Landeskirche Anhalts
Die Johanniskirche zu Leopoldshall in Staßfurt

Johanniskirche zu Leopoldshall, Stadtteil von Staßfurt | Foto: Ghostwriter123, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=78309009
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  • Johanniskirche zu Leopoldshall, Stadtteil von Staßfurt
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Kirchenbauwerke gehören zu vielen Ortschaften. Sie sind bekannt als Wahrzeichen, Ortsmittelpunkt oder Orientierungsmarke. Die Gotteshäuser haben architektonisch, kunsthistorisch und regionalgeschichtlich vielfältige Bedeutung.

Diesmal geht es um ein Gotteshaus in Leopoldshall, seit 1946 ein Stadtteil von Staßfurt, im Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt – und zugehörig zur Evangelischen Landeskirche Anhalts.

Die Kirche St. Johannis zu Leopoldshall ist das am 6. Februar 1876 geweihte evangelische Sakralgebäude in Leopoldshall, bis 1946 eigenständige Stadt, im heutigen Bundesland in Sachsen-Anhalt. Die Kirchgemeinde gehört zur Evangelischen Landeskirche Anhalts.

Geschichte
Die seit 1. Januar 1873 selbständige Gemeinde Leopoldshall zählte 1874 mehr als 2.000 Einwohner. Die Kirche sollte das Symbol für den neuen Ort werden. Mit ihr bezeugten die Neubürger ihren Willen, sesshaft und heimisch zu werden – und bewiesen dies mit ergiebigem Spendenaufkommen für den Kirchen-Neubau.

Der erste Spatenstich für das neuromanische Gotteshaus in Kreuzform und nach den Regeln des Eisenacher Regulativs mit einer Kirchturm-Höhe von 40,5 Metern (mit Knopf und Kreuz) erfolgte am 7. April 1874. Die Bauausführung stand unter der Leitung von Bauinspektor Schrader aus Bernburg sowie von Maurermeister Busse und Zimmermeister Kietz aus Leopoldshall. Die Grundsteinlegung vollzog der Konsistorialkommissar, Generalsuperintendent und Oberkonsistorialrat Walther aus Bernburg am 28. Mai 1874.

Für den Sakralbau waren 37.837 Taler, 18 Groschen und 10 Pfennige sowie für die Pfarre 7.402 Taler veranschlagt, wovon die Gemeinde ein Drittel übernahm sowie die Kosten von 1.588 Talern für den Baugrund trug. Die tatsächlichen Ausgaben für den Kirchenbau samt Einrichtungen betrugen 81.213,55 Mark.

Die Weihe der Johanniskirche zu Leopoldshall vollzog am 6. Februar 1876 Carl F. Schneppel als erster Pfarrer dieser Kirche und feierte auch den ersten Gottesdienst.

Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und DDR-Jahre
Nach dem Zweiten Weltkrieg und in der DDR-Zeit fehlten die Möglichkeiten zu bestandserhaltenden Bau-Maßnahmen, so dasses im Laufe der Jahrzehnte zum bedrohlichen Sanierungsstau kam.

Bei der Renovierung im Jahr 1960 wurden der Taufstein versetzt, die Kanzel-Verkleidung und Kirchenbänke entfernt sowie der Innenraum weiß ausgemalt – wobei die Verzierungen und Engel überstrichen wurden.

Am Anfang der 1970er-Jahre knickte das Turmkreuz auf dem Turm um und musste entfernt werden. Um 1978 wurde der Turm mit Preolitschindeln gedeckt. Bei diesen Arbeiten wurde das Turmkreuz von einer Turmkugel ersetzt, die von der neuen Waldauer Kirche stammte.

In den folgenden Jahren wütete immer wieder Vandalismus: Fenster und Eingangstüren wurden zerstört und Orgelpfeifen gestohlen.

Jüngere Vergangenheit
Das Kirchengebäude wurde nach der Friedlichen Revolution in der DDR mit Hilfe von Fördermitteln von Bund und Land umfassend saniert: 1993 erfolgten die Dachsanierung mit Kunstschiefer und die Dämmung des Dachbodens, 1995 begann die Firma Schneemelcheer die Fenstersanierung.

Im Jahr 2001 wurde die Innenausmalung der Kirche mit Freilegung der alten Muster abgeschlossen. Am 21. Oktober 2004 stürzte ein Gesimsstein vom Kirchturm. Daraufhin ergab die Turm-Untersuchung große Schäden am Sandstein und Schwammbefall im Turmdach. 2006 wurde der Turm saniert und dabei das Turmkreuz wieder aufgesetzt.

Ausstattung
Den Altar fertigte die Firma Freihold aus Aderstedt, den Taufstein das Unternehmen Kielhorn aus Bernburg und die Kanzel die Firma Hartung. Die Kirche hat – wohl auch aufgrund ihrer besonderen Holzdecke – eine herausragend gute Akustik.

Die fünf Fenster im Altarraum mit Glasmalerei-Porträts des Heilands und der vier Evangelisten fertigte die Glasmalerei Oidtmann in Linnich – drei sind erhalten geblieben: Christus, Lukas und Matthäus. Sie wurden von der Glaswerkstatt Schneemelcher in Quedlinburg restauriert und sind zu 90 Prozent original erhalten.

Diese Werkstatt schuf im Auftrag der Kirchgemeinde 2021 nach originalen Vorlagen Repliken der zerstörten Bleiglasfenster mit den Abbildungen von Markus und Johannes; die Gesamtkosten dafür betrugen fast 24.000 Euro.

