Der Herr Altvikar
- (K)eine Frage des Alters: Joachim Süss hat Mut zur Veränderung. Hätte sich sein Vater seinerzeit durchgesetzt, wäre der Vikar heute Berufsoffizier.
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Neuanfang mit 58: Joachim Süss bezeichnet sich selbst augenzwinkernd als »vielleicht ältesten Vikar der Kirchengeschichte«. Im März tritt er den Dienst im Zwölf-Kirchen-Land an.
Von Constanze Alt
Der Herr Altvikar« werde er in den Kirchspielen Buttelstedt und Neumark im Kirchenkreis Apolda-Buttstädt schon scherzhaft genannt, erzählt Joachim Süss. Den 58-Jährigen mit der interessanten Biographie und dem sympathischen Wesen ficht das nicht an. »Irgendwie nett« findet er die Vorstellung. Dass er bereits sechzig Jahre alt sein wird, wenn er zum Pfarrer ordiniert wird, nimmt er beinahe amüsiert zur Kenntnis. »Für mich ist es ein unglaubliches Geschenk, diesen Weg begonnen zu haben«, sagt Süss, der mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Erfurt lebt.
Vieles im Leben scheint eine Frage des richtigen Zeitpunktes, der passenden Umstände und der inneren Haltung. Als Joachim Süss, geboren 1961 in Marburg, Anfang der achtziger Jahre mit dem Theologie-Studium beginnt, hat er das Berufsziel des Pfarrers klar vor Augen. Nach seinem Studium in Göttingen, Mainz, Frankfurt am Main und Marburg promoviert er in Religionsgeschichte an der Theologischen Fakultät der Uni Marburg.
Allein der Pfarrberuf ist ihm unterwegs »abhandengekommen«. Er lehrt an der Uni Jena und ab 1995 auch am Bundesamt für Zivildienst in Sondershausen. Ab 2001 ist er als Referent und Leiter der Kontaktstelle neureligiöse Gemeinschaften am Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM) tätig.
Ab 2007 kümmert sich Joachim Süss vorwiegend um seine beiden Töchter. Er schreibt und publiziert viel. Was ihn vor allem umtreibt, ist die wissenschaftliche Aufarbeitung von Krieg, Flucht und Vertreibung – insbesondere auch im Hinblick auf die Generation der Kriegskinder und -enkel.
Schreibend findet er Antworten auf seine eigenen Lebensfragen, etwa jener großen, warum aus seiner Berufsperspektive nichts geworden ist. Als Sohn eines aus Böhmen vertriebenen Vaters hätte er, nach dessen Vorbild und Willen, Karriere als Berufsoffizier bei der Bundeswehr machen sollen. Doch der Sohn kann den Erwartungen des »Eisernen Heinrichs«, wie sein Vater auch genannt wurde, nicht entsprechen.
»Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden«, heißt es bei Ezekiel 18,2. Schon hier wird das Phänomen der so genannten »transgenerationalen Weitergabe« benannt. Wer als Kind bei Flucht und Vertreibung existenzielle Angst erlebt hat, wird dies an seine Kinder weitergeben. Nicht selten in der Form emotionaler Kälte. »Wir unterliegen tatsächlich auch Kräften, die unserem eigenen Leben vorgelagert sind. Das Schreiben hat mir geholfen zu verstehen, was ein Kriegstrauma in dieser Heftigkeit mit unseren Eltern gemacht hat«, erklärt Joachim Süss, dem es schließlich auch gelungen ist, seinen eigenen »Traumaschatten« zu überwinden.
Bei einem Festgottesdienst am 4. November 2017 am Lutherstein kommt ihm angesichts von Pfarrer Jan Redeker der Gedanke: »Da könntest du auch stehen.« Von da an ging alles recht schnell. Von einem tiefen Gefühl der Sinnhaftigkeit und einer starken inneren Berufung erfüllt, freute sich Joachim Süss darüber, dass »eine Tür nach der anderen für mich aufging.«
Bereits im April hatte er seine Zulassung zum Vikariat. Mit Pfarrer Hendrik Mattenklodt verstand er sich auf Anhieb.
Gerade die Arbeit im ländlichen Raum interessiert ihn. Als Vikar und später auch als Pfarrer ist es Joachim Süss »in Zeiten existenzieller Verunsicherung« ein Anliegen, »Verantwortung zu tragen und Gottes Wort zu verkündigen.«
Autor:Online-Redaktion |
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