Mein Pilger-Blog (6)
Ganz nah dran

Etwa 50.000 Pilger der Hoffnung auf dem Petersplatz. Mittendrin Papst Leo XIV. | Foto: Willi Wild
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  • Etwa 50.000 Pilger der Hoffnung auf dem Petersplatz. Mittendrin Papst Leo XIV.
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Vom 18. bis 24. Oktober befindet sich eine Reisegruppe von Leserinnen und Lesern der Mitteldeutschen Kirchenzeitung „Glaube+Heimat“ und „Der Sonntag“, der sächsischen Kirchenzeitung, anlässlich des Heiligen Jahres in Rom. Reiseleiter und Chefredakteur Willi Wild schreibt hier seine Eindrücke und Erlebnisse nieder.

„Hast du die Fakultät gewechselt?“ oder „Ist der Papst jetzt evangelisch?“, solche und ähnliche Fragen ploppten heute auf meinen Social-Media-Kanälen auf. Ich konnte alle beruhigen, weder das eine, noch das andere ist der Fall. Aber der Papst heißt ja nicht von ungefähr Pontifex, der Brückenbauer. Und so habe ich gern die Brücke genutzt, die mir heute gebaut worden ist. Aber erst mal von Anfang an. 

Rechtzeitiges Erscheinen sichert die besten Plätze. So haben sich am frühen Morgen bereits viele tausend Menschen in Richtung Petersplatz aufgemacht, um bei der Generalaudienz dabei zu sein, die regelmäßig mittwochs entweder auf dem Petersplatz oder in der Audienzhalle stattfindet. Zwischen 60.000 und 200.000 Menschen können vor dem Petersdom Platz finden, je nachdem, wie eng sie zusammenstehen. Auf jeden Fall versammelte sich eine unüberschaubare Menschenmenge. Schätzungen gehen von etwa 50.000 aus. 

Auf Vermittlung von Bodo Ramelow, der einen guten Freund beim Vatikan hat, konnte unsere Pilgergruppe im Sagrado Platz nehmen. Das ist der abgesperrte Bereich direkt an der Bühne des Papstes. Um dorthin zu gelangen, wurden wir über einen Hintereingang der Vatikanischen Museen zum Petersdom und dann zu unseren exklusiven Plätzen gebracht. Auf dem Weg kamen wir auch an einem bescheidenen Keyboard vorbei, das für die Begleitung des gesungenen Vaterunsers eingesetzt wurde. Keine prunkvolle Orgel, sondern lediglich ein elektronisches Instrument eines vermutlich japanischen „Baumeisters“. Gestört hat das niemand. Es wusste ja auch keiner. 

Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow, seine Frau Germana und ich erhielten noch einmal gesonderte Sitzplätze auf der Bühne gegenüber den Kardinälen. Damit sollten wir Gelegenheit bekommen, Papst Leo XIV. persönlich zu begegnen. Dabei wollten wir ihm ein Schreiben von Landesbischof Friedrich Kramer mit der Einladung nach Erfurt ins Augustinerkloster sowie unseren ökumenischen Pilgerschal überreichen. Bevor das Papamobil durch die Reihen auf die Bühne fuhr, wurden zunächst alle Pilgergruppen begrüßt, die sich zur Generalaudienz aufgemacht hatten. Als auf einmal unerwartet die Pilgergruppe der „Mitteldeutschen Kirchenzeitung“ über die Lautsprecher auf dem Petersplatz angekündigt wurde, verschlug es mir die Sprache. Damit hatte ich im Leben nicht gerechnet. Ein Bekannter schrieb: „Engagierte Leseraquise“. Gegen 50.000 neue Abonnenten hätte ich in der Tat nichts einzuwenden. 

