29 Verletzte bei Amokfahrt in Berlin
Notfallseelsorger im Einsatz

Foto: epd-bild/Jens Schulze

Einen Tag nach der tödlichen Autofahrt am Berliner Breitscheidplatz verdichten sich die Hinweise auf eine Amoktat. Bei dem 29-jährigen Fahrer des Wagens handele es sich um eine "psychisch beeinträchtigte Person", heißt es.

Bei der mutmaßlichen Amokfahrt am Mittwoch am Berliner Breitscheidplatz sind nach Angaben von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) eine Frau getötet und 29 Personen verletzt worden. Unter ihnen seien 14 Schülerinnen und Schüler einer Klasse aus dem nordhessischen Bad Arolsen, sagte Spranger.

Sieben Schüler befänden sich mit zum Teil lebensbedrohlichen Verletzungen im Krankenhaus. Schwer verletzt wurde zudem ein weiterer Lehrer. Ein Teil der unverletzten Jugendlichen und ihre Eltern seien mittlerweile auf dem Weg nach Hause, sagte die Berliner Innensenatorin.

Die Schülerinnen und Schüler befanden sich auf Klassenfahrt in Berlin, als ein 29-jähriger Mann am Mittwochvormittag mit einem Kleinwagen in der City West in Höhe des Breitscheidplatzes in die Gruppe und weitere Passanten fuhr. Der Wagen touchierte laut Spranger anschließend noch mehrere geparkte Autos und kam eine Straßenecke weiter im Schaufenster einer Parfümerie zum Stehen. Dort wurde der Fahrer von Passanten festgehalten.

Nach derzeitigem Ermittlungsstand handele es sich um den Amoklauf einer „psychisch beeinträchtigten Person“, sagte Spranger. Der 2015 eingebürgerte Deutsch-Armenier sollte am Donnerstag einem Haftrichter vorgeführt werden, die Ermittlungen führt die Mordkommission. Aktuell würden sein Computer und Handy ausgewertet. Es gebe aber bislang keine politischen Auffälligkeiten. Polizeibekannt sei er unter anderem wegen Körperverletzungsdelikten und Hausfriedensbruch.

Vor Ort waren nach Sprangers Angaben 130 Einsatzkräfte der Polizei, 50 Feuerwehrleute und Rettungssanitäter sowie mehr als 15 Notfallseelsorger. Diese betreuten in den Räumen der benachbarten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Augenzeugen der Tat, darunter auch Schülerinnen und Schüler.
Die Notfallseelsorger hätten Augenzeugen betreut, darunter einige der unverletzten Schülerinnen und Schüler aus Hessen, sagte der Beauftragte der evangelischen Landeskirche für die Berliner Notfallseelsorge, Justus Münster.

Aufgabe der Notfallseelsorge sei es bei solchen Ereignissen, den Menschen zu helfen, das Passierte zu begreifen und «im Hier und Jetzt anzukommen», sagte der Pfarrer. In solchen Situationen werde der Mensch auf seine Grundfunktionen zurückgeworfen. «Manche reagieren sehr emotional und aufgebracht, andere sind in sich versunken. Wir versuchen, einen Zugang zu ihnen zu bekommen und ein Gesprächsangebot aufrechtzuerhalten», sagte Münster. Diese Reaktionen des Körpers seien normal, «nicht normal sei das Ereignis», sagte der Pfarrer weiter. Das müsse verarbeitet werden:
«Wir besprechen dann mit den Menschen, was sie gesehen und erlebt haben.»

„Wir können uns nicht vorstellen, was sie gesehen haben müssen“, sagte die Innensenatorin. Sie dankte der Gemeinde für ihre Unterstützung. In der Kirche hatte es am Mittwochabend eine Gedenkandacht unter anderem mit der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und dem Berliner Bischof Christian Stäblein gegeben. Laut Polizei werden 50 Menschen psychologisch betreut.

Giffey sprach am Donnerstag im RBB-Inforadio von einem „dunklen Tag in der Berliner Stadtgeschichte“. Es handele sich um ein Ereignis, das „sehr tiefe Verletzungen und Traumata wieder aufreißt“, sagte die SPD-Politikerin mit Blick auf den islamistischen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche vor fünfeinhalb Jahren.

Der Berliner Erzbischof Heiner Koch rief die Berliner Schulen für Freitag zu einer Schweigeminute auf. In den katholischen Schulen der Stadt und im Religionsunterricht werde man sich mit der Klasse aus Bad Arolsen im Gebet verbinden. Er lade alle Berliner Schulen ein, sich dieser Schweigeminute anzuschließen.
Laut Senatsjustizverwaltung können sich Betroffene an die Zentrale Anlaufstelle für Betroffene von Terroranschlägen und Großschadensereignissen und deren Angehörigen wenden. Als zentrale Vermittlungsstelle verfüge sie über alle notwendigen Kontakte und Informationen.

(epd)

Autor:

Online-Redaktion

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