Solidarität mit protestierenden Frauen
Die Last des Kopftuchs

Es ist eine berührende Performance: Als Akt der Solidarität mit den Mädchen und Frauen im Iran, die seit Wochen gegen das Mullah-Regime protestieren, verhüllt sich die in Weimar lebende Künstlerin Farzane Vaziritabar. | Foto: epd-bild/Christine Suess-Demuth
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Es ist eine berührende Performance: Als Akt der Solidarität mit den Mädchen und Frauen im Iran, die seit Wochen gegen das Mullah-Regime protestieren, verhüllt sich die in Weimar lebende Künstlerin Farzane Vaziritabar mit Dutzenden Kopftüchern.

Von Christine Süß-Demuth (epd) 

Mitten im Foyer des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) liegen Dutzende bunte Tücher auf dem Boden. Als die iranische Künstlerin Farzane Vaziritabar ihre Schuhe auszieht und zwischen die Tücher tritt, wird es ganz still. Die in Schwarz gekleidete Künstlerin wählt ein weißes Tuch aus und legt es über ihre langen, schwarzen Lockenhaare.

Ohne ein Wort zu sagen, greift sie ein Tuch nach dem anderen, faltet es, legt es über den Kopf und blickt starr geradeaus. Ob weiß, gelb, rot oder blau, einfarbig oder bunt, aus leichter Seide oder schwerer Baumwolle, immer dicker und schwerer wird die Kopfbedeckung. Immer wieder schiebt sie die Haare unter den Tüchern zusammen.

Mit der Performance unter dem Motto «Gesehen Werden» will Vaziritabar ein Zeichen der Solidarität mit den Frauen im Iran setzen. Seit Wochen demonstrieren dort Mädchen und Frauen gegen das Mullah-Regime und den Kopftuch-Zwang. Auslöser der Proteste war der Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini Mitte September, die nach ihrer Verhaftung durch die sogenannte Sittenpolizei gestorben war.

Im Karlsruher Medienmuseum verschwindet nach und nach das Gesicht der Künstlerin, die in Weimar lebt, hinter den Tüchern. Schweigsam verfolgen die Besucherinnen und Besucher die Performance, teils sichtlich bewegt. Wie schwer die etwa 50 Tücher auf ihr lasten, ist ihr anzumerken.

So gehe es auch den Frauen im Iran, sagt Vaziritabar im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Durch das Kopftuch würden sie unsichtbar. «Wenn wir keine Freiheit mehr haben, werden wir langsam unsichtbar», sagt sie.

Sie informiere sich jeden Tag über die Situation in ihrem Heimatland. Sie kenne Menschen, die im Gefängnis seien und sei mit Journalisten und Fotografen dort befreundet. Mit ihrer Aktion will sie die Öffentlichkeit aufrütteln und auf die Rechte von Frauen aufmerksam machen.

Die wahren Performerinnen seien die jungen Frauen im Iran, betont die Künstlerin: «Sie sind meine Heldinnen. Denn sie riskieren ihr Leben, indem sie auf der Straße protestieren, statt an die Schulen und Universitäten zu gehen.» Beeindruckt habe sie das Motto der Proteste: «Frau, Leben, Freiheit».

Vaziritabar ist international bekannt, nicht nur für ihre Performances, sondern auch für Skulpturen, Installationen, Cartoons und Zeichnungen. Bei ihren Aktionen bezieht sie das Publikum mit ein. So auch dieses Mal: Die Künstlerin bückt sich, um das letzte Tuch, ein schwarzes, aufzuheben. Sie richtet sich auf und schließt kurz die Augen. Eine Träne rinnt ihre linke Wange herunter. Dann kommt eine Frau auf sie zu. Sie nimmt ihr vorsichtig das äußerste, schwarze Kopftuch ab und hängt es an einen der vielen vorbereiteten Haken.

Immer mehr Menschen reihen sich ein und befreien die Künstlerin behutsam, Tuch um Tuch. Befreit von der Last zieht Farzane Vaziritabar ihre Schuhe wieder an und wischt sich die Tränen aus den Augen.

Autor:

Katja Schmidtke

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