Weimar: Theologin schreibt über Verlust und Einsamkeit
Leerstellen, die weh tun

Jutta Kranich-Rittweger | Foto: Sabine Zubarik

Von Sabine Zubarik

Es ist nicht erzählbar«, heißt es in einer der acht Geschichten. Und wahrlich entzieht sich das, was den Menschen in »Die Einsamkeit des Kindes« passiert – das Schlimme wie das Gute – jeglicher Sprache. Jutta Kranich-Rittweger erzählt vom Ausgeliefertsein, von Isolation, Verlust und Missbrauch – in sehr konkreten Bildern, Erinnerungsfragmenten, Farben und Geräuschen. Narrative Sprünge und Lücken lassen viel Ungesagtes, Unsagbares vermuten.
Die Autorin lebt seit 2019 in Weimar und arbeitet als Supervisorin und Psychotherapeutin. Als theologisch wie medizinisch ausgebildete Seelsorgerin kam sie schon mit extremen Lebenserfahrungen in Berührung und weiß: »Ein Idealbild vom Umgang mit Isolation und Einsamkeit kann man nicht leisten. Die Harmonie ist auch im Erzählen nicht wieder herzustellen. Bruch, Sinnlosigkeit, Verlust sind da und müssen zum Ausdruck kommen.«
So gilt ihre literarische Arbeit denen, die sprachlos sind. Für manche Erzählungen musste sie sich viel Zeit nehmen und begab sich zum Schreiben mitunter selbst an abgeschiedene Orte. Die Übersetzung in Worte ist schwer: Wie drückt man die Gefühlswelt eines Menschen aus, der für lange Zeit auf sich selbst zurückgeworfen ist? Wie verlaufen die inneren Monologe eines Kindes, das viele Monate von seiner gesamten Umwelt isoliert ist? Wie setzt man lähmende Angst und alles auslöschenden Schmerz überhaupt in Sprache um?
Der Blick zurück in dunkle Phasen der Vergangenheit sei aber nicht ihr Hauptanliegen, sagt Kranich-Rittweger. Wichtiger sei ihr das Zugeständnis, dass ein Weiterleben trotzdem möglich ist. Ein Schlüsselbild findet sie im Alten Testament, als Lot seine Frau aus der brennenden Stadt führt, während alles zu Schutt und Asche wird, und sie gemahnt, nicht zurückzuschauen, um nicht zu erstarren. Lots Frau gelingt das nicht, doch Kranich-Rittwegers Figuren begeben sich auf die Suche nach dem, was sie (über-)leben lässt. »Wer sich in Beziehung setzen kann, hat die Einsamkeit durchbrochen«, ist die Autorin überzeugt.

Lesung auf der Leipziger Buchmesse am 21. März, 15 Uhr, Panel der Evangelischen Akademie Wittenberg
Kranich-Rittweger, Jutta: Die Einsamkeit des Kindes. Erzählungen, 192 S., Mitteldeutscher Verlag, ISBN 978-3-96311-105-1, 12 Euro.

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Online-Redaktion

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