Der Aufschrei, der durch die Massen ging, kündigte den Pontifex Maximus in seinem weißen Papamobil an. Nach ein paar Runden auf dem Petersplatz fuhr das Gefährt deutscher Bauart die Treppen zur Bühne hoch. Ja, tatsächlich die Treppen. Spätestens jetzt wird klar, warum es sich um das Chassis eines Geländewagens handelt. Der Katechese des Papstes lag die Erzählung der Emmaus-Jünger aus dem Lukasevangelium zu Grunde. Eine Zusammenfassung findet sich hier: Feuerwerk der Freude

Petrus hielt sich nicht an die von den Meteorologen vorgegebene Regenwahrscheinlichkeit von 35 Prozent. Kurz nach der Ankunft des Papstes auf der überdachten Bühne öffneten sich die Schleusen des Himmels. Allerdings nur Nieselregen, der aber mit der Zeit auch nass macht. Glücklich, wer Schirm oder Regenponcho im Gepäck hatte. Zwischenzeitlich hegte ich Zweifel, ob wir noch Gelegenheit bekämen, dem Papst die Grüße des lutherischen Bischofs aus Mitteldeutschland zu übermitteln. Aber das Audienz-Management funktionierte bestens und der Ablauf ging wie ein Schweizer Uhrwerk minutiös vonstatten. 

Zunächst begrüßte der Papst die Menschen aus allen Kontinenten. Anschließend stellten sich die Kardinäle an, um dem katholischen Oberhaupt ihre Referenz zu erweisen. Danach ging Leo XIV. zu den Kranken, Menschen mit Handicap und zu den Kindern und segnete sie. Erst dann kamen die anderen Gäste an die Reihe. Geduldig schüttelte er Hände, ließ sich den Fischerring küssen und nahm Geschenke entgegen. Einer Frau mit Kleinkind, die sich demütig und ehrfürchtig vor ihm niederknien wollte, bedeutete er, stehenzubleiben. 

Nun waren wir an der Reihe. Bodo Ramelow und seine italienische Frau, die uns übersetzte, machten den Anfang. Ich hatte mir ein paar Sätze in Englisch zurechtgelegt. Aber als ich an die Reihe kam, war es dann doch ganz anders. Papst Leo gab mir die Hand und ich redete gleich los. Dabei vergaß ich ganz die Anrede. Den Papst spricht man mit „Heiliger Vater“ oder „Eure Heiligkeit“ an. Ich übergab ihm das Schreiben des Landesbischofs mit der Einladung nach Mitteldeutschland und präsentierte ihm unseren ökumenischen Pilgerschal. Was ich nicht wusste war, dass Vatikan Media alles über große Videowände auf dem Petersplatz übertrug. 

Was für eine ökumenische Besonderheit. Zum einen begegnet der evangelische Linken-Politiker Ramelow bei dieser Audienz, nach Benedikt und Franziskus,  dem dritten Papst in seiner politischen Karriere. Und die evangelische Kirchenzeitung aus Mitteldeutschland ist mit den Pilgern der Leserreise mittendrin, anstatt nur dabei, im Zentrum des Katholizismus. In der Tat, ein besonderes Ereignis. Abgesehen davon, ist es auch für einen Protestanten eine Glaubensstärkung zu sehen, dass die weltweite Christenheit über Denominationsgrenzen hinweg den Glauben an den auferstandenen Herrn und Heiland Jesus Christus feiert. Darin sind wir uns einig. Die Detailfragen und Unterschiede spielen dabei keine Rolle. Ich habe das Gefühl, es könnte alles so einfach sein. Bibelstudium, Gebet und praktische Nächstenliebe, das sind die geistlichen Grundlagen, so wie sie von der Gemeinschaft Sant‘Egidio proklamiert und von deren Mitgliedern und vielen anderen auf der ganzen Welt praktiziert werden. 

Zum Schluss noch ein Tipp: Vormittags bis 12 Uhr kann der Campo Santo Teutonico, der deutsche Friedhof, direkt neben dem Petersdom im Vatikan besichtigt werden. Das Sesam-öffne-dich geht ganz einfach. Zutritt zu diesem Friedhof, der weder vatikanisches noch italienisches Territorium, sondern exterritoriales deutsches Gebiet ist, haben nur deutsche Staatsbürger. Man muss also lediglich die Schweizer Garde auf Deutsch ansprechen und den Wunsch äußern, den deutschen Friedhof besuchen zu wollen. Dort findet man nicht nur einen geheimnisvollen Garten mit Gräbern und eine Kapelle, sondern auch vierzehn Kreuzwegstationen. Dort habe ich den aufregenden Vormittag in aller Ruhe und Besinnlichkeit ausklingen lassen.

Morgen ist bereits unser letzter Tag vor der Abreise und da wollen wir uns die bedeutendsten Kirchen in der römischen Innenstadt anschauen. Ich werde natürlich wieder von der Exkursion berichten.

Autor:

Willi Wild

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