falk Richter und des Komponisten Jörn Arnecke – ein Auftragswerk und eine Koproduktion des Weimarer Kunstfestes mit dem Deutschen Nationaltheater.

Zugrunde liegt dem Stück die persische Parabel „Matiq Ut-tair“ die als „Die Konferenz der Vögel“ bekannt wurde. Darin geht es um einen großen Vogelschwarm, der, auf der Suche nach dem Vogelkönig, die Täler der Leiden und Leidenschaften durchfliegt. Im Sufismus stehen die Vögel für die menschlichen Seelen. In dem Gleichnis repräsentiert jeder Vogel einen menschlichen Fehler, der die Menschheit daran hindert, Erleuchtung zu erlangen. Nur dreißig Vögel schaffen es, das Gebirge zu erreichen, wo der Vogelkönig „Simurgh“ zu Hause ist. Der Name des Königs ist gleichzeitig die Pointe der Geschichte, denn „si murgh“ bedeutet „dreißig Vögel“. Die Vögel erkennen am Ziel ihrer Reise, dass sie sich selbst gesucht und gefunden haben. Selbsterkenntnis als erster Schritt zur Veränderung.

Falk Richter übersetzt das persische Versepos in unsere Zeit: Klimawandel, Naturzerstörung, Turbokapitalismus, Egoismus werden in dem gesellschaftskritischen Stück eindrücklich und bedrückend dem Publikum vor Augen gehalten. In Jörn Arnekes Komposition mit Solisten, Kammerorchester und einem Chor, bestehend aus fünfzehn Jugendlichen, die mal als Vögel, Klimaaktivisten oder konsum-orientierte Yuppies die Szenerie dominieren, finden sich persische Anklänge, Vogelstimmen, Volksliedmotive, bis hin zu Zitaten aus der Filmmusik von „Titanic“.

Die Weimarer Operndirektorin Andrea Moses führt Regie. Sie erzeugt mit ihrer Inszenierung eine Nähe und Betroffenheit, der man sich nicht entziehen kann. Dafür zieht sie alle Register des modernen Musiktheaters. Bei der interaktiven Inszenierung werden die Zuschauer durch die Räume des Weimarer E-Werks auf eine Art Pilgerreise geschickt. Dabei geht es um die Frage, wie das unabwendbar Scheinende verhindert werden kann. Und was der Einzelne bereit ist, dafür einzusetzen.

Die moderne Inszenierung des Kunstfestes verbindet sich mit den Schwerpunkten der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe: Das Ringen um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Unsere selbstzerstörerischen Systeme wie unsere Lebensweise werden bei beiden Veranstaltungen infrage gestellt. Die Lösungsansätze unterscheiden sich: Während im E-Werk die Selbsterlösung am Ende steht, ist man sich bei der Weltkirchenkonferenz der Verantwortung vor Gott und seiner Schöpfung bewusst. Die Antwort auf die sogenannte Theodizee-Frage, wie das Leid der Welt mit der Allmacht und Güte Gottes vereinbar sei, steht dabei allerdings noch aus. Willi Wild

Samstag, 10. September, 20 Uhr; Sonntag, 18. September, 18 Uhr im E-Werk, Weimar

kunstfest-weimar.de 

Autor:

Online-Redaktion

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