Bericht des Friedensbeauftragten
Verhaltener Applaus und scharfe Kritik

Foto:  epd-bild/Jens Schulze

Magdeburg (kna/epd) - Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine in Deutschland und der Europäischen Union hat der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Kramer, gefordert. Der mitteldeutsche Landesbischof stellte am Montag in Magdeburg vor der Synode der EKD seinen jährlichen Bericht vor. "Das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung muss in allen Ländern geschützt werden, auch in Ländern, die sich im Krieg befinden", betonte Kramer. Er forderte die Kirche auf, ihren "Einsatz für Frieden und Gewaltlosigkeit" weiter mit aller Kraft fortzuführen.

In der evangelischen Kirche gibt es seit Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar eine heftige Debatte über ethische Fragen, etwa über deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine. Kramer hat von Beginn an Waffenlieferungen abgelehnt, andere wie etwa die Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus, oder auch der frühere EKD-Ratsvorsitzende und Berliner Altbischof Wolfgang Huber befürworten Waffenlieferungen. Die Kontroverse ist ein Schwerpunkt der derzeitigen Synodentagung.

Bei der Synode erntete der mitteldeutsche Bischof für seinen Bericht verhaltenen Applaus, in Redebeiträgen sowohl Dank für die Arbeit als auch Kritik von den Mitgliedern des Kirchenparlaments.

Bundeswehr-Generalmajor Ruprecht von Butler sagte, die evangelische Kirche dürfe sich, wenn sie in der Mitte der Gesellschaft stehen wolle, auch vor der Frage der Abschreckung nicht drücken. Butler stellte dabei die Frage in den Raum, ob die Ukraine heute in der Situation wäre, wenn sie ein Abschreckungspotenzial wie andere Staaten gehabt hätte.

In der Debatte wurde Kramer, der sich mehrfach gegen Waffenlieferungen in die Ukraine ausgesprochen hatte, von mehreren Synodalen scharf kritisiert. So erklärte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne), dass "immer dann, wenn zu wenig Prävention und zu wenig im Vorfeld passiert ist, erst Waffen zum Einsatz kommen müssen". Im Ukraine-Krieg gehe es Russland nicht nur um Okkupation. "Es geht um den Wunsch nach Vernichtung, der Ausrottung von Kultur, Sprache und Identität", sagte Göring-Eckardt. Es sei richtig und notwendig, dass die Kirche auf Verhandlungen für einen Frieden in der Ukraine bestehe. Aber die Grundlage dafür müsse sein, dass die Ukraine in ihrer geografischen und identitären Gesamtheit erhalten bleibe.

Der WDR-Redakteur und rheinische Synodale Arnd Henze warnte vor einem Abgleiten in den Isolationismus, wenn Kramer zwar Waffenlieferungen aus anderen Ländern, aber nicht aus Deutschland akzeptieren wolle. "Ich habe die Furcht, dass wir den Anschluss an die Realität verlieren, wenn wir auf konkrete Fragen schwammige Antworten geben und auf einen schmutzigen Krieg mit der Sehnsucht nach einer sauberen Realität antworten."

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe machte deutlich, dass auch die Kirche ihre Vergangenheit im Umgang mit Russland in den Blick nehmen müsse. Während seiner Zeit im Rat der EKD habe eine Delegation des Rates die mittlerweile verbotene Menschenrechtsorganisation Memorial besucht. Über diesen Besuch durfte bei einer offiziellen Begegnung mit der russisch-orthodoxen Kirche dann aber nicht gesprochen werden. Zu Kramer sagte Gröhe, er könne die Friedensgebete des Friedensbeauftragten durchaus mitbeten. "Sie müssen aber aushalten, dass ich dem Friedensgebet das Gebet hinzufüge, dass die Befreiung von Cherson vor dem Winter gelingt."

Hintergrund

Die EKD will infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine ihre friedensethischen Positionen überdenken. Dafür soll eine sogenannte Friedenswerkstatt ins Leben gerufen werden. Sie soll die Denkschrift aus dem Jahr 2007, die bislang Grundlage für die friedensethische Haltung der evangelischen Kirche ist, überprüfen und gegebenenfalls ergänzen oder gänzlich neu fassen.

In einer ersten Stufe sollen rund 30 Expertinnen und Experten gehört werden. Ein redaktionelles Team soll dann einen neuen Grundlagentext erstellen und entscheiden, ob die Friedensdenkschrift ergänzt oder neu verfasst werden soll. Dieser Prozess sei auf zwei Jahre angelegt, heißt es im schriftlichen Bericht des Friedensbeauftragten. Geplant sei, dass der neue Grundlagentext möglichst bis Ende 2024 vorliegt.

In der zweiten Stufe sollen Kirchenmitglieder aus verschiedenen EKD-Gliedkirchen im Format sogenannter Bürgerräte einzelne Positionen diskutieren. Im dritten Schritt schließlich wird geprüft, ob der Grundlagentext auch auf die praktische Friedensarbeit gut angewendet werden kann.

Autor:

Online-Redaktion

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