Pop-up-Hochzeiten
Ohne Planung, aber mit viel Herz

Foto:  epd-bild/Thomas Lohnes

50 Jahre sind Gudrun und Jörg Berntsen bereits standesamtlich verheiratet - doch erst jetzt haben sie sich Gottes Segen bei einer kirchlichen Spontan-Trauung im niedersächsischen Gifhorn geben lassen. "Ich habe mir eine kirchliche Trauung schon immer gewünscht", berichtet die 70 Jahre alte Gudrun aus dem brandenburgischen Bad Freienwalde (Oder). Allerdings war es in der DDR nicht üblich, sich kirchlich trauen zu lassen. Ihr Mann war deswegen entschieden dagegen. Sie, im Gegensatz zu ihm christlich erzogen und gläubig, akzeptierte das. In Gifhorn nun ergriff die ehemalige Lehrerin ihre Chance.

Von Hannah Schmitz 

Das Paar war auf der Rückreise von einer Urlaubswoche zur Goldenen Hochzeit in Belgien. Wie immer auf längeren Reisen, legten sie einen Zwischenstopp ein - in einem ihnen unbekannten Ort. Dieses Mal war es Gifhorn. In dem beschaulichen Städtchen östlich von Hannover wollten sie sich am 25. Mai - einem Sonntag - die evangelische Kirche Sankt Nicolai anschauen. Mit Regenjacke und Jeans bekleidet liefen sie dort mitten hinein in ein Spontan-Hochzeitsfest mit mehreren Pastoren und Pastorinnen, das der Kirchenkreis Gifhorn organisiert hatte.

"Ich kannte Pop-Up-Hochzeiten schon aus dem Fernsehen", berichtet Gudrun Berntsen. "Und ich habe mir gedacht: Wir machen das jetzt!" Ihr Mann, ebenfalls 70 und früher selbstständiger Fußbodenverleger, sei perplex gewesen - und sehr gerührt. Trotz seiner einstigen Ablehnung war die Zeit offenbar reif für die Trauung vor Gott. So erzählt die Brandenburgerin, dass ihr Mann den Trauspruch aussuchte und während der Trauung durch die Gifhorner Superintendentin Sylvia Pfannschmidt versprach, mit "Gottes Hilfe" mit ihr zusammenzuhalten. "Er war es auch, der es im Nachhinein unseren Freunden und Bekannten erzählt hat", berichtet die 70-jährige, die davon nach eigenen Worten freudig überrascht war.

"Geheiratet, so wie wir sind"

"Es hat uns beide berührt und noch einmal mehr Verbundenheit geschaffen", sagt sie. Das Paar würde jederzeit wieder spontan heiraten, denn: "Die Art war passend. Wir haben so geheiratet, wie wir sind. Ich hatte mir an dem Tag noch nicht einmal die Augen geschminkt, wie sonst immer", so Berntsen. Die Familie, Freunde oder andere Gäste habe sie bei diesem Ereignis nicht vermisst. "Es war eine Sache zwischen uns beiden." Danach seien sie Eis essen gegangen.

Auch drumherum seien Verständnis und Freude später groß gewesen. "Nach dem ersten Schock, waren alle Reaktionen positiv. Auch unsere drei Kinder und die Enkelkinder fanden es toll, dass wir es so gemacht haben", sagt die ehemalige Lehrerin.

Theologe: Für Ritual mehr Zeit nehmen

Pop-Up-Hochzeiten wie die der Berntsens gibt es immer häufiger - vor allem in der evangelischen Kirche. "Im katholischen Bereich sind sie mir nicht bekannt", sagt der katholische Pastoraltheologe Matthias Sellmann. Das hänge vermutlich mit dem unterschiedlichen Sakramentsverständnis der christlichen Kirchen zusammen. Während die Ehe im Katholizismus als Sakrament gilt und die Verbindung als "kleinste kirchliche Zelle" verstanden werden kann, interpretiere der Protestantismus eine Hochzeit "weniger steil".

Sellmann findet "viel Sympathisches" an den spontanen Trauungen. "Aber ich frage mich, ob es nicht klüger ist, sich für dieses kulturelle und alterserprobte Ritual mehr Zeit zu lassen", sagt der Theologe, der das Zentrum für angewandte Pastoralforschung an der Ruhr-Universität Bochum leitet. Bei einer Eheschließung vor Gott gehe es schließlich auch darum, die bisherige Liebesgeschichte zu reflektieren, Meilensteine zu erkennen und herauszufinden, was einen als Paar ausmache. "Das alles dann mit Gott in Verbindung zu bringen, ist der Clou daran."

Gleichzeitig hebt der Theologe hervor, dass die Kirchen den Paaren bei spontanen Trauungen viel Bürokratie ersparen sollten. "Einer Eheschließung assistieren, das ist eine anspruchsvolle Dienstleistung", sagt er. "Kirchen haben die Aufgabe, gerade die großen Rituale in einer wertigen und möglichst unkomplizierten Darreichungsform so anzubieten, dass Menschen sie gern wahrnehmen."

"Viele mögen den kleinen Rahmen"

Der evangelische Kirchenverband Köln und Region ist einer von denen, der das Konzept der spontanen Trauungen ebenfalls aufgreift. Angefangen hat alles vor fünf Jahren mit einer Pop-Up-Taufe, bei der sich rund 200 Menschen im Rhein taufen ließen. Der große Zuspruch ließ die Idee keimen, solche Spontan-Veranstaltungen auch für Hochzeiten anzubieten. 2023 war es dann so weit: In der Kölner Christuskirche ließen sich knapp 90 Paare spontan trauen. "Wir mussten Überstunden machen", erinnert sich Pfarrer Sebastian Baer-Henney vom Segensbüro "Hätzjeföhl".

Dabei ist es laut dem Pfarrer egal, ob die Paare bereits standesamtlich verheiratet sind oder nicht: Einen Segen bekommen sie alle. Wer bereits standesamtlich verheiratet ist, kann die Spontan-Trauung dann allerdings auch im Kirchenbuch eintragen lassen - zumindets wenn mindestens ein Partner Mitglied der Kirche ist. Ihm zufolge kommen Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen, mit Anmeldung oder ohne: Manche wollten lieber diesen kleinen Rahmen der Feier, andere seien finanziell abhängig vom Ex-Partner, lebten aber längst in einer neuen Beziehung und wollten diese segnen lassen; bei einem homosexuellen Paar habe ein Partner noch nicht sein Coming-Out gehabt.

Dass manche eine "Eventisierung" der kirchlichen Trauung kritisieren, ist Baer-Henney wohl bekannt. Er sagt: "In den Ritualen steckt viel Ernsthaftigkeit und Liebe. Es ist eine gute Sache - aber sicher nicht für jedermann etwas." Typisch kölsch findet die nächste Pop-Up-Hochzeit am 11.11. statt - also zu Beginn der Karnevalssaison. Baer-Henney: "Vergangenes Jahr haben wir am 11.11. auch die Teletubbies verheiratet."

(kna)

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