Boom der Herrnhuter Sterne
Für den Matheunterricht und gegen das Heimweh

Foto: epd-bild / Rainer Oettel

Sächsische Hoffnungslichter: Der Herrnhuter Stern ist ein „Exportschlager“. Sein nicht ganz einfaches Zusammenbasteln gehört in vielen evangelischen Familien seit Generationen zum festen Adventsrepertoire.

Von Karin Wollschläger

Anfang des 19. Jahrhunderts leuchtete der erste dieser markant gezackten Sterne aus Papier und Pappe in den Internatsstuben der Herrnhuter Brüdergemeine in der Oberlausitz. Von dort aus trat das "Ursprungsmodell aller Weihnachtssterne" seinen kometenhaften Aufstieg als protestantischer Exportschlager an.

Ungebremst, wie es scheint. In diesem Jahr rechnet das expandierende Unternehmen mit einem neuen Absatzrekord: 780.000 in alle Welt verkaufte Sterne in diversen Farben und Größen, wie Firmensprecherin Jacqueline Schröpel berichtet. Bis zu 1.500 Pakete verlassen derzeit täglich die Manufaktur. Und alle Sterne sind nahezu komplett handgefertigt. "High noon" für die rund 160 Mitarbeitenden.

Zugleich ist es ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die eher strukturschwache Region. "Wir schaffen vor allem Arbeitsplätze für Frauen, die den Großteil der Fertigung übernehmen", erklärt Schröpel. Dabei werde auch auf familienfreundliche Arbeitszeiten geachtet: "Wir haben eine sogenannte Mutti-Schicht, die auf die Öffnungszeiten der Kindergärten abgestimmt ist."

Die Zusammenbastler der allerersten Herrnhuter Sterne mussten ihre "Muttis" hingegen weitgehend entbehren. Waren es doch die Internatszöglinge - größtenteils Kinder, deren Eltern als Missionare der Herrnhuter Brüdergemeine in widrige Teile der Welt zogen und ihre Kinder zur Erziehung an den Stammsitz der protestantischen Bewegung schickten. Heute zählt die Freikirche, die aus mährischen Glaubensflüchtlingen entstand, nach eigenen Angaben 6.000 Mitglieder in Deutschland und über eine Million weltweit.

Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit sei die Trennung von den Eltern für die Internatskinder sehr schmerzhaft gewesen, heißt es in der Chronik. So kam die Idee auf, die Kinder immer am ersten Advent Weihnachtssterne als Symbol der christlichen Friedensbotschaft für ihre Familien basteln zu lassen. Gegen das Heimweh. Ein pfiffiger Erzieher sei dabei auf die Idee gekommen, die Sterne im Mathematikunterricht als Vorlage zu verwenden - um ein besseres geometrisches Verständnis zu vermitteln. Er ließ die Kinder Sterne aus verschiedenen geometrischen Formen bauen.

So entstand die markante Form des dreidimensionalen Herrnhuter Sterns, die von der Brüdergemeine 1925 patentiert wurde. Nur echt mit 25 Zacken, 17 davon mit viereckiger Grundfläche, 8 mit dreieckiger Grundfläche, aufgesetzt auf einen sogenannten Rhombenkuboktaeder. "Das ist die Grundform, die man erhält, wenn von einem Würfel alle Ecken und Kanten abschneidet", versucht es Schröpel lachend zu erklären. Der Zusammenbau freilich ist eine kleine Kunst für sich, der jeden Advent wohl auch vielerorts Anlass für manch' gepresstes Fluchen ist. Die zahlreichen Anleitungen auf Youtube sind beredtes Zeugnis des Hilfebedarfs.

Schöner freilich erlernt man die Kunst in der Schau- und Bastelwerkstatt der Sternemanufaktur selbst, wo die "Entdeckerwelt" vor allem für Kinder eine große Palette an Angeboten bereit hält und es Einblicke in die Produktion der berühmten Sterne gibt. Man sei bemüht, auch auf "Spezialwünsche" einzugehen, sagt Schröpel. "Uns erreichte mal eine Bestellung aus Grönland - mit der Bitte, das Paket bis September zu verschicken, da man es sonst nicht mehr im Schnee finden könne, wenn es vom Postflugzeug abgeworfen wird." Die Lieferung ging pünktlich raus, mit dicker roter Schleife.

(KNA)

Autor:

Online-Redaktion

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