Predigttext zum Sonntag
Gefangen in der Pandemie

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Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen.
Jesaja 42, Vers 3a


 Die Adressaten dieses prophetischen Wortes befinden sich im 6. Jahrhundert vor Christus in babylonischer Gefangenschaft. Irgendwie befinden wir uns auch in Gefangenschaft, in pandemischer. Was uns im Jahr 2022 mit den Verbannten von damals verbindet, ist die Sehnsucht nach dem Leben, wie es einmal war. Im Fall der Israeliten nach dem Leben wie sie es aus ihrer Heimat kannten. Unsererseits nach dem normalen Leben, wie wir es vor Corona führten.

Den Menschen damals wird ein Heilsbringer, ein von Gott Auserwählter versprochen, „der das Recht unter die Heiden bringen wird“. Wir wissen nichts Genaues über den Gottesknecht, von dem hier die Rede ist. Aber wir können sicher sein, dass Jesaja mit diesen Worten seinen Zeitgenossen die Botschaft übermittelt: Gott handelt. Und wenn das so in der Bibel steht, gilt es noch heute. Auch, wenn wir es nicht glauben wollen. Corona macht es uns nicht leicht, an das Eingreifen Gottes zu glauben. Nach knapp zwei Jahren geht uns die Puste aus.

Wie soll in die aufgeregten, von Schuldzuweisungen geprägten Debatten über Impfen und Impfpflicht eine Wendung kommen?

Bei dem Bild vom geknickten Rohr denke ich unmittelbar an unsere auseinanderdriftende Gesellschaft. An die Spaltung zwischen Impfbefürwortern und Impfskeptikern. „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen“, heißt es. Wenn es denn aber schon entzwei ist, bedeutet das, dass Gott es wieder zusammenschweißt? Die prophetische Antwort lautet: „In Treue trägt er das Recht hinaus.“ Was auch immer das heißen mag.

Jesaja argumentiert mit der Schöpfungstheologie. Er verweist auf Gott, der den Himmel und die Erde und alles geschaffen hat, der die Augen der Blinden öffnen und Gefangene aus dem Gefängnis führen kann. Will sagen: Gott kann alles!

Mit solcher Gewissheit könnten wir zuversichtlich in das neue Jahr blicken – wenn sich da nicht Zweifel einschlichen! Denn wir wissen noch nicht, wie es mit den Viren und Mutanten weitergehen wird. Das normale Leben, zu dem wir so gern zurückkehren möchten, ist noch nicht in Sicht. Es sprosst noch nicht. Genau für den Fall verspricht die Bibel: „So verkündige ich auch Neues; ehe es sprosst, lasse ich’s euch hören".

Sabine Kuschel , Theologin, Dresden

Sabine Kuschel | Foto: Steffen Wolf
Autor:

Online-Redaktion

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