Im Eingangsbereich im Kirchturm erinnern acht Namens-Tafeln an die 157 im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten, die Mitglieder der Kirchgemeinde waren. Diese Gedenkhalle wurde am Totensonntag 1921 eingeweiht.

Dort steht auch das maßstabsgetreue Holz-Modell der Kirche, das als Spendenbüchse dient. Gefertigt hat es der Elektro- und Rundfunkmechaniker-Meister Heinz Wiest (1920–2017), langjährigstes Mitglied der Kirchgemeinde Leopoldshall.

Orgel
Die Orgel hat 2 Manuale und Pedal, 23 Register und rund 1.450 Orgelpfeifen. Sie wurde am 3. September 1876 geweiht.

Orgelbaumeister Nikol aus Dessau sollte sie für 7.708,88 Mark fertigen. Ein halbes Jahr nach der Kirchweihe konnte die in Dessau gefertigte Orgel am 31. August 1876 vom Hofkapellmeister Thiele abgenommen werden. Jedoch war das Verhältnis zwischen Kirchgemeinde und Orgelbauer offenbar beeinträchtigt, Pfarrer Schneppel wandte sich an das Konsistorium.

Es folgte ein Prozess gegen Orgelbaumeister Nikol „wegen mangelhaft und nicht kontraktgemäß ausgeführter und vollendeter Arbeit“. Der Prozess wurde gütlich beigelegt und endete mit einem Vergleich vor dem Kreisgericht Bernburg am 20. März 1877.

In den Jahren 1962–1963 wurde die Orgel von der Orgelbaufirma Kühn aus Merseburg saniert und die Disposition verändert.

Im Jahr 2000 sanierte die Orgelbaufirma Kapischke und Friedrich aus Bernburg das Instrument umfassend und erneuerte den Blasebalg.

Geläut
Das ursprüngliche Glockengeläut aus drei Bronze-Kirchenglocken stammte aus der Glockengießerei Carl Friedrich Ulrich in Apolda, ihre Herstellung kostete 2.983 Mark. Doch war es laut zeitgenössischer Überlieferung ein „dünnes“ Geläut, so dass man sich für neue Glocken entschied.

Ein Glockenfonds wurde eingerichtet und ein Aufruf zu Spenden in der Tagespresse veröffentlicht. Viele Bürger der Stadt Leopoldshall spendeten, 3.200 Mark kamen zusammen.

Die drei neuen Glocken wurden von der Firma Schilling mit der Tonfolge e–gis–h in Apolda gegossen und am 29. Dezember 1911 geweiht. Sie trugen die Inschriften „Kommt es ist alles bereit“, „Gott segne Leopoldshall“ und „Lasset die Kindlein zu mir kommen“.

Diese Glocken mussten im Ersten Weltkrieg als Metallspende für Rüstungszwecke abgegeben werden. Sie wurden im Jahr 1919 von Eisenhartguss-Glocken von Schilling & Lattermann ersetzt: eine Betglocke, eine Stadtglocke und eine Taufglocke. „Gott segne Leopoldshall“ steht auf der mittleren Glocke.

Die Glocken wurden jahrelang per Hand geläutet, da die elektrische Läute-Anlage defekt war. Anlässlich des 140-jährigen Jubiläums der Kirchweihe gibt es seit 18. Juni 2016 eine neue elektrische Läute-Anlage.

Erich Baumecker - Pfarrer und Landtagsabgeordneter
Ein auch überregional bedeutsamer Pfarrer dieser Kirche ist Emil Baumecker (1866–1947) gewesen, der bis 1934 an dieser Kirche wirkte. Er war mehrfach gewählter Abgeordneter im Landtag des Freistaats Anhalt und engagierte sich dort beispielsweise für die Ideen der Bodenreform.

Historische Chronik und Ausstellungs-Plakat „100 Jahre Stadtrecht Leopoldshall“
Pfarrer Emil Baumecker veröffentlichte im Jahr 1901 eine Festschrift anlässlich des 25jährigen Bestehens der St. Johanniskirche. Die Publikation mit dem Titel „Leopoldshall, seine Entstehung, Entwicklung und Bedeutung“ erschien erneut 1993 auf Initiative von Hartmut Wiest als erweiterter Reprint (ISBN 3-930207-00-1).

Im Stadt- und Bergbaumuseum Staßfurt gab es im Jahr 2019 die Sonderausstellung „100 Jahre Stadtrecht Leopoldshall“ (27. Januar – 29. Mai 2019). Das Plakat zur Sonderausstellung zeigte ein großformatiges Foto der St.-Johannis-Kirche Leopoldshall.

***
Persönliche Anmerkung
Der dienstälteste Pfarrer dieser Kirche ist Joachim Zürch (1912–1980) gewesen – er war dort von 1938 bis 1978 im Amt.
Dieser Beitrag ist in herzlicher Erinnerung meinem Großvater gewidmet.
Holger Zürch, 22. April 2025
***

Koordinaten: 51° 50′ 55″ N, 11° 35′ 42″ O

https://de.wikipedia.org/wiki/St._Johannis_(Leopoldshall)
(dort auch Verzeichnis der Autoren; Textnutzung entsprechend Creative Commons CC BY-SA 4.0)

Johanniskirche zu Leopoldshall, Stadtteil von Staßfurt | Foto: Ghostwriter123, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=78309009
Rückansicht | Foto: Ghostwriter123, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=78309003
Blick zum Altar | Foto: Ghostwriter123, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=45244339
Kanzel, Altar samt Kruzifix, Taufstein | Foto: Ghostwriter123, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=45244342
Blick ins Kirchenschiff auf Empore und Orgel | Foto: Ghostwriter123, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=45244341
Autor:

Holger Zürch

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