100 Jahre "Glaube + Heimat"
Zeitreise mit Bibel und Mindmap

- Dietlind Steinhöfel hat Geschichte und Geschichten aus 100 Jahren zusammenge-tragen.
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Von der Idee, 100 Jahre Kirchenzeitung in einer Serie Revue passieren zu lassen, sei sie sofort begeistert gewesen, erzählt Dietlind Steinhöfel. Die langjährige Chefredakteurin der "Glaube + Heimat" hat im Jubiläumsjahr Woche für Woche Geschichte und Geschichten zusammengetragen – ein Mammutprojekt!
Von Beatrix Heinrichs
"Ich habe zugesagt, ohne nachzudenken, was da für eine Arbeit auf mich zukommt", erinnert sie sich.
Die "Zeitreise" ist nun im Wartburg Verlag erschienen. In 50 Folgen dokumentiert Steinhöfel die Entwicklung der "Glaube + Heimat", beleuchtet Themen und Debatten und zeigt, wie die als "christliches Familienblatt" 1924 gegründete Monatsschrift ihren Auftrag, zu dem vor allem auch die biblische Bildung zählte, wahrnimmt. "Die Klage, dass zu wenig Bibel gelesen würde, gab es in allen Jahren. Also wurden Bibelserien und Diskussionsreihen über das Glaubensbekenntnis etabliert. Später in den 2000er-Jahren gab es den Glaubenskurs ›Credo‹." Die aktuelle Glaubensserie "Und was glaubst du?", die zu Ostern starten soll, stehe da in einer guten Tradition. Auch kirchliche Kuriositäten entdeckt Steinhöfel bei dem intensiven Zeitungsstudium – und widmet ihnen eine eigene Rubrik. Die Fundstücke, eine kleine Stichwortsammlung, die jede Folge begleitet, geben Einblicke in Zeit und Zeitgeist, lassen staunen und regen zum Nachdenken an.
Unterstützung bei der Lektüre erhielt Steinhöfel auch vom Landeskirchenarchiv Eisenach, das die gebunden Jahrgänge aufbewahrt. Die Ausgaben, die bis ins Jahr 1941 erschienen, seien bereits über das Portal der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in Jena digital abrufbar. Die Arbeit mit den digitalen Bänden sei ihr leicht gefallen, so Steinhöfel. "Ich konnte problemlos in der Zeit vor und zurückgehen und nach Stichworten suchen. Als ich mich dann aber durch die gebundenen Jahrgänge lesen musste, habe ich schnell festgestellt, dass ich da systematisch und strukturiert rangehen muss." Also habe sie begonnen, Mindmaps anzulegen, um Themen übersichtlich zu strukturieren.

- Mit System: Dietlind Steinhöfel legte Mindmaps an, um Themen übersichtlich zu strukturieren.
- Foto: Beatrix Heinrichs
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Besonders wichtig sei das gewesen, da sich manche Debatten durch gleich mehrere Jahrgänge gezogen hätten. "Ein Beispiel ist die Frauenordination. Die Diskussion begann schon sehr zeitig. In der Zeit des Nationalsozialismus schien sich die Fragen nach Frauen im Pfarramt gar nicht zu stellen. Erst einige Jahre später fand sich dazu wieder etwas in der Zeitung. Da gab es Diskussionen und Bedenken, dass der Pfarrerberuf ein reiner Frauenberuf werden könnte. Das klingt seltsam, schließlich sind Frauen heute voll anerkannt in den Gemeinden." Andere Themen und Diskussionen hätten sie beim Eintauchen in die Vergangenheit mit einem Déjà-vu-Gefühl zurückgelassen, erzählt sie. Egal, ob es um Flüchtlinge ginge, um Frieden, Bewahrung der Schöpfung oder wie jüngst die Aufrüstung – das seien alles keine neuen Themen. "Ich habe festgestellt: Man kann schon oft Parallelen zur Gegenwart ziehen."
"In der Zeitung steckt schon ein ganzerTeil von meinem Leben – und ein großes Stück Kirchengeschichte"
Generell hätten sie die Themensetzung in den Jahren ab 1930 sehr bewegt. "Schockiert ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber manches hat mich wütend gemacht." Anfang der 1930er-Jahre gerät die Kirche in den Strudel der politischen Veränderungen, von denen auch die Kirchenzeitung nicht unbenommen bleibt. Mit dem Studienrat Wilhelm Bauer übernimmt 1933 ein Deutscher Christ die Chefredaktion. Hitler sei als Messias gefeiert worden, erklärt Steinhöfel. "Ich bin mit der Kirchenzeitung aufgewachsen. Das war unser Familienblatt – und da habe ich mich schon gefragt: Wie kann das nur sein? Das hat sehr geschmerzt." Um dieses dunkle Kapitel in der Geschichte der "Glaube + Heimat" habe sie gewusst, sagt Steinhöfel. "Aber ich habe diese Ausgaben damals in meiner aktiven Zeit als Redakteurin und später als Chefredakteurin nicht gelesen. Man hätte es machen müssen." Die Aufarbeitung dieser Geschichte, die auch mit der Ausstellung zum Entjudungsinstitut im Eisenacher Lutherhaus dokumentiert wird, sei wichtig und bleibe es.

- Déjà-vu-Gefühl: Egal, ob es um Flüchtlinge ginge, um Frieden, Bewahrung der Schöpfung oder wie jüngst die Aufrüstung – manche Themen und Debatten ziehen sich durch mehrere Ausgaben und Jahrgänge.
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Bewegte Zeiten erlebte Steinhöfel selbst in der Redaktion in den 1980er-Jahren. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr so mancher Eingriff der staatlichen Behörden. "In der Zeitung steckt schon ein ganzer Teil von meinem Leben – und ein großes Stück Kirchengeschichte", resümiert sie. "Der Konflikt zwischen bekennender Kirche und Deutschen Christen, die Aufarbeitung nach 1945, die Gründung der Landeskirchen, die ökumenische Entwicklung oder die Stellung zu Friedensfragen in den 80er-Jahren – das hat die Kirchenzeitung alles begleitet." Das dürfe auch gern so bleiben, sagt Steinhöfel. "So eine Zeitung kann unwahrscheinlich viel bewirken. Ich wünsche mir, dass G+H auch in Zukunft auf unserer Glaubensgrundlage mit den Lesern im Gespräch bleibt."
Steinhöfel, Dietlind: Zeitreise. 100 Jahre Kirchenzeitung – Eine Dokumentation. Wartburg Verlag, 60 S., ISBN 978-3-86160-598-0; 4,95 Euro.



Autor:Beatrix Heinrichs |
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