Kirchen
Theologe: Aufarbeitung von Missbrauch leidet an Unprofessionalität

Reiner Anselm  | Foto: epd-bild/Christian Ditsch
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Köln (epd) - Der Theologe Reiner Anselm glaubt nicht, dass die evangelischen Kirchen die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt strategisch verschleppen wollen. Das Problem sei eher eine Unprofessionalität, die für die protestantischen Kirchen typisch sei, sagte der evangelische Theologe der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität im Deutschlandfunk. Man habe etwa in den Kirchenleitungen den Aufwand unterschätzt, den die Bereitstellung von Personalakten erfordert hätte.

Anselm sagte, die Rollen in den evangelischen Kirchen müssten besser getrennt werden. Künftig sollten Pfarrerinnen und Pfarrer klarer zwischen ihrem Beruf und Privatem unterscheiden. Eine Vermengung dieser Rollen habe sexualisierte Gewalt begünstigt. Außerdem sollten Seelsorge und Aufarbeitung nicht in einer Hand liegen.

Der Theologe argumentierte für eine stärkere staatliche Verantwortung für die Aufarbeitung. Man müsse sich fragen, ob in der Vergangenheit «das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nicht überdehnt worden ist». Es dürfe nicht zu einer «Betroffenheitskultur, die in eine Handlungsstarre führt», kommen, sagte Anselm: «Dass man immer betont, wie furchtbar das alles ist, und sich entschuldigt, aber nachher passiert eigentlich gar nichts mehr.»

Trotz allem halte er die Kritik an der am vergangenen Donnerstag vorgelegten ForuM-Studie über das Ausmaß von Missbrauch in den evangelischen Kirchen in Teilen für überzogen, sagte Anselm. Die Studie sei als ein Anfang der Aufarbeitung angelegt gewesen, es habe mit ihr daher gar nicht alles geleistet werden können.

Die ForuM-Studie hatte Kritik wegen ihrer geringen Datenbasis auf sich gezogen. Die meisten Landeskirchen hatten den Forschern lediglich Disziplinarakten geliefert, aber keine Personalakten. Die von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragte Untersuchung ermittelte für den Zeitraum von 1946 bis 2020 mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 mutmaßliche Täter.

Autor:

Katja Schmidtke

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