Blickwechsel
US-Baptisten: Zeit für einen kulturellen Wandel

Schwere Vorwürfe sexuellen Missbrauchs in den eigenen Gemeinden dominierten die Vorbereitungen auf das Jahrestreffen des Südlichen Baptistenverbandes, der größten protestantischen Kirche in den USA.

Von Konrad Ege

Tausende Delegierte der evangelikal und konservativ geprägten Southern Baptist Convention (SBC) versammelten sich am Dienstag und Mittwoch im kalifornischen Anaheim – wenige Wochen nach Veröffentlichung eines Berichtes, der viele Gläubige schockierte. Nun wird über Reformen debattiert, die Prävention und Opferschutz stärken sollen.

Laut dem Report der Beraterfirma Guidepost Solutions wurden Missbrauchsopfer in der SBC viele Jahre lang ignoriert und eingeschüchtert. Der Baptistenverband legte zudem eine bislang geheim gehaltene Liste mit 600 Namen von Kirchenmitarbeitern vor, die als Missbrauchstäter verurteilt wurden oder unter Verdacht stehen.

In einem Video an die Delegierten machte der Interimspräsident des SBC-Exekutivausschusses, Willie McLaurin, nun klar, worum es bei der Jahrestagung gehen soll: Es sei «Zeit für einen kulturellen Wandel». Beim Umgang mit Missbrauch dürfe künftig nicht der «Schutz der Institution» im Vordergrund stehen, erklärte McLaurin. Auf dem Tisch liegen mehrere Reformvorschläge. Dazu zählen die Schaffung eines Wiedergutmachungsfonds, einer Datenbank mit Namen von Tätern sowie einer Stelle, an die sich Opfer wenden können.

Missbrauchsbetroffene verlangen zudem eine unabhängige Kommission für neue Beschwerden, eine von der SBC unabhängige Website mit den Namen von Tätern sowie ein Mahnmal vor dem Hauptsitz der Kirche in Tennessee. Geplant ist die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die die Reformmaßnahmen koordinieren soll. Der Verband könnte Kriterien entwickeln, um Gemeinden auszuschließen, die sich nicht an Missbrauchsrichtlinien halten. Bereits eingerichtet hat das SBC-Exekutivkomitee eine Hotline für Missbrauchsopfer – als «Überbrückung», bis das Jahrestreffen «bedeutendere Reformen» beschließt, hieß es.

Der künftige Reformkurs hängt wohl auch von einer wichtigen personellen Weichenstellung ab. Auf der Tagesordnung der Jahrestagung steht die Wahl eines neuen Kirchenpräsidenten. Als Top-Kandidaten gelten Pastor Tom Ascol von der Grace Baptist-Kirche in Cape Coral/Florida und Bart Barber, Pastor der First Baptist-Kirche in Farmersville/Texas. Beide gelten als theologisch und politisch extrem konservativ.

Die Südlichen Baptisten sind eine der wenigen großen protestantischen Glaubensgruppen, in denen das Pastorenamt Männern vorbehalten ist. Der Verband wurde 1845 durch die Abtrennung von anderen Baptisten gegründet, die die Sklaverei ablehnten. Zu seiner Glanzzeit 2006 gehörten dem Verband 16,3 Millionen Gläubige an. Laut dem jüngsten Jahresbericht lag die Zahl der Mitglieder 2021 bei nur noch 13,7 Millionen.

(epd)

Autor:

Online-Redaktion

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