Osterwort von Landesbischof Friedrich Kramer
Kommt da Freude auf?

Friedrich Kramer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland | Foto: EKM
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Sie müssen zweimal hingucken und verstehen es trotzdem nicht: Ist er das? Sie dachten, es ist alles aus. Die Hoffnung – begraben.

Sie ziehen deprimiert und mit schweren Gedanken ihres Weges. Sein Leiden war unerträglich. Erstickt ist er. Und wie er geschrien hat. Einer kommt dazu. Redet mit ihnen, und ihr Herz beginnt zu brennen. Er sitzt lebendig bei ihnen und bricht das Brot. Da erst merken sie es und sehen seine Hände. Da sind Wunden. Zwei tiefe Wunden. Wie von einem, den sie ans Kreuz genagelt haben. Jesus lebt.
Die Liebe Gottes, die er gepredigt hat – sie ist nicht am Ende. Im Gegenteil: Sie hat den Tod besiegt. Jesus ist auferstanden, und die Hoffnung lebt, und ihr Herz bebt. Er – plötzlich verschwunden, und sie – nicht mehr zu halten. Sie rennen und stürzen herein und rufen die kürzeste und großartigste Geschichte der Menschheit: „Der Herr ist auferstanden!“
Eines ist klar und sichtbar: Der Auferstandene ist der Gekreuzigte. Die Spuren bleiben. Die Wunden in den Händen und Füßen und in seiner Seite sind zu sehen.
Wir feiern das zweite Corona-Ostern. Wir fühlen uns mürbe und leer, sind erschöpft. Es reicht! Und es fällt uns immer schwerer, in und mit dieser Pandemie zu leben und beieinander zu bleiben. Als ob der körperliche Abstand immer mehr auch zu einem sozialen Abstand und zum Riss wird. In unseren Gemeindekirchenräten wird diskutiert, in welcher Weise wir Ostern feiern. Was ist der richtige Weg?
Durch die ausgerufene und dann zurückgenommene Osterruhe verunsichert, brechen die gleichen Debatten auf wie vor Weihnachten. Die einen fordern klare Ansagen von oben in die eine wie in die andere Richtung. Die anderen wollen sich nichts sagen lassen. Und die Mehrheit redet und diskutiert und findet ihre Entscheidung miteinander, die für sie die richtige ist. Lasst uns beieinanderbleiben und in Liebe die unterschiedlichen Positionen stehenlassen und nicht abwerten. Um des Gekreuzigten willen, der all unsere Selbstrechtfertigungen durchkreuzt mit seiner Liebe.
Und dennoch ist die Verlängerung der Passionszeit über Ostern hinaus schwer erträglich. Wer rollt den Stein weg von den Gräbern, die uns so traurig machen, und die jeden Tag mehr werden?
Eines ist klar und sichtbar: Der Auferstandene ist der Gekreuzigte. Die Spuren bleiben. Aber er ist verändert – durch den Tod gegangen – in ein neues Leben.
Auch wir werden in ein neues Leben gehen. Ihm nach, am Ende unserer Tage, wenn wir sterben. Aber auch schon jetzt in diesen Tagen mitten in der Pandemie. Es wird ein Danach geben. Das ist nur eine Frage der Zeit. Wir werden durch Corona gehen, und es wird uns zu anderen Menschen machen. Viele wollen das wegschieben. Wollen, dass alles wieder so wird, wie es vorher war. Das ist Illusion: Das, was du erlebt hast, zeichnet dich. Die Wundmale bleiben. Aber unser Leben kann sich ändern, und die Tränen werden abgewischt.
Dürfen wir, wenn die dritte Welle anschwillt, die fröhlichen Osterlieder singen und uns das Halleluja zurufen? Können wir den Sieg über den Tod feiern, wenn er sich mächtig erhebt? Ostern kommt zur Unzeit.
Im letzten Jahr des Dreißigjährigen Krieges hat Paul Gerhardt das Osterlied: „Auf, auf, mein Herz, mit Freuden“ (Evangelisches Gesangbuch, Lied Nr. 112) geschrieben.

1. Auf, auf, mein Herz, mit Freuden
nimm wahr, was heut geschicht;
wie kommt nach großem Leiden
nun ein so großes Licht!
Mein Heiland war gelegt
da, wo man uns hinträgt,
wenn von uns unser Geist
gen Himmel ist gereist.
2) Er war ins Grab gesenket,
der Feind trieb groß Geschrei;
eh er’s vermeint und denket,
ist Christus wieder frei
und ruft „Viktoria“,
schwingt fröhlich hier und da
sein Fähnlein als ein Held,
der Feld und Mut behält.

3) Das ist mir anzuschauen
ein rechtes Freudenspiel;
nun soll mir nicht mehr grauen
vor allem, was mir will
entnehmen meinen Mut
zusamt dem edlen Gut,
so mir durch Jesus Christ
aus Lieb erworben ist.

4) Die Welt ist mir ein Lachen
mit ihrem großen Zorn;
sie zürnt und kann nichts
machen, all Arbeit ist verlorn.
Die Trübsal trübt mir nicht
mein Herz und Angesicht;
das Unglück ist mein Glück,
die Nacht mein Sonnenblick.

5) Ich hang und bleib auch hangen
an Christus als ein Glied;
wo mein Haupt durch ist gangen,
da nimmt er mich auch mit.
Er reißet durch den Tod,
durch Welt, durch Sünd, durch Not,
er reißet durch die Höll;
ich bin stets sein Gesell.

6) Er dringt zum Saal der Ehren,
ich folg ihm immer nach
und darf mich gar nicht kehren
an einzig Ungemach.
Es tobe, was da kann,
mein Haupt nimmt sich mein an,
mein Heiland ist mein Schild,
der alles Toben stillt.

7) Er bringt mich an die Pforten,
die in den Himmel führt,
daran mit güldnen Worten
der Reim gelesen wird:
Wer dort wird mit verhöhnt,
wird hier auch mit gekrönt;
wer dort mit sterben geht,
wird hier auch mit erhöht.

Mitteldeutschland lag in Trümmern. Gerade unsere Gegenden sind durchtränkt vom Blut der Ermordeten und von den Schreien der Vergewaltigten. Zerstörte Dörfer, Städte und Kirchen – keine Ostergottesdienste – Hunger und Elend. Und da versucht Paul Gerhardt, sein Herz zu ermutigen: „Auf, auf!“ Denn es liegt darnieder in Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. „Auf, mein Herz, nimm wahr, was heut geschicht!“ Es ist Ostern! Sei nicht blind. Nach großem Leiden kommt das große Licht.
Ostern kommt zur Unzeit. Aber gerade jetzt kann der Osterruf, die Posaune über den Gräbern das Herz aus seiner Niedergeschlagenheit erheben.
Die Hoffnung begraben? Nicht mit Jesus. Wenn wir auf ihn schauen, werden wir das Licht sehen und uns ändern und verwandeln: In ein Leben in Liebe. Halleluja!

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Online-Redaktion

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